Reise durch Genderland – Eine Rezension von Dr. Bruno Köhler

von Manndat

Buchcover „Die stille Gegenrevolution"Klaus F. Rittstieg
Die stille Gegenrevolution
Verlag Braumüller; 2017, 216 S., 22,- EUR, ISBN 978-3991002031

Es begann mit einer Abschiedsfeier

Alles begann mit der Abschiedsfeier eines Freundes in einem kleinen Restaurant in Wien an einem Samstag im März 2004. Was als fröhliche Feier begann, endete mit einem Tribunal und der Verurteilung des Autors als „SklavInnenhalter“. Es war das Schlüsselerlebnis, das Klaus Rittstieg bewog, sich mit der Genderthematik zu beschäftigen. Und wie es sich für einen Naturwissenschaftler gehört, beschäftigte er sich sehr intensiv und gründlich mit dem Thema. So dauerte es gut 13 Jahre, bis er mit dem Buch „Die stille Gegenrevolution“ das Ergebnis seiner Reise durch Genderland der Öffentlichkeit vorstellt.

Der Autor steigt ein mit dem Hinterfragen moderner geschlechterpolitischer Mythen anhand evolutionsbiologischer Fakten und Erkenntnissen aus der Gehirnforschung. Diesem Themenbereich widmet er fast die Hälfte seines Buches. Hier werden u. a. Themen wie der Gender Pay Gap, „Gläserne Decken“, der Mythos der Selbstverwirklichung oder der „neue Mann“ hinterfragt. Mit einfachen Beispielen zeigt er Auswüchse der Fehlentwicklung der aktuellen Geschlechterpolitik auf, wie z. B. den Stellenwert der Fremdbetreuung und der Eigenbetreuung:

Absurditäten

„Würde Frau Meier-Huber ihre sechs Kinder zu einer Tagesmutter schicken und im Gegenzug deren Kinder als Tagesmutter betreuen, könnte sie staatliche Zuschüsse bekommen, sich einen Pensionsanspruch erarbeiten und sich den Wonnen der beruflichen Selbstverwirklichung hingeben. Und die Frauenministerin würde über eine weitere weibliche Unternehmensgründerin jubilieren. Unser Verhältnis zu Kinderbetreuung ist offenkundig absurd: Die Kinder von anderen betreuen – super! Die eigenen Kinder betreuen – rückständig und minderwertig!“ (S. 109)

Der Autor geht im Weiteren auf die alltägliche Sexismusdebatte ein, beschreibt, wie Diskriminierungen konstruiert werden und beleuchtet die Doppelmoral der Geschlechterpolitik: „Wie nennt man es, wenn ein Frau nicht befördert wird? Gläserne Decke. Wie nennt man es, wenn ihr männlicher Kollege nicht befördert wird? Der ist einfach nicht gut genug.“ (S. 136)

Gender und die 68er

Dabei führt er uns auch anhand von interessanten Beispielen in die Welt der Genderwissenschaft ein. Die Auswüchse des Feminismus, so Rittstieg, schaden am Ende den Frauen selbst: „Das Schicksal der feministischen Bewegung weist viele Parallelen zum berühmten ‚Marsch durch die Institutionen‘ der studentischen 68er-Bewegung auf. […] am Ende haben die Revoluzzer, die den Marsch wirklich geschafft haben, wie Daniel Cohn-Bendit oder Joschka Fischer, pragmatisch reagiert und nicht den sozialistischen Arbeiterstaat realisiert. Sie haben nicht das System verändert, sondern das System hat sie verändert.“ (S. 190)

Warum sich Männer mit Feminismus wenig anfreunden können, erklärt er ganz einfach mit Verweis auf Ebelings „Gleichstellungsfalle“: „Die Umbenennung der Frauenforschung in Genderforschung und der Frauenbeauftragten in Gleichstellungsbeauftragte interessiert niemanden, solange Gleichstellungsbeauftragte ihren Job verlieren, wenn sie auch für die Rechte von Männern einstehen.“ (S. 206)

Ein Naturwissenschaftler im Genderland

Dr. Klaus F. Rittstieg, 1971 in Hamburg geboren, studierte Chemie und Umweltbiotechnologie in Graz, ist international tätig im Innovations- und Produktmanagement mit Schwerpunkten Umwelttechnik und chemischer Messtechnik.

Der Titel „Die stille Gegenrevolution“ ist absolut zutreffend, belegt das Buch doch die Tatsache, dass sich immer mehr Menschen von der Basis her mit der Genderideologie befassen und diese kritisch und unvoreingenommen hinterfragen. Es ist sehr interessant, mit dem Autor seine Auseinandersetzung mit der Geschlechterpolitik quasi mitzuerleben. Allein schon die Tatsache, dass sich hier ein Mann jenseits ausgetretener genderpolitischer Pfade schlüssig argumentativ eigene Gedanken zum Thema Gender Mainstreaming macht, gibt neue und interessante Einblicke und Sichtweisen zur Gender-Thematik. Bemerkenswert ist zudem, wie ein Naturwissenschaftler mit analytisch klarem Blick die soziologische Narrative als Moralsystem entlarvt.

Das Buch arbeitet sukzessive eine Vielzahl von geschlechterpolitischen Fragestellungen argumentativ ab, zu denen uns der Autor Erfahrungswerte und Meinungen darlegt. Die Erkenntnisse des Autors mag man in manchen Punkten eher, in anderen weniger teilen, so z. B., wenn er Feminismus und Frauenbewegung zumindest zu Beginn des Buches in einen Topf wirft. Aber es bleibt schließlich dem Leser überlassen, inwieweit er eigene Schlüsse zieht. Und ist es nicht gerade das, was Lesen ausmacht?

Da der Autor seine Erkenntnisse aus seiner Erforschung der Geschlechterpolitik wiedergibt, werden nicht alle Themen ausgiebig behandelt, sondern vielmehr so und in dem Umfang, wie sie sich dem Autor aus seiner realen Lebenspraxis konkret eröffnen. Deshalb ist z. B. die Diskriminierung von geschiedenen Vätern im Sorgerecht ebenso wenig erwähnt wie die Diskriminierung von Jungen im Bildungssystem.

Auch wenn das Buch mit einer stolzen Zahl von 85 Quellenverweisen aufwarten kann, wäre es gut gewesen, die eine oder andere interessante, aber nicht belegte Aussage noch mit einer Quelle zu versehen.

Felix Austria

Der Autor ist Österreicher und so bekommen wir einen guten Einblick in die Situation in Österreich, wobei Rittstieg auch immer wieder auf die Situation in Deutschland eingeht. Manches ist in beiden Ländern sehr ähnlich. Nebenbei bekommt man dadurch vom Fußballfan Rittstieg auch interessante Off-Topic-Infos über Österreich, z. B. dass „Scheipi“ ein Schimpfwort der Österreicher für Deutsche ist, die Abkürzung für „Scheiß Piefke“. Die deutschen Leser werden dies aber ihren österreichischen Nachbarn zweifellos nachsehen, müssen sie sich doch seit Jahrzehnten damit begnügen, ihre höchsten fußballerischen Erfolge daran zu messen, wie viele Österreicher in einer deutschen Bundesligamannschaft spielen dürfen.

Wenn der Autor am Ende des Buches zu dem Schluss kommt, dass „die Übertreibungen und Fehlentwicklungen unter der Überschrift des Gender Mainstreaming […] immer selbstverständlicher und immer gründlicher ignoriert“ (S.210) werden, so mag man in Anlehnung des alten Felix Austria unseren Nachbarn wünschen: Geschlechterkriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, ignoriere Gender.

Fazit

Man kann das Buch auf jeden Fall empfehlen. Es ist gerade auch für Einsteiger in das Thema geeignet, da es den Leser mitnimmt auf eine Erkundungs- und Entdeckungsreise durch viele Aspekte der heutigen Geschlechterpolitik. Immer mehr Männer fangen an, sich ihre eigenen Gedanken zu machen über Geschlechterpolitik und die Rolle, die ihnen zugewiesen, die sie selbst aber nicht spielen wollen. Und das ist gut so!

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