Saure-Gurken-Zeit für Feministinnen

von Manndat

Die Verleihung der „Sauren Gurke“ anlässlich des Herbsttreffens der Frauen in den Medien ist jedes Jahr einer der absoluten Comedy-Höhepunkte. Es macht immer viel Spaß, mitzuraten, welche Sendung wohl diesmal von der Jury als „frauenfeindlich“ gebrandmarkt wird – wohlgemerkt in einem extrem weichgespülten Medium, in dem keiner mehr so wagemutig ist, offen und direkt Frauenkritisches – Frauenfeindliches schon gar nicht – über den Äther zu schicken. Es sei denn, er geht nächste Woche in Rente. Das macht es für das Saure-Gurken-Team jedes Jahr schwerer, einen „würdigen“ Preisträger zu finden.

Die Verrenkungen gestalten sich folglich Jahr für Jahr immer absurder. Dieses Jahr dürfte ein einsamer Höhepunkt erreicht worden sein: Die Saure Gurke 2009 geht an eine „Tatort“-Folge, in der einer Karrierefrau übel mitgespielt wird: ihre Geliebte wird ermordet. Es geht um den Tatort „Architektur eines Todes“, produziert vom Hessischen Rundfunk, ausgestrahlt am 6. September 2009 in der ARD. Als Begründung, warum der Karnevalsverein, der sich als „Medienfrauen von ARD, ZDF und ORF“ tarnt, diese Sendung ausgezeichnet haben, lesen wir:

„Das wollen wir sehen – Sofias Welt: eine international erfolgreiche Frau, die ganz in ihrer Arbeit aufgeht, bestens vernetzt mit anderen erfolgreichen Frauen, mit einer schönen Geliebten und einem Rücken freihaltenden Ehemann samt wohlgeratener Kinder. Bevor uns nun aber der Neid packt und alle hoch hinaus wollen, erkennen wir: Sofia eignet sich nicht als Rollenmodell. Nach 90 Minuten ist die Geliebte tot, der Mann ein Mörder, die Kinder verstört. Wieder einmal konfrontiert uns der ‚Tatort‟ spannend, unterhaltend und aktuell mit gesellschaftlicher Realität!“ (http://www.saure-gurke.info/Gurke.html)

Da hatte sich die Drehbuchautorin(!) Judith Angerbauer zusammen mit der Redakteurin(!) Inge Fleckenstein, sicherlich schauspielerisch hochwertig umgesetzt durch die Hauptdarstellerinnen(!) Andrea Sawatzki und Nina Petri, doch so viel Mühe gegeben: Erfolgreiche Karrierefrau, der Mann arbeitet im Haushalt und hält ihr den Rücken frei, noch dazu ist sie bisexuell, engagiert sich nebenbei in Frauennetzwerken, der Mörder schließlich (so muss es sein) ist ein Mann. Somit allseits hohes Identifikations- und Sympathiepotenzial für’s Saure-Gurken-Team. Sollte man meinen. Aber nein! Weil der Dame nur Böses widerfährt, kann man das – wenn man denn unbedingt will – so interpretieren, als werde sie dafür bestraft, dass sie dieses makellose Rollenvorbild verkörpert. Klarer Fall: Obwohl mehrheitlich weiblich, entpuppen sich die Verantwortlichen für diesen Tatort allesamt als Erfüllungsgehilfen reaktionär-patriarchalischer Männerbünde, indem sie einer fortschrittlichen, weil karrierebewussten, feministisch engagierten und noch dazu lesbischen Sympathieträgerin die Geliebte hinwegmeucheln lassen. Als wäre das nicht genug, sind hinterher auch noch die Kinder verstört. Dass der werte Gatte für seinen Mord lebenslang hinter Gitter muss, ist hingegen eine unbedeutende Kleinigkeit, die nicht einmal einer Erwähnung bedarf.

Potzblitz! Da sieht man mal, wie sehr unser Fernsehprogramm, von dem wir stets dachten, es handle sich in zunehmendem Maße um eine Veranstaltung von Frauen mit Frauen über Frauen für Frauen, immer noch verseucht ist von überkommenem chauvinistischem Gedankengut. Ein Gedankengut, das wir in unserer Naivität längst für überwunden hielten. So kann man sich täuschen! Gut, dass es diesen Preis gibt. Man könnte allerdings auch anders über diese Auszeichnung denken. Wenn es den Jurorinnen immer schwerer fällt, halbwegs nachvollziehbare Exemplare „frauenfeindlicher“ Sendungen aus dem Programm-Einerlei zu fischen und sie ihre Auswahl mit immer hanebücheneren Begründungen garnieren – ist solch ein Preis dann nicht längst überflüssig?

Wir finden: nein. Gäbe es die Saure Gurke nicht, hätten wir noch viel weniger zu lachen. In diesem Sinne, liebe Damen: Fahnden Sie auch im neuen Jahr intensiv nach frauenfeindlichen Fernsehsendungen und beglücken Sie uns auch im kommenden Herbst mit absonderlichen Begründungen für Ihre Wahl. Wir freuen uns schon jetzt auf die Saure Gurke 2010!

http://www.daserste.de/Tatort/sendung.asp?datum=06.09.2009

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