Suizidalität bei älteren Männern
Heute, am 3. November, ist Männergesundheitstag. Aus diesem Anlass weisen wir auf einen lesenswerten Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung hin, in dem Professor Michael Klein darlegt, warum Suizidalität bei älteren Männern ein Problem ist (siehe hierzu auch unseren EU-Männerbericht – Teil 5 Selbstmordraten) aber trotzdem oft unbemerkt bleibt und was getan werden kann. Ein Auszug:
Effektive Prävention setzt auf mehreren Ebenen an: Ein offenes Ansprechen von Suizidalität sollte möglich sein, auch und gerade mit anonymen, niedrigschwelligen Diensten wie der Telefonseelsorge, die 24/7 erreichbar ist. Zusätzlich sollten mehr männerspezifische Hilfeangebote (z. B. digitale Formate, Gruppenangebote) entwickelt werden, die schon weit im Vorfeld mit Aufklärung, Beratung und Unterstützung präsent sind.
Diese männergerechten Angebote sollten niedrigschwellig, handlungsorientiert und immer respektvoll auf Augenhöhe arbeiten. Besonders im hausärztlichen Kontakt sollte bei älteren Männern die Frage nach Depressivität und Suizidalität Routine werden. Dann können passgenaue Hilfen folgen. Das proaktive Ansprechen von Suizidgedanken – ruhig, respektvoll und direkt – kann für Betroffene erlösend wirken.
Bei Jungen und Männern sollte ganz allgemein die Selbstakzeptanz im Hinblick auf problematische Emotionen und Selbstwertkrisen gestärkt werden. Sie brauchen die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit Sinn- und Existenzkrisen. Die Entwicklung von Programmen zur emotionalen Bildung und Selbstreflexion schon im Jugendalter ist ein wichtiger Baustein, speziell für heranwachsende Männer.
Die hohe Suizidalität bei Männern ist kein individuelles Versagen, sondern ein gesellschaftliches Problem. Es braucht eine Kultur, die männliche Verletzlichkeit anerkennt und geschützte Gesprächsräume öffnet – in der Familie, in der Gemeinde, in der Medizin. Suizid ist fast nie Ausdruck eines «freien Willens», sondern Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus Krisen, Sprachlosigkeit und fehlender Hilfe.
Forschungen des britischen Centre for Male Psychology zeigen: Männer profitieren besonders von Interventionsformen, die auf Handlung, Sinn und Autonomie fokussieren – sie bevorzugen einen lösungsorientierten Zugang zu seelischen Problemen. Gesprächsformate, die diese Haltung aufnehmen – etwa durch Coaching-Ansätze oder zielgerichtete Kurzzeitinterventionen –, können effektiver sein als klassisch emotionsfokussierte Methoden.
Ein weiterer zentraler Befund der männerpsychologischen Forschung: Männer öffnen sich emotional häufiger in Kontexten, in denen sie sich als gleichwertig, respektiert und handlungsfähig erleben können. Gruppenangebote, handlungsorientierte Therapieformen (z. B. Sport, Naturpädagogik, kreative Medien) und männliche Vorbilder in der Beratungsarbeit können hier Brücken bauen.
Suizidalität bei Männern ist nicht allein ein medizinisches Thema – sie ist eine Frage männlicher Lebensführung, emotionaler Sozialisation und kultureller Anerkennung. Je mehr Männer erleben, dass ihre Krisen gehört, verstanden und angenommen werden, desto grösser wird die Chance, dass sie andere Wege gehen als den gefährlichen des Verstummens und völligen inneren Rückzugs.
Quelle Beitragsbild: AdobeStock_1079478951
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende.