Falschbeschuldigungen, Kriminologen und Forschungsbedarf

von Manndat

Seit den späten achtziger Jahren nimmt die Zahl der Anzeigen wegen Vergewaltigung im Trend zu. Im gleichen Zeitraum nahm aber die Zahl der Verurteilungen stetig ab. Diese gegenläufigen Trends legen den Verdacht eines zunehmenden Aufkommens an Falschbeschuldigungen nahe. MANNdat und agens hatten sich bereits beim Bundeskriminalamt (BKA) informiert und forderten die Durchführung einer Forschungsstudie vom Bundesamt für Justiz (BfJ) – vergeblich. Jetzt ist das Kriminologische Institut Niedersachen (KFN) über dieselbe Problematik gestolpert. Das Medienecho ist groß, es könnte Bewegung in die Sache kommen. Allerdings droht die Diskussion wieder einmal sehr einseitig zu verlaufen. MANNdat und agens nehmen Stellung.

Im Juni 2013 brachten Vertreter von MANNdat und agens in einem Gespräch beim BKA ihre Besorgnis über zwei Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Delikt Vergewaltigung zum Ausdruck: Zum einen war die Zahl der angezeigten Fälle sehr viel höher als die der Verurteilungen. Zum anderen ist der Trend beider seit den späten achtziger Jahren deutlich gegenläufig. Die Anzeigen nehmen immer mehr zu, die Verteilungen nehmen stetig ab. Beides begründet den Verdacht eines hohen und weiter zunehmenden Aufkommens an Falschbeschuldigungen.

Delikt Vergewaltigung 1987 - 2011Delikte Vergewaltigung 1987 – 2011

Bezüglich der großen Differenz zwischen der Zahl der Anzeigen und der Verurteilungen konnte das BKA die Bedenken insoweit entkräften, als bei allen Delikten der sogenannte Strafverfolgungstrichter zu beachten ist. Von einer Vielzahl von Verbrechen kommt aufgrund verschiedenster Zusammenhänge stets nur eine Teilmenge zur Anzeige (Dunkel- vs. Hellfeld). Nur ein gewisser Teil der Anzeigen wird nach juristischer Einschätzung durch die Staatsanwaltschaften als so gut begründet eingestuft, dass diese Anklage erhebt. Schließlich erweisen sich im Gerichtsverfahren nicht alle Anklagen als fundiert. Wiederum nur eine Teilmenge führt zu Verurteilungen. Das ist ein normaler rechtsstaatlicher Sachverhalt. Schuld ist zu beweisen, im Falle nicht bewiesener Anschuldigungen verbietet sich eine Verurteilung.

Was die Erhellung der Zusammenhänge bezüglich der Zunahme der Zahl der Anzeigen bei gleichzeitigem Rückgang der Verurteilungen betrifft, verwies das BKA auf die Notwendigkeit, die gesamte Prozesskette von der Polizei über die Staatsanwaltschaften bis zu den Gerichten in die Betrachtung zu nehmen. Hierzu bestehe Forschungsbedarf, den das BKA als Einrichtung der Strafverfolgungsbehörden nicht in der gebotenen übergreifenden Prozesshaftigkeit leisten könne. In Frage käme das BfJ oder ein kriminologisches Forschungsinstitut.

Noch im August 2013 wandten sich MANNdat und agens deshalb an das Bundesamt für Justiz (BfJ) mit der Bitte, den Forschungsbedarf aufzugreifen und eine entsprechende Studie durchzuführen. Das BfJ antwortete in der Quintessenz, es bestehe kein gesetzlicher Regelungsbedarf (wo doch ein Forschungsbedarf reklamiert wurde) und es seien keine Mittel vorhanden.

Dem Kriminologischen Institut Niedersachen (KFN) unter Leitung von Professor Pfeiffer sind nun offenbar erst jüngst ebenfalls die gegenläufigen Trends bei Anzeigen und Verurteilungen aufgefallen. Darüber hinaus bestehe eine große Unterschiedlichkeit in der Relation aus Anzeigen und Verurteilungen zwischen einzelnen Bundesländern. Pfeiffer schlussfolgert daraus wie schon längst MANNdat und agens Forschungsbedarf. Der Zustand sei für einen Rechtsstaat höchst bedenklich und für Vergewaltigungsopfer unerträglich.

MANNdat und agens schließen sich der Einschätzung, die Lage sei für den Rechtsstaat höchst bedenklich, ausdrücklich an. MANNdat und agens weisen aber ausdrücklich darauf hin, dies betreffe nicht nur das Delikt der Vergewaltigung, sondern auch das der Falschbeschuldigung. Des Weiteren ist die aktuelle Situation nicht nur für Vergewaltigungsopfer, sondern auch für Falschbeschuldigte nicht hinnehmbar.

Vor dem Hintergrund der jüngsten prominenten Falschbeschuldigungsfälle Andreas Türck, Horst Arnold sowie höchstwahrscheinlich Jörg Kachelmann ist die Aussage Pfeiffers, man könne nicht unterstellen, ein hoher Anteil von Frauen erfinde Vergewaltigungen, eine präjudizierende Vorwegnahme eines Forschungsergebnisses, welche Pfeiffer schon als Wissenschaftler nicht treffen sollte. Zurück zu weisen ist außerdem die Unterstellung, der Freispruch von Jörg Kachelmann habe viele Vergewaltigungsopfer davon abgeschreckt, Anzeige zu erstatten. Zum einen wäre erst zu belegen, das offenbar jüngst rückläufige Aufkommen an Anzeigen gehe nicht auf eine Abschreckungswirkung auf Falschbeschuldigerinnen zurück. Dass mutmaßlich Vergewaltigungen sich zu einem immer größeren Teil im Nahbereich des Opfers, also in einem Beziehungskontext, abspielen sollen, legt zumindest den Verdacht nahe, dass die Beziehungsdynamik neuerdings eine wesentliche Rolle spielt. Die Sorge der Instrumentalisierung im Beziehungsstreit ist naheliegend. Zum anderen hat der Angeklagte in einem Strafprozess Anspruch, nach Maßgabe der nachgewiesenen Schuld beurteilt zu werden. Die Wahrnehmung Dritter muss dabei außen vor bleiben.

MANNdat und agens fordern, eine wissenschaftliche belastbare Studie mit neutralem Untersuchungsdesign in Auftrag zu geben. Im Rahmen dieser sollten beide Delikte – Vergewaltigung und Falschbeschuldigung – weiter erforscht werden. Die Einlassungen Pfeiffers, welche schon vorab ganz in der Tendenz des Opfer-Feminismus liegen, lassen es nicht geraten erscheinen, das von ihm geleitete Institut mit der Durchführung zu beauftragen. MANNdat und agens fordern, dem Bundesamt für Justiz ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen, ein qualifiziertes Institut mit Design und Durchführung der Studie zu beauftragen.

MANNdat

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Weitere Quellen:

Süddeutsche: Mehr Anzeigen, weniger Urteile
Strafakte.de: Vergewaltigung: Wer ist Täter und wer ist Opfer?
Weisser Ring: Geplante Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen

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