PREFERE-Studie zu Prostatakrebs abgebrochen – Männer selber schuld?

von Dr. Heinrich Grün
Termin zur Prostatauntersuchung

Fotolia © ghazii
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern und die dritthäufigste Todesursache bei Patienten mit Krebsleiden insgesamt. Trotz dieser Zahlen steht es nicht gut um Aufklärung und Früherkennung. Wird die Gefahr unterschätzt?

Welche Behandlung ist die beste bei einem Prostatakrebs mit niedrigem Risiko? Die größte jemals geplante deutsche Studie zu Prostatakrebs wurde jetzt abgebrochen. Deutsche Krebshilfe und private sowie gesetzliche Krankenkassen hatten 25 Millionen Euro zugesagt. Sie stellten die Förderung jedoch Ende 2016 ein. Der Grund: zu wenige Studienteilnehmer. Statt der geplanten 7.600 Probanden haben sich nur etwa 340 Männer zu einer Teilnahme entschlossen. Gesundheitsmuffel Mann?

Die Vertreter der Krankenkassen und die Deutsche Krebshilfe sahen das Versagen bei den Urologen. Diese wiederum verwiesen auf den mündigen Patienten. Schon 2012 hatte ein kanadischer Onkologe in einem Gutachten bezweifelt, dass genügend Männer teilnehmen würden. Die Medien hatten nur Hohn und Spott übrig. „Teurer Flop“ titelte die ZEIT. „Da ist wohl etwas schiefgelaufen“, fand MDR AKTUELL. Den Organisatoren war das alles offenbar so peinlich, dass sie die Seite www.prefere.de schnell aus dem Netz nahmen. Das letzte Speicherabbild stammt vom 24. Dezember 2016. Was ist schiefgelaufen?

Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern

Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern und die dritthäufigste Todesursache bei Patienten mit Krebsleiden insgesamt. 2012 erkrankten rund 63.000 Männer, fast 13.000 starben. An Brustkrebs erkrankten im gleichen Zeitraum etwa 69.000 Frauen, über 17.000 erlagen der Krankheit.

Trotz dieser Zahlen steht es nicht gut um Aufklärung und Früherkennung beim Prostatakrebs. Wird die Gefahr unterschätzt? Im Unterschied zum Brustkrebs gibt es bei der Prostata nämlich Niedrigrisikotumoren. Die Tumorzellen sind nur schwach entartet, wachsen langsam und bilden keine Metastasen. Die Diagnose erfolgt immer über die Biopsie. Die aktive Überwachung kann bei solchen Tumoren ausreichend sein. Langsam wachsende Tumoren können jahrelang beschwerdefrei bleiben. Vielleicht genießt der Prostatakrebs deshalb einen zu guten Ruf.

Es gibt vier Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Nebenwirkungen

Zur Auswahl standen für die Studienteilnehmer folgende Behandlungsmethoden: Operation (radikale Prostatektomie), perkutane Strahlentherapie (Bestrahlung von außen), Brachytherapie (in der Prostata platzierte Strahlenquellen) und aktives Überwachen. Die PREFERE-Studie wollte klären, ob eine der Methoden bei der Behandlung überlegen sei.

Bei Operation und Bestrahlung treten als typische Probleme Impotenz und Inkontinenz auf. Deren Häufigkeit hängt davon ab, wie radikal behandelt wurde. Gerade bei Tumoren, mit denen der Patient viele Jahre beschwerdefrei leben kann, ist die Abwägung von Kosten (Nebenwirkungen) und Nutzen daher besonders wichtig.

Der Goldstandard ist die randomisierte Doppelblindstudie

Der Goldstandard bei medizinischen Studien ist die randomisierte Doppelblindstudie. Patienten werden zufällig (randomisiert) zwei Gruppen zugewiesen. Die eine erhält Wirkstoff, die andere ein Placebo. Weder Ärzte noch Patienten wissen, zu welcher Gruppe der Patient gehört (doppelt blind). Bewusste oder unbewusste Einflüsse können damit ausgeschlossen werden.

Die doppelte Verblindung war bei der PREFERE-Studie natürlich nicht möglich. Die Randomisierung war dagegen besonders wichtig, um keine Selektion etwa nach dem körperlichen Allgemeinzustand zu treffen. Und genau hier lag ein Problem, das von den Organisatoren offenbar unterschätzt wurde.

Die Patienten wollen sich selbst für eine Behandlung entscheiden

Stellen wir uns zwei Patienten vor. Peter ist 63, hat Übergewicht, Bluthochdruck und Altersdiabetes. Er ist seit 30 Jahren verheiratet, Sex findet für ihn nur noch im Fernsehen statt. Klaus ist ein 59jähriger Marathonläufer mit Idealgewicht. Er ist Single und hat häufig wechselnde Affären. Beide haben ein Prostatakarzinom mit niedrigem Risiko. Für welche Therapie werden sie sich entscheiden?

Für Peter wäre Impotenz eine akzeptable Nebenwirkung. Sein schlechter Allgemeinzustand könnte eine geringere Lebenserwartung bedeuten. Die Belastung einer radikalen Behandlung möchte er daher vermeiden. Für Klaus wäre Impotenz eine Katastrophe. Er ist dafür körperlich fit und würde die Belastung der Behandlung gut kompensieren können.

Wie würden die beiden entscheiden? Würden sie akzeptieren, dass ein Computer diese Wahl für sie trifft? Wohl kaum! Und welchen Rat könnte der behandelnde Arzt ihnen geben? Die PREFERE-Studie konnte dieses Problem nicht lösen. Es bleibt zu hoffen, dass die Organisatoren eine andere Verwendung für das Geld finden werden. Genug zu tun gibt es in Sachen Männergesundheit.

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