Ministerienbrief zur Jungenförderung nur ein Alibi?
In einer Pressemitteilung äußert sich MANNdat e.V. zum Brief der beiden baden-württembergischen Minister an die Schulen des Landes, für die bevorzugte Einstellung männlicher Erzieher und Grundschullehrer zu werben.
Nachstehend finden Sie den Wortlaut der Pressemitteilung.
Stuttgart: Baden-Württembergs Kultusminister Rau und Sozialministerin Stolz (CDU) beklagen das schlechte Bildungsniveau der Jungen im Lande. Nach einer Kleinen Anfrage der Grünen zur Jungenförderung riefen sie die Schulen dazu auf, mehr männliche Grundschullehrer einzustellen. Sie hoffen, durch mehr männliche Vorbilder ließe sich das Bildungsniveau der Jungen verbessern.
Der Verein MANNdat e.V., der sich für Jungenrechte einsetzt, ist skeptisch. „Wir finden es erfreulich, dass man endlich auch die Bildungssituation von Jungen thematisiert,“, so Dr. Köhler von MANNdat, „allerdings halten wir die Maßnahme für nicht ausreichend und halbherzig.“
Der Verein vertritt diese Auffassung deshalb, weil in dem Brief von einer konkreten Bildungsförderung in jungentypischen Problembereichen nicht die Rede ist. „Jungen entwickeln sich im Bereich Motorik, Sprachfähigkeit und Lesekompetenz tendenziell langsamer als Mädchen. Hier wäre deshalb eine spezielle Jungenförderung schon im Vorschul-, aber auch im Grundschulbereich notwendig“, meint Dr. Köhler.
„Was wir brauchen, ist eine jungengerechtere Schule nicht nur mit Lehrern beiderlei Geschlechts, sondern auch ansprechenden Bildungsangeboten für Jungs.“ Nötig sei auch die Erweiterung des „Girl’s Day“ zu einem Zukunftstag für Jungen und Mädchen. Eine entsprechende MANNdat-Petition wurde vom Landtag aber schon 2005 abgelehnt.
In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen legt die Landesregierung dar, dass es das Antidiskriminierungsgesetz schwierig mache, junge Männer gezielt für eine Bewerbung für den Beruf des Grundschullehrers anzusprechen.
Diese Aussage hält MANNdat für äußerst fragwürdig: „Im umgekehrten Fall ist es normal, dass bei einer Stellenausschreibung in frauenunterrepräsentierten Bereichen Frauen besonders zur Bewerbung aufgefordert und laut Chancengleichheitsgesetz ja sogar bevorzugt eingestellt werden müssen. Und das Antidiskriminierungsgesetz gilt für Frauen nicht weniger als für Männer“, so Dr. Köhler.
Auf der Internetseite des Sozialministeriums jedenfalls ist unter „Chancengleichheit“ das Thema „Jungen“ derzeit nicht zu finden. Und auf der Homepage des Kultusministeriums fällt einem zwar ein Thema „Frauen in Führungspositionen“ ins Auge, ein Thema „Männer in Lehrberufe“ gibt es jedoch nicht.
Unter diesen Voraussetzungen erscheint einem das Schreiben der Minister an die Schulleiter als reiner Aktionismus in der Absicht, bestehende Missstände zu verdecken.
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