Jungstag in Mecklenburg-Vorpommern nur eine Mogelpackung der Politik?

von Dr. Bruno Köhler

Offener Brief vom 08.10.2011 an die Parlamentarische Staatssekretärin für Frauen und Gleichstellung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Frau Dr. Seemann, Schloßstraße 2-4, 19053 Schwerin, zum Jungstag am 05.10.2011 in Mecklenburg-Vorpommern. Der Jungstag ist das Gegenstück zum Girls-Day, da Mecklenburg-Vorpommern Jungen am Zukunftstag im April nach wie vor nicht teilhaben lassen möchte.

Kritik an der Durchführung Ihres Jungstags

Sehr geehrte Frau Dr. Seemann,

wir kritisieren die fortwährende Jungen benachteiligende Bildungs-, Jugend- und Geschlechterpolitik Ihres Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Ihre Entscheidung, Jungen nicht am Zukunftstag im April teilhaben zu lassen, sondern einen eigenen Jungstag einzuführen, trägt maßgeblich dazu bei, dass Jungen nach wie vor benachteiligt werden. Lediglich 2% der Jungen im betreffenden Alter konnten Sie mit Ihrem Jungstag-Projekt erreichen.

Uns ist bewusst, dass die häufig vernommene Klage der Wirtschaft bezüglich eines Fachkräftemangels mit großem Vorbehalt zu genießen ist. Kein Land der Welt würde das Bildungs- und damit das Fachkräftepotential von Jungen dermaßen bereitwillig brach liegen lassen, wie es Deutschland seit Jahrzehnten tut, wenn es wirklich einen Fachkräftemangel gäbe. Trotzdem gibt es kein Bundesland, das Jungenförderung nötiger hätte als Mecklenburg-Vorpommern, denn Ihr Land hat mit 15% die größte männliche Schulabbrecherquote der ganzen Bundesrepublik. D.h. mehr als jeder zehnte Junge verlässt in Ihrem Land die Schule ohne Abschluss. Die männliche Jugendarbeitslosigkeit ist um etwa 70% höher als die weibliche (Stand März 2010). Diese Zahlen sind Ihnen ohne Zweifel bekannt. Wir können nicht erkennen, dass sich Ihr Land dieser Problematik ernsthaft stellen würde.

Am ersten Jungstag standen für die Jungen in Mecklenburg-Vorpommern im Alter zwischen 10 und 15 Jahren gerade einmal etwa 1100 Plätze (Stand 04.10.2011) zur Verfügung und damit noch nicht einmal für 4% der betreffenden Jungs. Jungstag-Plätze sind oftmals im erzieherischen, sozialen, pädagogischen, medizinischen und verwaltungstechnischen Bereich anzusiedeln. In diesen Bereichen sind sehr viele kommunale Arbeitgeber zu finden. Aufgrund der gut funktionierenden gleichstellungspolitischen Netzwerke wäre es deshalb ein Leichtes gewesen, über die Landesgleichstellungspolitik auf die kommunalen Gleichstellungseinrichtungen einzuwirken und wesentlich mehr Jungstag-Plätze in den Kommunen zur Verfügung zu stellen, wenn ein ernsthafter politischer Wille zur Jungenförderung existieren würde.

Zudem wurden fast die Hälfte (47,4%) der Plätze nicht genutzt. Das heißt, dass Ihr Jungstag-Projekt insgesamt 98% der Jungen zwischen 10 und 15 Jahren nicht erreicht hat. Auch dafür trägt die Landesregierung die Verantwortung. Nicht nur, dass man Jungen jahrelang aus dem Zukunftstag ausgegrenzt und ihnen somit eingebläut hat, geschlechteruntypische Berufswahl wäre nichts für Jungs. Vielmehr haben gerade einmal 10% der Schulen am Jungstag teilgenommen. 90% der betreffenden Jungen hatten also gar nicht die Chance teilzunehmen. Dabei war es der Landesregierung durchaus klar, dass Schulen wenig Interesse haben, zweimal im Jahr – Girls-Day und Jungstag – durch einen geschlechterspezifischen Berufswahltag den Unterricht zu unterbrechen.

Kurz gesagt: Eine Landesregierung, die einen Jungstag bewusst scheitern lassen wollte, würde ihn so durchführen, wie Sie ihn durchgeführt haben.

Zusammen mit der von Ihrer Regierung verlautbarten fragwürdigen Absicht, freie ministerielle Abteilungsleiterstellen ausschließlich an weibliche Anwärter zu vergeben, hinterlässt dies bei uns den Eindruck, die Bildungsprobleme von Jungen würden von der Landesregierung offenbar weniger als Problem, sondern mehr als positive Rückmeldung einer Einbahnstraßengleichstellungspolitik gesehen, die sich auch heute noch ausschließlich auf die Frauenfrage beschränkt. Es liegt auf der Hand, dass jeder Junge, der im Bildungssystem scheitert und jeder männliche Jugendliche, der arbeitslos auf der Straße landet, ein Gewinn für die Frauenquote ist.

Mit freundlichen Grüßen

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