Die väterfreundliche und die väterfeindliche Seite der FDP
Die FDP ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die entsprechend der EU-Resolution aus 2015 ein Wechselmodell fordert. Aber die Welt der FDP ist ebenso wenig schwarz noch weiß, wie in anderen Parteien. Es gibt in der FDP nicht nur Väterfreundliches, sondern auch Väterfeindliches.
Wechselmodell als EU-Resolution
2015 hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates die Resolution 2079 „Gleichheit und gemeinsame elterliche Verantwortung, die Rolle der Väter“ verabschiedet. Sie fordert darin, dass innerhalb der Familie die Gleichstellung von Eltern gewährleistet und die Rolle der Väter gegenüber ihren Kindern anerkannt und angemessener besser bewertet werden muss. In Ziffer 5 forderte die Versammlung die Mitgliedstaaten deshalb u. a. auf, in ihre Gesetze den Grundsatz der Doppelresidenz (Wechselmodell) nach einer Trennung einzuführen, und Ausnahmen ausschließlich auf Fälle von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung oder häuslicher Gewalt einzuschränken, mit jener Zeitaufteilung, in der das Kind mit jedem Elternteil lebt, die entsprechend den Bedürfnissen und Interessen des Kindes angepasst sind. (Abruf 11.5.2021)
Väterfreundliches
Die FDP ist die einzige im Bundestag vertretene Partei, die ein solches Wechselmodell sechs Jahre nach der EU-Resolution befürwortet. So hat die FDP-Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr in der „Welt“ dargelegt:
Familienpolitik ist aber kein Synonym für Frauenpolitik und darf auch keine Bremse gesellschaftlichen Wandels sein. Wir müssen unsere Kinder endlich in den Fokus nehmen! Sie wollen sich nach Trennung der Eltern nicht entscheiden und sich auf eine Seite schlagen. Sie brauchen für ihre Entwicklung Bindungskontinuität und keine Loyalitätskonflikte. Es ist richtig, dass auch mit dem bestehenden Familienrecht breiter Raum für einvernehmliche Regelungen der Eltern im Sinne ihrer Kinder besteht. Und natürlich gibt es Gerichte, die zum Beispiel die Betreuung eines Kindes durch beide Elternteile zu gleichen Zeitanteilen in wöchentlichem Wechsel streitig ausurteilen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Eltern noch immer bei ihren individuellen Vereinbarungen von dem antiquierten Bild der Nachtrennungsnormalität leiten lassen, auf dem unsere familienrechtlichen Normen basieren. Und zur Wahrheit gehört auch, dass es Eltern in emotionalen Nachtrennungssituationen nicht immer gelingt, im Konsens die beste Lösung für das Kind zu finden. Richtig wäre es deshalb, das Wechselmodell als gesetzliches Leitbild zu implementieren. Kinder brauchen beide Eltern. Sie brauchen keine verordneten Alltagsmamas und Wochenendpapas. Es ist das Beste für Kinder, wenn sie ihr Leben mit beiden Elternteilen teilen.
In diesem Zuge wäre auch eine Abkehr vom Prinzip ‚Einer betreut, einer bezahlt‘ konsequent. Denn wenn beide Eltern die Betreuung regelmäßig zu nahezu gleichen Zeitanteilen übernehmen, ist für eine solche Differenzierung schlicht kein Raum. Als Nebeneffekt mindert auch das Konflikte.
Siehe hierzu auch auf Youtube Katrin Helling-Plahr (FDP) – Familienrechtliches Wechselmodell als Regelfall.
Auf der Homepage der FDP wird aufgeführt (Abruf 11.5.2021):
Trennungen betreffen nicht nur die Eltern, sondern vor allem auch deren Kinder. Können sich Eltern nicht auf ein einvernehmliches Betreuungsmodell einigen, sei das Wechselmodell für die Kinder in der Regel die beste Lösung, meinen die Freien Demokraten. ‚Mutter und Vater sind gleichwertig‘, sagt FDP-Vizechefin Katja Suding. Das Prinzip ‚Einer betreut, einer bezahlt‘ sei längst nicht mehr zeitgemäß. Im Sinne des Kindeswohls sollten deshalb beide Eltern eine stabile Bindung zu ihren Kindern aufbauen können. Das Wechselmodell bietet dafür die besten Voraussetzungen.
Als Wechselmodell wird die Betreuung von Kindern bezeichnet, die nach einer Trennung der Eltern in beiden Haushalten aufgezogen werden. Wird das Kind nach diesem Modell zu nahezu gleichen Zeitanteilen bei beiden Eltern betreut, erzogen und versorgt, spricht man vom paritätischen Wechselmodell. Damit bildet das Wechselmodell die Alternative zum weitverbreiteten Residenzmodell, bei dem ein Kind nach der Trennung nur von einem Elternteil betreut wird. Das Wechselmodell sieht hingegen vor, dass beide Elternteile dem Kind ein Zuhause bieten.
Für das Wohl des Kindes ist stets eine einvernehmliche Regelung zwischen beiden Elternteilen wünschenswert, sagen die Freien Demokraten. Kommt es aber zu keinem Konsens, bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung. Hier will die FDP bei einer Gerichtsentscheidung das Wechselmodell als Regelfall für eine Betreuungsregelung nach einer Trennung festlegen. Die Freien Demokraten sehen hierin den bestmöglichen Weg, dem Kindeswohl gerecht zu werden. Denn: Regelmäßiger und ausgiebiger Umgang mit beiden Eltern stellt nicht nur nach geltendem Recht einen Anspruch des Kindes dar, sondern ist auch zentraler Baustein für die positive kindliche Entwicklung.
Das Wechselmodell ist in mehreren europäischen Staaten bereits die Regel, unter anderem in Italien und Belgien. Auch der Europarat sprach sich 2015 für die Einführung des Wechselmodells als gesetzlichen Regelfall aus. Die FDP fordert deshalb einen Paradigmenwechsel in der deutschen Familienpolitik – weg von tradierten Stereotypen hin zu individuellen Betreuungslösungen für Kinder. Einen entsprechenden Antrag haben die Freien Demokraten bereits in den Deutschen Bundestag eingebracht, der diese Woche im Rechtsausschuss angehört wird.
Siehe hierzu auch auf Youtube Wechselmodell als Regelfall einführen.
Die Liberalen Männer sind eine Bundesvereinigung, die in den 12 Punkten ihres Programms u. a. das Wechselmodell fordert, so wie es die FDP in ihrem Wahlprogramm tut (Abruf 6.4.2021):
Die Diskriminierung „Mama erzieht – Papa zahlt‘ nach einer Trennung muss abgeschafft werden. Kinder brauchen beide Eltern. Wir fordern das Wechselmodell als gesetzlichen Standard.
Väterfeindliches
So weit, so gut. Aber nun betont ausgerechnet der familienpolitische Sprecher der FDP, der Bundestagsabgeordnete Daniel Föst, dass die FDP keine Inhalte mit den sogenannten „Liberalen Männern“ teile. Gleichzeitig präsentiert Föst auf seiner Homepage, dass er für das Wechselmodell stehe („Familienrechtliches Wechselmodell als Leitbild einführen“, Abruf 13.5.21)
Das ist widersprüchlich. Eine Partei, die in ihrem Wahlprogramm die Forderung nach einem Wechselmodell hat, teile angeblich keine Inhalte einer Gruppe ihrer Parteimitglieder, die die Forderung nach einem Wechselmodell in ihrem Programm hat.
Aber Daniel Föst ist nicht allein.
Der Bayrische Landtag hat am 24. März 2021 Fördergelder von 20.000 € an das Forum Soziale Inklusion (FSI) bewilligt. Das FSI fordert die konsequente Gleichbehandlung der Geschlechter:
Zeitgemäße Geschlechterpolitik nimmt die Belange von Frauen und Männern sowie von (getrennten) Müttern und Vätern gleichberechtigt in den Blick.
Das FSI unterstützt partnerschaftliche Ansätze zwischen Eltern und fordert faire Lastenverteilung auch für Trennungsfamilien. Insbesondere fordert das FSI (Abruf 13.5.2021):
Nachtrennungsfamilien bedürfen individueller und dynamischer (veränderbarer) Regelungen. Es ist widersinnig, diesen Familien ein spezielles Betreuungsmodell (Residenzmodell / Wechselmodell) staatlicherseits vorschreiben zu wollen.
Ausgerechnet die FDP-Abgeordnete Julika Sandt, MdL, fordert nun zusammen mit der Sprecherin der Grünen, Eva Lettenbauer, MdL, die Auszahlung der Fördergelder zu verweigern. Und tatsächlich sind sie damit auch erfolgreich. Das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (STMAS) unter Führung von Staatsministerin Carolina Trautner (CSU) verweigert bisher (Stand 5.5.21), wie von Julika Sandt und Eva Lettenbauer gewünscht, die Auszahlung der bewilligten Fördergelder (Abruf 13.5.21).
Der Verein FSI formuliert sein Unverständnis: „Für Teile der Opposition scheint ein moderner Ansatz in der Geschlechterpolitik gewöhnungsbedürftig zu sein“ und mahnt die Öffnung des Diskurses an. (Abruf 11.5.2021)
Die FDP fordert also das Wechselmodell als Regelfall, bekämpft aber einen ehrenamtlich für die Einführung des Wechselmodells engagierten Vereins.
Wie steht die FDP wirklich zum Wechselmodell?
Die aufgezeigten Widersprüche zeigen, dass man in der FDP immer noch nicht einig ist, ob man sich nun den anderen Parteien im Bundestag anpassen und die EU-Resolution aus 2015 einfach ignorieren soll oder ob man tatsächlich die Einbahnstraße für Frauen in der Geschlechterpolitik auch für Männer öffnen und ein modernes Väterverständnis, weg vom reinen Versorgermodell für Väter, gehen will. Einerseits propagiert man das moderne Familienbild mit dem Wechselmodell, andererseits bekämpft sie dieses jedoch.
Will das Wechselmodell als Regelfall einführen: Katja Suding (FDP) (Quelle https://www.youtube.com/watch?v=vReV1PL8pLc, Abruf 13.5.2021)
Auch sie will ein familienrechtliches Wechselmodell als Regelfall: Katrin Helling-Plahr (FDP), (Quelle Screenshot https://www.youtube.com/watch?v=wIeYmUiWEWM, Abruf 13.5.2021)
Er weiß offenbar nicht, was er will. Er möchte das Wechselmodell als Regelfall und bekräftigt gleichzeitig, dass die FDP keine Inhalte mit Vereinen (hier Liberale Männer) teile, die das Wechselmodell als Regelfall fordern: Daniel Föst (FDP). (Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=deqRy5YtnBM, Abruf 13.5.2021)
Sie weiß ganz genau, was sie will, nämlich die Förderung eines Vereins verhindern, der sich ehrenamtlich für das Wechselmodell als Regelfall einsetzt: Julika Sandt (FDP). (Bildquelle https://www.youtube.com/watch?v=Fdj22Wi9Ucw, Abruf 13.5.21)
Wissen Sie jetzt, was die FDP will?
Übrigens:
Gerade heute ist es wichtig für Männer, dass sie die Rechnung genau prüfen. Sie müssen sie nämlich bezahlen.
Wichtigste Quellen:
Text EU-Resolution 2079 zur Gleichstellung von Vätern: https://www.vev.ch/wp-content/uploads/2015/12/Resolution2079_deutsch.pdf, Abruf 11.5.2021
FDP will Wechselmodell zum Regelfall machen: https://www.fdp.de/wechselmodell-zum-regelfall-machen, Abruf 11.5.2021
Die Liberalen Männer: http://www.liberale-maenner.de/, Abruf 6.4.2021
Daniel Föst zu Wechselmodell: https://6706b9a9-dab6-42ad-9daa-befba956a682.filesusr.com/ugd/953abe_d78866faab5b46d4a2a5813c137ca061.pdf, Abruf 13.5.21
FSI-Forderungen: https://fsi-ev.de/forderungen/, Abruf 13.5.2021
Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales verweigert Auszahlung Fördergelder an FSI: (Quelle: https://genderama.blogspot.com/2021/05/arger-uni-bremen-konrektor-verhindert.html, Abruf 13.5.21
Stellungnahme FSI: https://fsi-ev.de/bayrischer-landtag-foerdert-fsi/, Abruf 11.5.2021
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Lesermeinungen
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Was sich ja in der Weigerung der übrige Parteien hinsichtlich der Umsetzung des Wechselmodells hervorragend widerspiegelt: Man prangert einerseits die vermeintlich für Frauen so ungerechten Bedingungen im Berufsleben an – Frauen haben ja so viel mehr Verdienstausfallzeit durch Mutterschutz, sind so viel mehr mit der Suche nach KiTa-Plätzen beschäftigt und überhaupt sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen so viel schwerer etc – ist aber andererseits nicht bereit, die Ursache an der Wurzel zu beheben. Denn was hinsichtlich der kinderbedingten beruflichen Ausfallzeiten von Frauen von Seiten linker Identitätspolitik oft angeprangert wird, stimmt grundsätzlich zweifellos. Und hierdurch bedingt haben es Frauen folglich auch schwerer, ihre beruflichen Karrieren voranzutreiben. Ich selbst arbeite in einer Behörde mit einem hohen Frauenanteil, die aus den üblichen Gründen ihre Frauenförderarbeit beibehält: Dass es in den Führungspostionen noch umgekehrt ist. Und dies dürfte nicht zuletzt auch damit zusammenhängen, dass Frauen auf der Karriereleiter durch Kinder stärker wieder zurückgeworfen werden.
Und woran liegt das? Eben, weil der Staat auf der anderen Seite im Familienrecht an der „Kindererziehung ist in erster Linie Frauenangelegenheit“-Einstellung doch noch festhalten möchte, wobei man völlig verkennt, dass genau dieses Geschlechterrollenbild auch für die angeprangerten Ungleichheiten in der Berufswelt hauptverantwortlich ist. Fortsetzung folgt …
…Und eine Umsetzung der EU-Resolution aus 2015 könnte auch deshalb einen Meilenstein in der Gleichberechtigung hierzulande darstellen, weil auch die symbolische Signalwirkung – sofern richtig kommuniziert – nicht zu vernachlässigen ist: Es wäre nicht weniger als die endgültige Begrabung des „Kindererziehung ist in erster Linie Frauenangelegenheit“-Rollenmodells aus unseren Gesetzen, die richtig kommuniziert im Laufe der Zeit auch zu einem entsprechenden nachhaltigen Umdenken in den Köpfen der Menschen führen würde, wenn es beispielsweise um die Frage geht, ob nicht auch ein Mann – wissend, dass ihm auch bei einer Trennung die Kinder nicht weggenommen werden und er dann auch noch Unhterhalt zahlen muss – seine berufliche Karriere für seien Kinder aufgeben kann, während die Kindesmutter genau eine solche hinlegt.
Auch das mit den beruflichen Ausfallzeiten von Frauen ließe sich übrigens relativ einfach – und trotzdem den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrend – mit einer Gesetzesformulierung beheben wie: „Im Verlaufe des ersten Lebensjahres eines Kindes MUSS jeder Elternteil für jeweils mindestens (beispielsweise) fünf Monate die Elternzeit wahrnehmen.“ Und zum Ausgleich der Ausfallzeit der Mutter vor der Geburt des Kindes wird von mir aus noch hinzugefügt: „Mütter bekommen auf die Mindestelternzeit die schwangerschaftsbedingte Ausfallzeit vor der Geburt des Kindes angerechnet.“
Aber nein, man forciert Ergebnisgleichheit lieber künstlich durch Quotenregelungen etc…
Die FDP bleibt sich treu
Die Freiheitlichen mit ihren Gaben,
nach vielen Seiten hin da zu sein,
lässt fragen, wen wir dann haben,
lässt man sich auf ihre Versprechen ein.
Tut es sich nach einer Wahl laben,
oder sieht man Erwartung hinterdrein?
Frei nach
Endreimen und Inhalt
in neu gefasster Gestalt
zu
Die Freiheit, die ich nicht meine
Die Freiheit, die möcht` ich echt haben,
drum möcht´ ich sie früher befrein
von solchen, die zwar recht haben,
doch ohne berechtigt zu sein.
Denn die, derer die sich erfrecht haben,
ist die Freiheit nicht, die ich mein`!
Karl Kraus
1874 – 1936