Bürger ohne Vertretung

von Manndat

Reichstagsgebäude_718

Reichstagsgebäude © Jürgen Matern/Wikimedia Commons

Alle Parteien wollen es sein und geben vor, eine zu sein – eine Bürgerpartei. Doch wie viel Bürgernähe steckt wirklich in den etablierten Parteien? Wir gingen der Frage nach und kamen zu einem ernüchternden Ergebnis.

Geschlechterpolitik, so stellt sie sich öffentlich dar, will Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördern. Die Glaubwürdigkeit einer solchen Geschlechterpolitik wird sich deshalb daran messen lassen müssen, inwieweit sie auch Nachteile und Benachteiligungen von Jungen und Männern beseitigen will. Das geschlechterspezifische Bildungsgefälle zuungunsten der Jungen nimmt stetig zu, trotzdem gibt es immer noch wesentlich mehr Mädchenbildungsförderprojekte als Jungenbildungsförderprojekte. Die männliche Lebenserwartung ist um fünf bis sechs Jahre niedriger als die weibliche. Trotzdem erstellte die Bundesregierung bis heute nur einen Frauengesundheitsbericht, aber keinen Männergesundheitsbericht. Die Zahl der männlichen Arbeitslosen, insbesondere der männlichen Jugendarbeitslosen, übersteigt mittlerweile deutlich die Zahl der weiblichen Arbeitslosen.

Obwohl weltweit zwei Drittel aller Gewaltopfer männlichen Geschlechts sind, werden Jungen und Männer bei geschlechterspezifischen Gewaltopferstudien regelmäßig ausgeblendet. In Gleichstellungsstudien wird nach wie vor nahezu ausschließlich die Situation von Mädchen und Frauen beschrieben und analysiert, während durch immer neue Gesetze Jungen und Männern zunehmend Grundrechte beschnitten oder entzogen werden, wie z. B. durch die Legalisierung von Körperverletzung von Jungen durch Beschneidung oder die gesetzliche Frauenquote, bei der vorwiegend Väter besonders betroffen sind, die alleinerziehend sind bzw. in Teilzeit arbeiten oder Elternzeit genommen haben, um ihre Kinder zu erziehen. Sie werden doppelt diskriminiert – einmal durch den Arbeitszeitausfall und nunmehr auch aufgrund ihres Geschlechtes.

Wir fragen nach

Wir wollten wissen, wie bürgernah unsere Politiker und Parteien sind und wie weit sie bereit sind, sich einer Geschlechterpolitik zu stellen, die auch die berechtigten Anliegen von Jungen und Männern berücksichtigt. Dazu haben wir ein Jahr lang ausgewertet, welche Abgeordnete uns zu sachlichen Anfragen zu den Themen Jugendarbeitslosigkeit, Bildung, Gewalt und Gesundheit geantwortet haben. Die Bereitschaft der Politiker, auf sachliche Anfragen von Bürgern zu antworten, nahmen wir als Maß für deren Bürgernähe und die ihrer Parteien. Mindestens zwei Drittel Rückantworten bedeutet dabei bürgernah, bis maximal ein Drittel (33,3 %) Rückantworten bedeutet bürgerfern. Dazwischen ist das Verhältnis der Politik zu den Bürgern gerade noch ausreichend.

Zusammenfassendes Ergebnis

Alle Parteien sind bürgerfern. Insgesamt nur 19,7 % Rückantworten haben wir auf unsere sachlichen Anfragen an die politischen Fachleute erhalten. Also nicht einmal jeder fünfte Politiker war bereit, uns als Bürger dieses Landes Auskunft in seinem politischen Fachgebiet zu geben! Die Grünen antworteten dabei mit 30 % am häufigsten auf unsere Anfragen, haben die Mindesthürde also knapp gerissen. Die CDU kam auf 22,2 %, die SPD gar nur auf 20 % und die Linke brachte es fertig, nicht eine einzige Anfrage von neun zu beantworten.

Die etablierten Parteien führen ihre sinkenden Mitgliederzahlen auf ein sinkendes Politikinteresse der Bürger zurück. Unsere Studie zeigt ein anderes Bild. Nicht ein mangelndes Interesse der Bürger an Politik scheint das Problem zu sein, sondern ein mangelndes Interesse der Politiker an den Bürgern. Von Bürgerparteien kann in Deutschland definitiv nicht die Rede sein. Insofern ist es verständlich, wenn die politisch interessierten Menschen ihr politisches Engagement immer seltener in Parteien suchen, sondern immer öfter außerhalb der Parteien politisch aktiv werden, z.B. in Blogs, Foren oder Vereinen. Allerdings scheinen die neuen Parteien – und das lässt die Studie auch vermuten – ebenfalls nicht die Alternativen zu sein, die sie vorgeben, sein zu wollen, denn auch von ihnen kommen keine Antworten.

Methode

Wir haben 2014 die Rückmeldungen von Politikern auf unsere fachlichen Anfragen gezählt. Bei unseren Anfragen schrieben wir gezielt die jeweils politischen Fachleute zu dem jeweiligen Thema an – die zuständigen Ministerien, die Mitglieder und Vorsitzenden der zuständigen Fachausschüsse in den Parlamenten, also jeweils die fachpolitische Elite unseres Landes. Die Themen, die wir gewählt haben, waren aktuell:

  • Jugendarbeitslosigkeit
  • Bildung
  • geschlechterspezifische Gewaltopfersituation
  • geschlechterspezifische Gesundheitssituation

Die Qualität der Rückantworten haben wir nicht beurteilt. Diese geht aus den einzelnen Studien hervor, die Sie auf unserer Homepage einsehen können.

Auswertung und Ergebnisse

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Partei Anfragen Antworten
CDU/CSU 18 4
SPD 15 3
B90/Grüne 10 3
Linke 9 0
FDP 3 1
Piraten 2 0
AfD 2 0
SSW 1 0
Fraktionslose
(Walter Scheuerl, HH)
1 1

Bei der graphischen Auswertung wurden lediglich diejenigen Parteien berücksichtigt, bei denen wir öfter als fünfmal angefragt haben, um eine ausreichende Repräsentanz zu gewährleisten.

Lesermeinungen

  1. By Gert Dr. Teska

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  2. By Paul Riedel

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  3. By Wolf

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  4. By Volker

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  5. By Helmut Freisinger

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  6. By Helmut Freisinger

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  7. By Christian

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  8. By Friedhardt

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  9. By Friedhardt

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  10. By Michael Mühleisen

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    • By Dr. Bruno Köhler

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