Alleinerziehende Väter in Österreich
Diese Studie wurde im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz 2006 durchgeführt und untersuchte in qualitativen Interviews zwölf alleinerziehende Männer im Alter von 40 bis 50 Jahren mit folgender Fragestellung:
In welcher Weise versorgen, betreuen und erziehen Väter ihre Kinder, wenn sie allein oder weitgehend allein verantwortlich für diese sind?
Welche Strategien und Ressourcen nutzen Männer zur Bewältigung des Alltags mit den Kindern?
Wie ist das subjektive Wohlbefinden von alleinerziehenden Vätern und welche Bedürfnisse haben sie?
Welches Selbstbild haben alleinerziehende Väter von sich?
Über welches Geschlechterrollenkonzept verfügen alleinerziehende Väter und wie definieren sie sich darin bezüglich ihrer männlichen Identität?
Die Interviews dauerten durchschnittlich zwei Stunden und wurden ausschließlich von einer Person durchgeführt. Die Gespräche wurden nach dem Konzept des „problemzentrierten Interviews“ geführt (Witzel 1982). Die Analyse erfolgte nach den Ideen der „Grounded Theory“ (Strauss/Glaser, Strauss/Corbin 1996). Die Autoren wiesen darauf hin, dass die Studie statistisch nicht repräsentativ sein könne.
Als Grundlage für die statistischen Berechnungen wurden die Zahlen aus der Volkszählung 2001 (Statistik Austria) verwendet. Bis in die 60er Jahre hatten 95 % der Bevölkerung mindestens einmal im Leben geheiratet. 2001 gab es 2 % alleinerziehende Väter mit Kindern unter 15 Jahren bei einem Anteil von 19 % Alleinerziehenden in der österreichischen Gesamtbevölkerung. Unter den Alleinerziehenden finden sich 11 % Männer und 89 % Frauen für den Großraum Wien bzw. 9 % und 91 % für Gesamtösterreich.
Aus feministischer Sicht ist der abwesende Vater kein Problem
Die familiäre Rolle des Mannes blieb in familiensoziologischen Studien lange ausgeklammert. Aus feministischer Sicht „stellt der abwesende Vater nicht ein Problem, sondern einen Akt der Befreiung von Frauen und Kindern dar“ (S. 16), z. B. als „Alleinerziehen als Befreiung“ (Heiliger 1991). „Männlichkeit wird hier mit Gewalt und Gewalttätigkeit gleichgesetzt und Väter primär als missbrauchende und misshandelnde Täter wahrgenommen“ (S. 16). Andere Studien betonen die Bedeutung der Vaterentbehrung und die Wichtigkeit des Vaters für das Kind (Petri 1999, Erhard & Janig 2003).
Bis 1990 gab es keine Studien, die sich mit alleinerziehenden Vätern beschäftigt haben. Alleinerziehend war gleichbedeutend mit alleinerziehender Mutter. Erst vor wenigen Jahren wurden Studien publiziert, die sich schwerpunktmäßig mit dem Phänomen des alleinerziehenden Vaters beschäftigen (Matzner 1998, Stiehler 2000).
Alleinerziehende Väter waren lange kein Thema für die Forschung
Die Alleinerzieherschaft ist nach Stiehler Ausdruck einer Krisensituation und nicht frei gewählte Lebensform. Interessanterweise weisen auch alleinerziehende Väter der Erwerbstätigkeit häufig den höchsten Stellenwert zu (Stiehler 2000).
Nach Matzner können die alleinerziehenden Väter ihre neuen Aufgaben nach einer schwierigen Übergangszeit erfolgreich bewältigen (Matzner 1998). Problematisch erscheint das Fehlen von Rollenbildern, an denen sich der alleinerziehende Vater orientieren kann (Stiehler 2000).
Seit den 60er Jahren zeichnet sich eine „Krise der Vaterschaft“ ab (S. 24, Knijn 1995), in deren Folge es zu einer „De-Akzentuierung der an die Vaterschaft gebundenen männlichen Geschlechtsidentität“ kommt. „Ein einheitliches Bild des Vaters oder der Mutter wird von unterschiedlichen, gleichermaßen legitimen Vorstellungen von Vaterschaft und Mutterschaft abgelöst“ (S. 26).
Männer sehen ihre Rolle als „neuer Vater“ positiv
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des neuen Vaters wird ab Anfang der 80er beobachtet. Studien aus jüngerer Zeit zeigen eine positive Einstellung der Väter zu ihrer veränderten Rolle, die jedoch nicht in gleichem Maß handlungsbezogen realisiert wird (Zulehner 1994, 1998, 2003 und Werneck 1998). Nach einer repräsentativen Studie aus dem Jahre 2002 befürworten 71 % der Männer und 75 % der Frauen den „Vater als Erzieher“ aber nur 29 % der Männer und 25 % der Frauen den „Vater als Ernährer“ (Fthenakis & Minsel 2002).
Wort und Tat stimmen nicht immer überein. Der Soziologe Beck beschrieb das Verhalten der Männer als „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“ (Beck 1986). Empirische Studien konnten belegen, „dass von der Angleichung der Geschlechterrollenbilder primär kinderlose Paare betroffen sind“ (S. 38). Nach der Geburt eines Kindes kommt es häufig zu einer Rückkehr zu traditionellen Rollenbildern.
Alleinerziehende Väter machen keine Karriere
Zunächst fällt auf, dass keiner der Väter eine exponierte berufliche Stellung hat: Acht Väter arbeiten als Angestellte in nicht weiter definierter Stellung. Zwei Väter sind ganz oder teilweise selbständig ohne nähere Angaben. Zwei Väter sind arbeitslos oder haben für die Kinder auf die Berufstätigkeit verzichtet.
Die mächtigste Instanz im Entscheidungsprozess ist die Kindesmutter. In zehn von zwölf Fällen war die Mutter der Auslöser dafür, dass die Väter Alleinerzieher wurden: Drei Frauen waren psychisch krank. Zwei Frauen „verschwanden“ aus dem familiären Umfeld durch Unfalltod oder Wegzug.
Vier Frauen haben der Entscheidung für die väterliche Sorge ganz zugestimmt. Drei Frauen haben der Entscheidung für die väterliche Sorge teilweise zugestimmt. Zwei Frauen haben sich dem Wunsch des Vaters widersetzt.
In allen Fällen haben die Kinder den Wunsch artikuliert, beim Vater bleiben zu wollen. Alle Väter hatten bereits vor der Trennung eine enge Bindung an die Kinder und sahen sich als stärkste Bezugsperson. In allen Fällen blieben die Väter im familiären Zuhause, die Mütter zogen aus.
Die behördlichen Instanzen haben letztlich im Sinne des Vaters entschieden, was eine Diskriminierung des Vaters gegenüber der Mutter am Anfang des Gerichtsverfahrens jedoch nicht ausschloss.
Die Mutter entscheidet, ob der Vater Alleinerzieher wird
Auslöser für die Entscheidung zur Alleinerzieherschaft waren ausnahmslos krisenhafte Situationen in der Familie. Der wichtigste Einzelfaktor für die Realisierung der Alleinerzieherschaft des Vaters ist die Bereitschaft der Kindesmutter, die Rolle des Vaters zu akzeptieren. Die Bedeutung der Kinder bleibt in dieser Studie unklar, da die nachgebende Mutter den dominanten Beitrag liefert.
Bezüglich der Vaterschaftskonzepte sehen sich die befragten Väter vor allem als Erzieher der Kinder. Erwerbstätigkeit und Qualität der Arbeit spielen demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Diese Ergebnisse sind nicht konform mit den Ergebnissen von Stiehler (Stiehler 2000). Die Rolle des alleinerziehenden Vaters weicht in wesentlichen Punkten nicht von der einer alleinerziehenden Mutter ab.
Unangemessene Reaktionen der Umwelt auf den Sonderstatus der alleinerziehenden Väter werden berichtet. Bei Rechtsstreitigkeiten führt dieser Sonderstatus eher zu Benachteiligungen. Gegen den Willen der Mutter ist die alleinige Sorge für das Kind nur gegen große Widerstände zu erreichen. Die Rolle als alleinerziehender Vater wird von den Befragten insgesamt als positiv beurteilt.
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