Frauen im Abseits

von Manndat

Haben Sie es mitbekommen? Neulich soll in Deutschland eine Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen stattgefunden haben. Dass Sie davon nun wirklich gar nichts gehört haben, verwundert nicht weiter. Es ist nunmal eines der Merkmale patriarchalischer Gesellschaften, dass sie Frauen und ihre Leistungen permanent ignorieren, missachten und verschweigen. Live-Übertragungen der Spiele im Fernsehen? Sonderseiten in den Zeitungen? Deutschland-Fähnchen im Supermarkt, neben Grillwurst und Fassbier? Undenkbar. Doch nicht wegen Frauenfußball!

Eigentlich logisch, dass sich die durchgängige Diskriminierung der Frauen in unserer Gesellschaft im Fußball nahtlos fortsetzt. Woran lässt sich das besser als festmachen als – natürlich! – am Gehalt. Herzlichen Dank an die Mitgliederzeitschrift der IG Metall, die uns in ihrer Juli-Ausgabe endlich die Augen öffnete und uns in einem Musterbeispiel investigativen Journalismus über das traurige Los deutscher Fußballspielerinnen aufklärte: „Die Lohnlücke in Deutschland beträgt immer noch 23 Prozent. Studien ergeben, dass etwa ein Drittel dieser Lücke dadurch entsteht, dass Frauen benachteiligt werden. Sie verdienen also weniger, obwohl sie bei gleicher Ausbildung die gleiche Arbeit machen. Davon können die Spielerinnen der deutschen Frauen-Nationalmannschaft ein Lied singen: Sie verdienen unterirdisch viel weniger als Müller, Schweinsteiger und Co. Ganz zu schweigen von den mickrigen Aussichten, mal als Werbeträger gebucht zu werden.“

Dank knallharter Recherche der Metaller wissen wir nun, dass im Frauenfußball ein Jahresgehalt von gerade mal „bis zu 100.000 Euro“ drin sei. Bei Männern dagegen können es auch schonmal 9 Millionen sein, also 90-mal soviel. Das sind in Prozent: 99! Was sind da schon die mickrigen 23 Prozent (oder gar nur 8 Prozent oder noch weniger), um die die deutsche Durchschnittsfrau angeblich statistisch um die Früchte ihrer harten Arbeit betrogen wird.

Nicht nur wir wenden erschüttert unser Haupt ab angesichts solch unfassbarer Zustände. Sicherlich wird das schwere Schicksal unserer Balltreterinnen auch viele Metallarbeiter zu Tränen gerührt haben. Wie wir wissen, sind die Herren der Schöpfung in diesem Bereich noch viel mächtiger und privilegierter als ohnehin schon. In gemütlichen Fabrikhallen dürfen sie den ganzen Tag lang und manchmal sogar nachts ihren Traumjobs nachgehen, die vielen Frauen leider verwehrt bleiben: schicke Löcher in Bleche stanzen, Motoren und Getriebe zusammenbauen oder formschöne Stahlplatten aneinanderschweißen. Das alles für ein Mördergeld, von dem die durchschnittliche Nationalspielerin nicht einmal träumen kann. Sicherlich geht in den Werkshallen der metallverarbeitenden Industrie schon der Hut herum und die Kollegen Metallarbeiter sammeln fleißig Geld, damit Fatmire Bajramaj und Co. nicht mehr länger am Hungertuche nagen müssen.

Genug des Sarkasmus. Es fällt schon beim ersten Durchlesen des IG-Metall-Artikels auf, dass der Verfasser sich eine Frage überhaupt nicht stellt: Woher soll eigentlich das Geld kommen, um die Fußballerinnen „gerecht“ zu entlohnen? Dass dieser entscheidende Punkt nicht angeschnitten wird, erstaunt allerdings niemanden so wirklich, dem des öfteren feministische Pamphlete in die Finger kommen. Der Fakt, dass nur das verteilt werden kann, was man zuvor erarbeitet hat, wird schlich ignoriert. Und die Frage, wer denn eigentlich die Zeche zahlt für den endlosen weiblichen Selbstfindungstrip der letzten Jahrzehnte, ist noch kaum jemals von einer Feministin oder einem ihr ergebenen Männlein aufgeworfen worden.

Warum auch? Im Märchen vom Schlaraffenland heißt es zum Thema Geld schließlich wortwörtlich: „Das Geld kann man von den Bäumen wie gute Kastanien schütteln. Jeder mag sich das beste herunterschütteln, das mindere lässt er liegen.“ Nirgendwo steht geschrieben, dass jemand die gebratenen Tauben, die ihm in den Mund fliegen, auch noch bezahlen muss. Warum sollte das im feministischen Schlaraffenland grundlegend anders sein? Irgendeinen Mann, der die Rechnung begleicht, wird man am Ende schon finden.

Der Stadionbesucher wird es eher nicht sein. Zu den Frauen-Fußballbundesligaspielen strömen im Schnitt kaum mehr als 800 Besucher pro Spiel, und die Eintrittspreise sind weitaus maßvoller als bei der männlichen Konkurrenz. In Duisburg kommt man z.B. für 9 Euro ins Stadion des dortigen Frauen-Bundesligisten. Viel teurer dürften die Eintrittskarten wohl kaum werden, sonst ginge überhaupt niemand mehr ins Stadion. Die Einnahmequellen „Fernsehrechte“ und „Merchandising“ sind ebenfalls, um es mal dezent auszudrücken, noch ausbaufähig. Die Vereine in der höchsten Spielklasse im Frauenfußball haben nun einmal genau die gleichen Probleme, wie sie die Männer-Oberligisten auch haben, die sportlich in etwa auf dem gleichen sportlichen Niveau anzusiedeln sind wie die allerbesten Frauenmannschaften: Für große Sprünge und vor allem für astronomische Gehälter fehlt schlichtweg das Geld.

Es spricht für die durchaus noch vorhandenen Reste an ökonomischem Verständnis und Realitätssinn bei der schreibenden Zunft, dass die Dilettanten von der IG-Metall so ziemlich die Einzigen waren, die sich mit ihrem Benachteiligungs-Geschreibsel nach Lust und Laune blamierten. Lediglich der Spiegel lieferte pflichtschuldig bis lustlos einen oberflächlichen „Gehältervergleich im Fußball“ ab, der mit der populistischen Feststellung anhub, von „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ könne im Fußball keine Rede sein (Was denn nun? Löhne oder Gehälter?). Um am Ende des Artikels dann noch auf einige nicht unwichtige Einschränkungen hinzuweisen: „Männer-Fußball ist in Deutschland etablierter, hat viel mehr Zuschauer, Werbeeinnahmen fallen üppiger aus, TV-Rechte werden zu höheren Preisen gehandelt. Entsprechend werden dort auch viel höhere Einkommen gezahlt. Und: Aufgrund ihrer Popularität können Schweinsteiger und Co. auch attraktivere Werbeverträge abschließen.“ Mit anderen Worten: dieser „Gehältervergleich“ war ungefähr so sinnvoll wie ein Vergleich der Durchschnittstemperaturen in den Monaten Januar und Juli, versehen mit dem Hinweis, dass es im Januar häufiger zu Frost kommt. Aber schön, dass wir mal drüber geredet haben.

Da man offenbar dennoch entschlossen war, aus der Frauenfußball-WM so etwas wie ein großes Festival der Gleichstellung zu machen, einen einzigen, nicht enden wollenden Frauentag sozusagen, blieb einem so gut wie nichts von dem erspart, was auch sonst zu den festen Bestandteilen solcher Festivitäten gehört. Zum Beispiel die übliche peinliche Selbst-Lobhudelei. Frauenfußball sei ja soviel besser und schöner als Männerfußball, hieß es allenthalben: weniger Krafthuberei, Athletik, Rennerei, Kampfszenen und Blutgrätschen, dafür mehr spielerische Anmut und schönes Kombinationsspiel. Es gab allerdings auch Leute, die genau all das vermissten, was Fußball sonst so ausmacht, die von „Blümchenfußball“ und „Graupenkick“ redeten, und was da noch so an Majestätinnenbeleidigung in Umlauf war.

Weil die Weltmeisterin eigentlich schon vor der Eröffnungsfeier feststand und kaum jemand an der erfolgreichen Titelverteidigung unserer Nationalfrauschaft zweifelte, steigerte sich die weibliche Hybris vor dem Turnier zu frechen Sprüchen wie „Dritte Plätze sind was für Männer!“, die einem von vielen Plakatwänden entgegenschallten. Vielleicht hätte man als Fußnote noch den Hinweis einfügen sollen, dass selbst unsere Damen erst dann Weltmeisterinnen sind, wenn sie das Endspiel gewonnen haben (was wiederum voraussetzt, dass sie überhaupt so weit kommen; was ja, wie wir wissen, nicht so ganz geklappt hat). Hätte zwar auch nichts genützt und den Urhebern dieses Spruchs später auch kein bisschen Häme erspart, aber vielleicht den einen oder die andere schon vor dem Viertelfinale daran erinnert, dass es jenseits feuchter Träume auch noch so etwas wie eine Realität gibt.

Jedenfalls ist der an allen Ecken und Enden hinkende Vergleich zwischen (dem erhofften) Platz 1 bei einer Frauen-WM und (dem tatsächlichen) Platz 3 bei einem Männerturnier ein besonders schönes Beispiel für den „Frauen sind immer und überall besser“-Wahn, der bekanntlich nicht nur beim Fußball um sich greift. Aber damit ist das Thema „weibliche Minderwertigkeitskomplexe und ihre zwanghafte Überkompensation“ längst nicht abgefrühstückt. Ohne die Zutaten „Überempfindlichkeit“ und ihre Zwillingsschwester „Humorlosigkeit“ geht rein gar nichts.

Frauenfußball zu kritisieren ist allenfalls dann erlaubt, wenn man selber eine Frau ist. Wird diese Kritik von Männern geäußert, gilt selbst ein gut gemeinter Hinweis auf einen unvollkommenen Spielzug als Ausweis patriarchalisch-chauvinistisch-reaktionärer Gesinnung. Wer sich gar offenherzig dahin gehend äußert, dass er Frauenfußball doof finde, will Frauen todsicher wieder an den Herd zurück zwingen. Mindestens.

Die Überempfindsamkeit, die hier durchscheint, lässt ahnen, dass Frauenfußball mehr ist als eine bloße Sportart. Nein, sie ist mittlerweile das Sinnbild gelungener Emanzipation schlechthin. Wer Frauenfußball gut findet (und derzeit muss man ihn einfach gut finden), bringt damit seine Anerkennung des heroischen, offenbar enorm blutigen und verlustreichen Kampfes zum Ausdruck, den die kickenden Damen vor gut 40 Jahren gegen die verbohrte Altherren-Funktionärsriege des DFB führten und an dessen Ende dann die glorreiche Aufhebung des Frauenfußballverbots stand. Der „Kampf“ ums Wahlrecht für die Frauen Anno Tobak muss im Vergleich dazu ein Kindergeburtstag gewesen sein.

Jedenfalls bemühten sich die Herren Reporter und Kommentatoren, die von den Medien als Berichterstatter von der Frauen-Fußball-WM auserkoren worden waren, dermaßen auffallend darum, jeglichen Anflug von Kritik am Gekicke der Damen zu vermeiden und noch das fadeste Spiel als fußballerische Offenbarung zu verkaufen, dass es selbst manchem Journalisten in den ansonsten gewohnt stromlinienförmigen Medien auffiel. Was Carsten Heidböhmer vom „stern“ in seiner TV-Bilanz schreibt, ist so zutreffend, dass dem kaum noch etwas hinzuzufügen ist: „Wohlmeinend, gönnerhaft, unkritisch: Das ZDF berichtet über Frauenfußball, als spielten Gehandicapte, deren Leistungen man nicht kritisieren dürfe. Das hat mit Gleichbehandlung nichts zu tun.“

Die Bemühungen, den Frauenfußball aus Angst vor dem Vorwurf der „Frauenfeindlichkeit“ zwanghaft schönzureden, sind zweifellos das mit Abstand wirksamste Mittel, um zu verhindern, dass der Frauenfußball dereinst eine ganz normale Sportart wie jede andere auch sein wird. Schön, dass das nicht nur Herrn Heidböhmer aufgefallen ist. Während des WM-Turniers gab es noch so manche mutige Äußerung, die in die gleiche Richtung ging. Lässt sich daraus ein erstes vorsichtiges Abrücken vom starren „Frauenfußball ist einfach nur super“-Dogma ablesen? Wir können es nur hoffen.

Vielleicht ist ja schon dieses auffällige Über-den-grünen-Klee-loben der fußballerischen Darbietungen der Frauen durch die Fernseh- und Rundfunkreporter selber ein heimlicher Akt des Widerstands. Die Absurdität strafbewehrter Tabus sowie eherner Denk- und Redeverbote lässt sich bekanntlich dadurch am besten vorführen, dass man sie zu 150 Prozent übererfüllt. Was in diesem Fall zweifellos gelungen ist. Und besonders perfide, denn die feministischen Revolutionsgarden konnten noch nicht einmal dagegen vorgehen … vermutlich auch deshalb, weil sie es gar nicht gemerkt haben.

Ansonsten hat die Frauenfußball-WM gezeigt, dass es nichts gibt, das weibliche Überlegenheitsphantasien nachhaltiger zum Platzen bringt als das ruhmlose, völlig unspektakuläre Scheitern an der Realität. Aus unnahbaren Fußball-Göttinnen, von deren schierer Unfehlbarkeit wir förmlich geblendet wurden, sind schlichtweg durchschnittliche Rumpelfüßlerinnen geworden, die es ganz einfach versemmelt haben und die uns deswegen, auf menschliches Normalmaß geschrumpft, sogar inzwischen richtig sympathisch geworden sind.

Damit sind sie beileibe nicht die einzigen. Bis zum Amtsantritt von Angela Merkel waren sich so ziemlich alle Schreiberlinge und Kommentatoren darin einig, dass Frauen die besseren Politiker seien: zielstrebig, aber auch ums Detail bemüht. Entscheidungsstark, aber auch diskussionsbereit. Sachorientiert, aber auch gefühlsbetont. Der alte feministische Kalauer schien kurz davor, Realität zu werden: Die Welt wird ein besserer Ort, wenn Frauen das Sagen haben.

Dann jedoch wurde Angela Merkel unser aller Kanzlerin. Sechs Jahre entscheidungsschwaches Durchgewurschtel ohne klare Linie und ohne erkennbares Konzept haben dazu geführt, dass es um die „Frauen-sind-die-besseren-Politiker“-Fraktion seitdem merklich still geworden ist. Sage da noch einer, Merkels Kanzlerschaft hätte keinerlei positiven Effekte!

Beim Fußball bahnt sich nun eine ähnliche Entwicklung an. Die Entzauberung unserer Nationalfrauschaft zu einem recht frühen Zeitpunkt im Turnier dürfte dem Frauenfußball-Hype einen ordentlichen Dämpfer verpasst haben, was seiner Entzauberung, das heißt Normalisierung nur gut tun kann. Die „Neid-Debatte“ um unsere Bundestrainerin nach dem frühen Ausscheiden nahm ja schon fast merkelsche Ausmaße an.

Das lässt hoffen, dass wir die nächste Frauenfußball-Weltmeisterschaft im Jahre 2015 ganz einfach genießen können, ohne sie zwanghaft als neuerlichen Beleg für die glorreiche Emanzipation der Frau bejubeln zu müssen. Und vielleicht sind wir bis dahin sogar so weit, dass Leute den Frauenfußball ganz einfach nur doof finden können, ohne sich dafür entschuldigen zu müssen und ohne dass man ihnen unterstellt, sich auf das Niveau von Altherrensprüchen der 60er-Jahre zu begeben.

http://www.stern.de/sport/fussball-wm/frauenfussball-wm/teams/frauenfussball-wm-im-zdf-wie-schultheater-mit-ball-und-bruesten-1704830.html

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