Häusliche Gewalt gegen Männer: Was kann Mann dagegen tun?

von Manndat

Häusliche Gewalt - was kann man dagegen tun

Es ist aus zahlreichen internationalen Studien bekannt, dass Frauen bei häuslicher Gewalt nicht seltener Täter sind als Männer. Im Rahmen einer deutschen Studie zu Vätern in Trennungs- und Scheidungssituationen (Prof. Amendt, 2005) wurde quasi als „Nebenprodukt“ festgestellt, dass in solchen Stresssituationen Frauen sogar deutlich stärker zu Beziehungsgewalt (häusliche Gewalt) neigen als Männer. Wie übrigens auch bei häuslicher Gewalt gegen Kinder. Doch als Opfer häuslicher Gewalt werden Männer oft allein gelassen. Was kann man dagegen tun? Was muss man beachten? Welche Hilfsangebote gibt es? Der Ratgeber liefert Antworten.

Einleitung

In der letzten Zeit häufen sich Emails an MANNdat, in denen Betroffene häuslicher Gewalt – das heißt von Beziehungsgewalt – ihre Situation schildern und sich über die mangelnde Unterstützung seitens Polizei und Justiz sowie die kaum vorhandenen Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt gegen Männer beschweren. Ein anonymisiertes Beispiel (Name und Adresse sind MANNdat bekannt) soll stellvertretend die Problematik beschreiben.

Am xx.xx.2010 wurde ich von der Noch-Ehefrau mit einer Tontasse verprügelt und danach mit einem Küchenmesser angegriffen. Es gelang mir, ihre Angriffe abzuwehren, sie zu Boden drücken und auf dem Boden zu fixieren, bis die Polizei eintraf. Doch die Polizistin xxxx und der Polizist yyyy erklärten mich zum Täter. Die Beweisstücke wurden nicht gesichert, Aufnahmen nicht gemacht. Stattdessen wurde ich durch die Beamtin misshandelt, sodass ich mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug. Ohne ärztliche Einweisung wurde ich in eine geschlossene psychiatrische Abteilung eingewiesen. Per Gerichtsbeschluss darf ich bis November 2011 mich nicht einmal meinem Haus nähern. Mein ganzer Besitz liegt darin. Ich habe zweimal gegen die Wegweisung geklagt. Vergebens. Das Landgericht geht davon aus, dass in der Regel Männer Frauen schlagen.

Auch die erste repräsentative Studie in Deutschland, die Männer als Opfer häuslicher Gewalt  (Paargewalt) genauer betrachtete, zeigte den beträchtlichen, bisher ignorierten Anteil von Frauen als Täterinnen im Bereich der familiären Gewalt. Es zeigt sich, dass auch Frauen in nennenswertem Umfang sehr wohl physische Gewalt gegen den Partner ausüben.

Dennoch ist bei häuslicher Gewalt durch die permanente Stilisierung von Frauen zu alleinigen Opfern und Männern zu alleinigen Tätern ein öffentliches Klima entstanden, in dem männliche Betroffene von Beziehungsgewalt nur selten eine Chance auf angemessene Hilfe haben und speziell auf Männer ausgerichtete Hilfsangebote Mangelware sind. Vor diesem Hintergrund muss man auch oben genanntes Beispiel sehen. Dass der Mann die gewalttätige Frau nur abgewehrt hat, sie die Täterin und er das eigentliche Opfer war, war offensichtlich jenseits des Vorstellungsvermögens der Polizisten – und dies, obwohl der Mann es war, der sie gerufen hatte. So wurde aus der brutalen Gewalttäterin ein schützenswertes Opfer, aus dem betroffenen Mann ein Täter.

Und immer stellen sich dieselben Fragen: „Was kann man dagegen tun?„, „Wie verhalte ich mich richtig?„, „Welche Hilfsangebote gibt es?“ und „Was wird aus den Kindern?

In Anbetracht der zunehmenden Häufigkeit solcher Anfragen und der Tatsache, dass uns nur ein winziger Bruchteil derartiger Vorfälle zur Kenntnis gelangt – entsprechend angelegte Studien sind in Deutschland bisher nicht durchgeführt worden – , fragen wir uns natürlich, wie hoch der Hellfeldanteil an Täterinnen und männlichen Betroffenen bei häuslicher Gewalt aussehen würde, verfolgte man nur die bereits angezeigten Straftaten geschlechtsneutral – von den Dunkelfeldzahlen, in die alle nichtangezeigten Fälle eingehen, ganz zu schweigen.

In der polizeilichen Kriminalstatistik von Berlin, die Zahlen zur häuslichen Gewalt gesondert ausweist, war beispielsweise 2010 ein Frauenanteil von 23,8% bei den Tatverdächtigen in Fällen häuslicher Gewalt zu verzeichnen. In Anbetracht der oben geschilderten Herangehensweise von Seiten der Polizei dürfte es sich dabei um eine Minimalabschätzung handeln. Berlin gibt übrigens jedes Jahr einen hohen einstelligen Millionenbetrag für die Bekämpfung häuslicher Gewalt gegen Frauen aus, inklusive öffentlich finanzierter Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen. Doch häusliche Gewalt – Hilfsangebote wie Beratungen und Zufluchtswohnungen – ist dem Senat nicht einen Cent wert, wenn es sich um männliche Betroffene handelt. In Berlin gilt übrigens das Prinzip des „Gender Budgeting“, das Steuergelder gerecht zwischen Männern und Frauen verteilen soll…

Die im Allgemeinen Männer diskriminierende Praxis von Polizei und Justiz – nicht nur bei häuslicher Gewalt – bestätigte auch der Leipziger Strafrechtsprofessor und Kriminologe Hendrik Schneider in einem Interview der Sächsischen Zeitung vom 3. September 2011 (Seite 5), Zitat:

(…)Außerdem ist möglicherweise die sogenannte geschlechtsspezifische Sanktionierungspraxis der Gerichte zu beachten.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Das heißt, überwiegend männliche Polizisten kümmern sich um überwiegend männliche Straftäter, die von männlichen Staatsanwälten angeklagt und von männlichen Richtern verurteilt werden. Es gibt Autoren, die sagen, dass die gesamte Strafrechtspflege nach wie vor überwiegend eine Männerdomäne sei. Das führt zu einer veränderten Wahrnehmung der Fälle und auch einer Sanktionierungspraxis, bei der geschlechtsspezifisch vorinterpretiert wird.

Also urteilen männliche Richter anders gegenüber Männern als gegenüber Frauen?

Das Strafrecht unterscheidet erst einmal nicht nach dem Geschlecht. Da ist vom Täter die Rede, und das kann ein Mann oder eine Frau sein. Aber vor allem bei der konkreten Interpretationen von Gewaltstraftaten können sich geschlechtsspezifische Vorstellungen in den Köpfen von Staatsanwälten und Richtern zeigen. Zum Beispiel bei der einfachen Frage: „War das jetzt ein Angriff oder war das eine Verteidigung?“ Oder: „War das eine ausweglose Lage, aus der ein Familientyrann ermordet werden musste?“

Das wäre dann eine Diskriminierung der Männer.

Ganz genau. Zum Beispiel haben Polizisten bei Untersuchungen über Einsätze bei häuslicher Gewalt gesagt: „Natürlich nehmen wir erst mal den Mann mit, wenn wir Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt ergreifen sollen.“ Viele sagen, dass das Diskriminierung im Sinne einer Voreinstellung über gesellschaftliche Rollenstereotype ist.“

Ja, das sagt auch MANNdat und nicht nur im Sinne von gesellschaftlichen Rollenstereotypen. Polizeibeamte verletzen schlicht ihre Pflicht und verstoßen gegen das Gewaltschutzgesetz, wenn sie den Mann wegen häuslicher Gewalt der Wohnung verweisen, obwohl es Anhaltspunkte gibt, dass die Frau die Straftäterin ist. Und sie damit auch die Kinder gefährden, die bei der Gewalttäterin zurückbleiben müssen. Wir fordern daher seit Jahren Maßnahmen, die diesem Sachverhalt entgegen wirken (siehe „Was wir wollen“, Punkt 9), der nicht nur auf das Gebiet der häuslichen Gewalt beschränkt ist.

Wie geschlechtsspezifisch unterschiedlich häusliche Gewalt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird und wie wenig Hilfe betroffene Männer in so einem Fall erhalten, hat eindrucksvoll das Experiment einer britischen Väterorganisation gezeigt. Sie engagierte zwei Schauspieler – einen Mann und eine Frau, die in der Öffentlichkeit einen Streit austrugen. Einmal übte der Mann häusliche Gewalt gegen die Frau aus und zu einem späteren Zeitpunkt die Frau gegen den Mann. Die Reaktionen der unbeteiligten Anwesenden zeigen sehr deutlich, warum es Männer so schwer haben, Hilfe zu erhalten und weshalb es wichtig wäre, dass ihnen im gleichen Maß wie Frauen Hilfsangebote zur Verfügung gestellt würden. Und es zeigt auch, dass es falsch ist zu behaupten, Gewalt gegen Frauen sei ein gesellschaftliches Tabu.

Es wird noch lange dauern, bis „Männer und Kinder“ im gleichen Maß als Betroffene von Beziehungsgewalt gesehen werden wie Frauen. Und es wird noch viel länger dauern, bis ihnen bei häuslicher Gewalt dieselbe Hilfe und Unterstützung zuteil wird, wie sie Frauen ganz selbstverständlich erhalten. Das wird jedoch umso schneller geschehen, je mehr Männer sich trauen, derartige Gewalttaten ihrer Partnerin anzuzeigen.

Auf Grund der aktuellen gesellschaftlichen Situation gibt es für männliche Betroffene von Beziehungsgewalt jedoch einige Dinge zu beachten, um nicht selbst in die nachträglich kaum noch zu korrigierende Täterrolle gedrückt zu werden, wie es dem Betroffenen im oben zitierten Fall ging. Sicherlich wird nicht jeder Ratschlag in jeder Situation umzusetzen sein. Dennoch wollen wir männlichen Betroffenen diese Hinweise mit auf den Weg geben, damit sie richtig handeln, bevor „das Kind in den Brunnen gefallen“ ist.

Noch drei Anmerkungen:

  • Der Begriff „häusliche Gewalt“ wird derzeit inflationär genutzt. Neben physischer und psychischer Gewalt gibt es bei häuslicher Gewalt inzwischen auch die Begriffe der „ökonomischen“ und „sozialen“ Gewalt. Wir beschränken uns hier auf den strafrechtlich besonders relevanten Bereich der physischen Gewalttaten.
  • Zwar suggeriert der Begriff „häusliche Gewalt“, dass es um Gewalttätigkeiten innerhalb der eigenen vier Wände geht. „Häusliche Gewalt“ ist jedoch jede (physische) Gewalt zwischen den Partnern einer Beziehung, gleichgültig ob sie zu Hause, im Urlaub, im Auto oder bei einem Spaziergang im Park ausgeübt wird. Der häufigste Ort ist natürlich dennoch die eigene Wohnung, weshalb wir uns darauf konzentrieren.
  • MANNdat e.V. ist zwar bundesweit aktiv, kann aber auf Grund der personellen Situation leider keine Hilfsangebote für den Einzelfall anbieten. Wir hoffen dennoch, mit diesem Ratgeber den Betroffenen häuslicher Partnergewalt eine sinnvolle Unterstützung liefern zu können.

Zusammenfassung: Was tun bei einem körperlichen Angriff?

  1. Nicht zurückschlagen und nach Möglichkeit Angriffen ausweichen, anstatt sie abzublocken. Versuchen Sie deeskalierend zu handeln. Notfalls verlassen Sie die Wohnung.
  2. Im Fall von zugefügten Verletzungen sofort die Wohnung verlassen und einen Arzt oder die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen, die Verletzung behandeln und unter Angabe des tatsächlichen Grundes (Häusliche Gewalt – Hilfsangebote für Männer in Ihrer Nähe erfragen!) dokumentieren lassen. Achtung: Denken Sie an Ihre Kinder und nehmen sie diese nach Möglichkeit mit, falls deren akute Gefährdung zu befürchten ist.
  3. Hat sich die Lage beruhigt und befinden Sie sich wieder in der Wohnung, ergreifen Sie Sicherheitsmaßnahmen für den Fall eines erneuten Angriffs. Stellen Sie zusätzlich eine Liste persönlicher Gegenstände und Dokumente zusammen und sichern Sie diese (evtl. auch als Kopie) außerhalb der Wohnung – zusammen mit etwas Geld, um notfalls ein paar Tage eine Pension bezahlen zu können.
  4. Erstatten Sie im Wiederholungsfall Anzeige gegen die Gewalttäterin. Sprechen Sie spätestens jetzt mit Freunden und Eltern über die Situation, auch um zukünftig eine Notunterkunft zu besitzen.
  5. Sichern Sie Beweise, suchen Sie Zeugen und dokumentieren Sie den Vorfall. Ist eine dauerhafte Besserung nicht abzusehen: Informieren Sie sich über kompetente und auf diesem Gebiet bewanderte Scheidungsanwälte. Suchen Sie sich eine eigene Wohnung.

Ausführliche Erläuterungen

1. Wichtigstes Grundprinzip bei häuslicher Gewalt: Nicht zurückschlagen

Es ist uns durchaus bewusst, dass in einer akuten Stresssituation dieser Hinweis nicht einfach umzusetzen ist. Dennoch ist das ungeheuer wichtig, und zwar aus mehreren Gründen.

Zunächst einmal zeigen Statistiken zur häuslichen Gewalt in Partnerschaften, dass mehr Frauen als Männer schwere Verletzungen erleiden. Der Grund ist vor allem darin zu suchen, dass Männer im Durchschnitt über größere körperliche Kräfte und eine robustere Konstitution verfügen als Frauen. Das heißt natürlich nicht, dass es kaum Männer mit schweren Verletzungen gibt: Frauen gleichen häufig ihre körperlichen Nachteile durch die Verwendung von Alltagsgegenständen aus, die sie als Waffen nutzen.

Das Problem: Gerichte berücksichtigen im günstigsten Fall zwar die Gewaltdynamik, Sie als Handelnder sind aber in der Beweispflicht. Außerdem spielt die Schwere der Verletzung vor Gericht eine wesentliche Rolle. Dafür ein fiktives Beispiel:

Ihre Partnerin schlägt Ihnen mit der Faust ins Gesicht. Auf Grund der geringeren Körperkräfte verursacht sie aber kaum nachweisbare Verletzungen. Sie wehren sich und schlagen ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Sie ruft die Polizei und hat noch Ihren Handabdruck auf dem Gesicht, als die Beamten eintreffen. Niemand glaubt Ihnen, dass Sie nur reagiert haben. Zeugen haben Sie nicht. Das Ergebnis kann sich jeder ausmalen. Dabei ist die Gewaltbereitschaft der Täterin höher einzuschätzen als Ihre, da sie angegriffen hat.

Selbst ein berechtigtes Abblocken des Angriffs der Gewalttäterin kann Sie auf Grund der allgemeinen Vorverurteilung von Männern in Schwierigkeiten bringen: Frauen bekommen sehr leicht blaue Flecke. Zeigt die Gewalttäterin Sie an und weist die blauen Flecke vor, stehen Sie als Täter da, die eigentliche Gewalttäterin als Opfer häuslicher Gewalt, denn ohne Zeugen wird Ihnen niemand glauben, dass Sie nichts weiter gemacht haben, als ihren Schlag abzuwehren. Natürlich ist es immer besser, einen Angriff abzublocken anstatt sich ein Messer in den Körper rammen zu lassen. Dennoch kann man cleverer agieren.

2. Häusliche Gewalt durch die Partnerin erlitten? Sofort reagieren!

Selbst wenn sich die Gewaltbereitschaft der Partnerin bereits längere Zeit vorher anbahnt, wird der eigentliche Gewaltausbruch viele Männer unvorbereitet treffen. Haben Sie keine Verletzung erlitten und beruhigt sich die Gewalttäterin wieder, haben Sie zunächst etwas Zeit gewonnen (siehe Punkt 3). Allerdings ist zu befürchten, dass es früher oder später erneut zu solch einer Eskalation kommen wird. Daher stellt sich bereits an dieser Stelle die Frage, ob der Gewaltausbruch nachweisbar ist, beispielsweise durch anwesende Zeugen (siehe Punkt 5) und wo es im Notfall Hilfsangebote für Sie gibt.

Anders stellt sich die Situation dar, wenn Sie durch den Angriff Verletzungen erlitten haben. Verlassen Sie sofort die Wohnung und suchen Sie einen Arzt (in der Nacht eine Notaufnahme) auf. Lassen Sie die Verletzung behandeln und geben Sie dort den tatsächlichen Grund für die Verletzung an (Häusliche Gewalt – Hilfsangebote für Männer in Ihrer Nähe erfragen!). Bitten Sie den Arzt um eine Bestätigung und bewahren Sie diese außerhalb Ihrer Wohnung auf (siehe Punkt 3). Ist Ihnen das peinlich, findet sich sicherlich eine Begründung für den Arztbesuch, beispielsweise die Auffrischung der Tetanusimpfung, bei dem Sie nebenbei auf das Thema zu sprechen kommen. Sie kommen jedoch nicht umhin, sich dem Arzt anzuvertrauen.

Fragen Sie sich vor Verlassen der Wohnung, ob Ihre Kinder gefährdet sind, wenn Sie das Haus verlassen. Sollte das der Fall sein, versuchen Sie die Kinder nach Möglichkeit mitzunehmen.

Sehen Sie eine Chance außer Haus zu übernachten, kann es auch in Hinblick auf die Deeskalation sinnvoll sein, erst am nächsten Tag zurückzukehren.

Ob Sie bereits beim ersten Gewaltausbruch eine Strafanzeige (Körperverletzung oder versuchte Körperverletzung mit Hinweis auf die häusliche Gewalt) bei der Polizei stellen sollten, ist sicherlich auch eine Frage der Schwere der Tat. Bei einem Mordversuch wie einem Messerangriff ist es sicherlich angemessen. Bitten Sie einen guten Freund, Sie zur Polizei zu begleiten! Denken Sie aber auch daran: Sie müssen beweisen, dass es eine Straftat gegeben hat.

3. Lage beruhigt? Wieder in der Wohnung? Vorsichtsmaßnahmen ergreifen!

Beziehungsgewalt von Seiten der Frauen ist eines der großen Tabuthemen in der Gesellschaft. Sie als Mann sind daher in der Nachweispflicht, denn Männern wird bei diesen Angriffen nur in eindeutigen Fällen Glauben geschenkt. Insbesondere bei der Konstellation „stämmiger Mann – zierliche Frau“ werden Sie mit ausgesprochenem Unglauben rechnen müssen – auch und besonders bei der Polizei. Hinzu kommt, dass Hilfsangebote speziell für Männer sehr selten sind, so dass Hilfe und Rat in Ihrem speziellen Fall schwer zu erhalten ist.

Kam es bereits zu einem Gewaltausbruch von Seiten der Partnerin, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es erneut geschieht. Damit Sie Punkt 1 selbst dann beachten können, wenn Sie von massiver Gewalt bedroht sind, ist es sinnvoll, bereits jetzt ein paar unauffällige Vorsichtsmaßnahmen ergreifen:

  • Nehmen Sie Ihr Handy und überprüfen Sie den Empfang in den verschiedenen Zimmern.
  • Wählen Sie zwei Zimmer aus, die Sie selbst im Angriffsfall leicht erreichen können, in denen der Handyempfang gut ist, die abgeschlossen werden können und in deren Tür sich *keine* Glasscheibe befindet.
  • Tragen Sie die betreffenden Zimmerschlüssel und Ihr Handy stets bei sich.

Wichtig auch: Sie wissen nicht, wie sich die Gewalt und Ihre Beziehung weiter entwickeln. Sie wären nicht der erste Mann, dem die Frau den Laptop zerstört und persönliche Dokumente vernichtet. Oder aber: Ihnen wird nicht geglaubt und anstatt die Gewalttäterin der Wohnung zu verweisen, werden Sie zum Gehen aufgefordert – möglicherweise auch mit dem scheinheiligen Argument, dies geschehe „zu Ihrem Schutz“. Dann kommen Sie eventuell auf längere Zeit nicht mehr an diese Sachen heran und in der Hektik der Situation vergessen Sie mit Sicherheit wesentliche Dinge. Gehen Sie also vom schlimmsten Fall aus, dann kann es nur besser werden:

Stellen Sie für sich eine Liste der wichtigen Dokumente zusammen: Zeugnisse, Arbeitsvertrag und -zeugnisse, Personalausweis, Pass, Bewerbungsunterlagen, Geburts- und Heiratsurkunde, Krankenversicherungkarten (auch für die Kinder), Mietvertrag, Kontoauszüge, Geldkarten usw. Nehmen Sie das Original oder (wenn das nicht möglich ist) eine Kopie der Dokumente (notfalls beglaubigt) und lagern Sie diese an einer sicheren Stelle. Das können Eltern oder auch Freunde sein. Notfalls tut es auch ein Bankschließfach. Bei den Personaldokumenten können Sie eines der beiden auslagern. Gleiches gilt für wichtige Dateien auf Ihrem Computer (die sich auf einem USB-Speicherstick oder einer externen Festplatte sichern lassen) und bestimmte Wertgegenstände, von denen die Gewalttäterin weiß, dass sie Ihnen etwas bedeuten. Vergessen Sie nicht, etwas Barmittel zu sichern, so dass Sie ein paar Tage über die Runden kommen und notfalls auch eine Pension oder ein Hotelzimmer bezahlen können.

4. Wiederholungsfall? Überlegt handeln!

Kommt es nun zu einem erneuten, massiven Angriff Ihrer Partnerin, ziehen Sie sich in eines der Zimmer zurück, schließen ab und lassen den Schlüssel stecken. Begeben Sie sich in einen Bereich des Raumes, in dem Sie telefonieren und die Polizei rufen können, ohne dass die Gewalttäterin es hört. Sollte sie vor der Tür toben, können Sie das durchaus den Notruf mithören lassen, indem Sie das Handy in die Nähe der Tür halten. Die Gespräche werden aufgezeichnet und so zumindest der verbale Teil des Gewaltausbruchs dokumentiert.

Wenn die Polizei erscheint, öffnen Sie die Tür des Zimmers erst, wenn die Beamten in der Wohnung sind. Schildern Sie so ruhig und sachlich wie möglich den Tathergang (wer, was, wann) und bitten um die Anwendung des Gewaltschutzgesetzes. Die Beamten wissen genau, was damit gemeint ist. Es kommt jedoch häufig vor, dass sie versuchen zu schlichten oder Sie „zu Ihrem Schutz“ der Wohnung verweisen wollen, nur um eine Wegweisung der Frau zu vermeiden. Streiten Sie sich *nicht* mit den Beamten. Sie können nur verlieren. Fragen Sie nach den Gründen für deren Entscheidung und lassen Sie sich die Namen oder Dienstnummern der Beamten geben. Erstatten Sie anschließend Anzeige gegen die Gewalttäterin (Körperverletzung oder versuchte Körperverletzung, …) und fragen die Beamten nach einer Unterkunft für die Nacht und speziellen Hilfsangeboten für männliche Betroffene häuslicher Gewalt. Da wird zwar nicht viel kommen, im günstigsten Fall regen Sie die Beamten aber dadurch zum Nachdenken an.

Sie erhalten eine Bestätigung der Anzeige, die Sie ebenfalls an einem sicheren Ort aufbewahren sollten. Benehmen sich die Beamten völlig daneben, bleiben Sie dennoch ruhig: Sie können unter Angabe der Namen und des Vorfalls später immer noch eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Die akute Situation am Tatort ist definitiv der falsche Zeitpunkt für Streitigkeiten mit der Polizei – das wird in der Regel gegen Sie ausgelegt.

Wichtig: Wenn Sie sich sorgen, dass auch Ihre Kinder angegriffen werden, teilen Sie diese Befürchtung den Beamten mit, sofern Sie aufgefordert werden, die Wohnung zu verlassen. Sie werden sich sonst ewig Vorwürfe machen, wenn den Kindern in Ihrer Abwesenheit etwas zustößt!

Falls das Gewaltschutzgesetz korrekt angewendet wird und Sie in der Wohnung bleiben können, erleichtert das die Sache. Falls nicht, suchen Sie Eltern oder Freunde auf, bitten um eine Unterkunft und erzählen so sachlich wie möglich, was vorgefallen ist.

5. Stets aktuell: Beweise sichern, Zeugen suchen, Vorfall dokumentieren, Kinder schützen, Scheidung einreichen!

Es kann viele Gründe geben, trotz erlittener Gewalt wieder nach Hause zurückzukehren. Häufig sind die gemeinsamen Kinder der springende Punkt oder die Hoffnung bzw. die Zusicherung der Partnerin, „dass beim nächsten Mal alles anders wird“. Umso wichtiger ist es, stattgefundene Vorfälle zu dokumentieren. Waren andere Menschen beim Gewaltausbruch zugegen, bitten Sie diese, sich als Zeugen zur Verfügung zu stellen. Wenn sich die Wogen geglättet haben, können Sie ein kurzes Gedächtnisprotokoll erstellen und die Zeugen bitten, es zu bestätigen – eventuell auch zu korrigieren. Sagen Sie Ihnen, dass Sie die Aussage nur benötigen, falls die Gewalttäterin irgendwann einmal die Tatsachen verdrehen will.

Sammeln Sie Briefe, SMS, E-Mails oder machen Sie Beweisfotos (beispielsweise vom zerstörten Laptop), die Ihre Aussagen zur Situation und dem Umfang der häuslichen Gewalt bestätigen. Lagern Sie die Beweise an einem sicheren Ort.

Sinnvoll ist es auch, sich an eine Hilfsorganisation zu wenden. Tun Sie das aber genau wie bei der Polizei nur in Begleitung eines guten Freundes. Damit haben Sie zumindest einen Zeugen, falls es Ihnen so geht wie einem anderen Hilfesuchenden: Als Betroffener häuslicher Gewalt wandte er sich an eine familiäre Beratungsstelle. Von dort wurde er an einen „Experten“ weitergeleitet. Wie er erst hinterher erfuhr: ein Experte in Täterarbeit. Auf dessen Frage, was er denn getan hätte, nachdem er von seiner Frau angegriffen wurde, antwortete er wahrheitsgemäß, dass er sie angeschrien habe. Daraufhin stellte der „Experte“ fest, dass Anschreien auch häusliche Gewalt sei, er sich also auch schuldig gemacht hätte und er sich nun zunächst mit seiner Täterrolle auseinander setzen solle. Man stelle sich den umgekehrten Fall vor: Eine Frau ersucht um Hilfe und bekommt zu hören: „Nun lassen wir zunächst mal die Gewalt Ihres Mannes außen vor und beschäftigen uns mit Ihrer Rolle als Täterin.“. Zu Recht ist so etwas unvorstellbar. Bei männlichen Betroffenen kann es passieren!

Dennoch kann so ein Hilfeersuchen sinnvoll sein. Suchen Sie notfalls (wieder in Begleitung) einen anderen Anlaufpunkt an. Hilfe kann unter Umständen auch die kirchliche Männerarbeit bieten – auch wenn sie keiner Kirche angehören oder Atheist sind.

Falls Sie keine Angebote kennen, lassen Sie sich von der örtlichen Gleichstellungsbeauftragten Hilfsangebote für Männer nennen oder vermitteln. Auch für diese Person dürfte das eine interessante Erfahrung sein.

Ist keine dauerhafte Besserung der häuslichen Gewaltsituation in Sicht, kommen Sie um eine endgültige Klärung nicht herum. Suchen Sie sorgfältig nach einem auch bei Beziehungsgewalt kompetenten Anwalt in Ihrer Nähe. Haben Sie einen gefunden, lassen Sie sich beraten und suchen Sie sich anschließend eine neue Wohnung, möglichst abseits der bisherigen Wohngegend. Ziehen Sie dahin um. Wenn Kinder von der Gewalt betroffen sind, sollten Sie diese mitnehmen, wobei Sie die Schulwege bei der Wahl des neuen Wohnorts berücksichtigen sollten. Reichen Sie danach die Scheidung ein und geben Sie als Grund wahrheitsgemäß Beziehungsgewalt / häusliche Gewalt an.

An dieser Stelle ist eine Dokumentation zuvor erfolgter Verletzungen und Gewaltausbrüche natürlich besonders wichtig. Insbesondere sollte aus den Beweisen hervorgehen, dass es sich nicht um einen einmaligen Gewaltausbruch handelt, über den das Familiengericht eventuell großzügig hinweg sieht, denn dann kann es passieren, dass sie der Gewalttäterin auch noch Unterhalt zahlen müssen. Noch schlimmer: Möglicherweise müssen dann die Kinder wieder zur schlagenden Mutter zurück und sind dort gefährdet.

Schlussbemerkung

Gewalt in Beziehungen ist ein Problem, das sowohl von Männern als auch von Frauen verursacht wird und unter dem beide Geschlechter zu leiden haben. Hauptleidtragende sind neben dem geschlagenen Partner vor allem die Kinder, die in den meisten Fällen beide Eltern lieben. Deren Wohl sollte man besonders im Auge behalten. Das bedeutet aber nicht, dass man sich der Kinder wegen dauerhaft einer latenten Gefahr aussetzt. Schützen Sie sich und Ihre Kinder, trauen Sie sich, sich als Betroffener häuslicher Gewalt zu offenbaren – insbesondere gegenüber medizinischem Personal.

Im aktuellen gesellschaftlichen Klima haben es männliche Betroffene besonders schwer, als Opfer von Paargewalt anerkannt zu werden und noch schwerer analog zu Frauen angemessene Hilfe zu erhalten. Wir können nicht garantieren, dass Sie mit unseren Ratschlägen auf jeden Fall zu Ihrem Recht kommen und die Gewalttäterin zur Rechenschaft gezogen wird. Ihre Chancen, Gerechtigkeit zu erfahren, dürften damit aber deutlich steigen.

MANNdat e.V. wünscht allen Betroffenen häuslicher Gewalt alles Gute und viel Kraft für den schweren Weg, der vor ihnen liegt.

Häusliche Gewalt – Hilfsangebote für Männer

Spezielle Hilfsangebote für Männer, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, sind ausgesprochen selten. Einige haben wir aufgelistet. Falls Sie weitere Hilfsangebote kennen, die sich speziell an männliche Betroffene häuslicher Gewalt wenden und vor Ort Hilfe leisten, wäre es gut, wenn Sie uns das mitteilen würden. Wir ergänzen die Liste dann entsprechend.

Sie können sich aber auch an jede beliebige Organisation wenden, die Hilfsangebote zum Thema häusliche Gewalt anbietet – speziell dann, wenn dieses Hilfsangebot ganz oder teilweise mit Steuergeldern finanziert wird. Falls sich diese Organisation ausschließlich für Frauen zuständig fühlt, lassen Sie sich von ihr Hilfsangebote für Männer mitteilen.

Männer-Wohn-Hilfe e.V. in Oldenburg
Gewaltschutzhaus Ketzin
Männerhaus Berlin betrieben vom Familientherapeut Peter Thiel

Bildquelle: (c) Bernd Boscolo/www.pixelio.de

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