„Wie viel Mann darf sein?“ MANNdat beim Männertag der evangelischen Landeskirche Württemberg
Der diesjährige Stuttgarter Männertag der evangelischen Landeskirche Württemberg stand unter dem Motto: „Wieviel Mann darf sein?“ MANNdat als offizieller Teilnehmer leitete den vielleicht politischsten Workshop dieser vielseitigen Tagung. Lesen Sie die spannende Zusammenfassung unseres Vereinsgründers Dr. Eugen Maus.
„Kann ich Ihnen helfen?“ fragt mich freundlich der ältere Herr in der Straßenbahn. „Ja, ich will zum Paul-Gerhardt-Gemeindezentrum.“ „Das trifft sich gut“ sagt er, „da will ich auch hin. Kommen Sie doch einfach mit mir.“
So also kam ich zum Männertag in Stuttgart. Die nette Begegnung prägte auch von Beginn an mein Bild dieser Veranstaltung. Der Umgangston war freundlich, achtsam, respektvoll, und der alte Herr klärte mich auch gleich noch darüber auf, wer Paul Gerhardt war – ein protestantischer Theologe und Komponist von noch heute populären Kirchenliedern, der im 17. Jahrhundert, in der Zeit von dreißigjährigem Krieg und Pest, lebte und wirkte.
Vielleicht wundert sich jemand, wie ein Mitglied von MANNdat zum Männertag der evangelischen Männerarbeit in Württemberg kommt*. Hört man „Männertag“, möchte man zwar denken, nichts läge näher als das. Aber Männerrechtler haben schon öfter die Erfahrung gemacht, dass nicht überall Männer drin sind, wo Männer drauf steht – um es bildlich auszudrücken: Männergesundheitstage, die sich als Promotionsveranstaltungen für Dienstleister unterschiedlichster Profession entpuppen, Medienberichte über Männer, die Männer krank, kriminell und klein schwätzen wollen, eine sogenannte Männerpolitik, die zwar überwiegend von Männern – aber zuallerletzt für Männer gemacht wird, oder nicht zuletzt ein sogenanntes „Bundesforum Männer“, das mit Männern vielleicht gerade so viel zu tun hat, wie eine so genannte Gleichstellungsbeauftragte.
* Das frühere „Männerwerk“ der Evang. Landeskirche Württemberg wurde 2013 abgelöst, der Nachfolger heißt emnw (Evangelisches Männernetzwerk Württemberg).
Auf Einladung von Markus Herb, dem evangelischen Landesmännerpfarrer für Württemberg, steuerte MANNdat einen Workshop zu dieser Veranstaltung bei, mit dem Thema: „Herr im Haus bin ich!“ – Illusionen von vorgestern. Wer „macht“ unser Leben? Die Politik? Unsere (Ehe)frauen? (Geschlechterpolitische Initiative MANNdat e.V.: Dr. Eugen Maus, Ulrich Thierhoff, Thomas Walter)
Bei solchen Gelegenheiten sind wir Gäste, wenn nicht gar Fremdkörper, was Reserven nachvollziehbar macht. Die Männerarbeit der meisten evangelischen Landeskirchen (davon gibt es etwa zwanzig in Deutschland) steht zwar der selbstreflektierenden frühen Männerbewegung der siebziger Jahre noch immer deutlich näher, als der neuen, politisch fordernden Männerrechtsbewegung. Aber immerhin traf ich in Stuttgart zu meiner Überraschung auch weitere aktive MANNdat-Mitglieder, die ich bislang noch nicht persönlich kennen gelernt hatte.
Und auch dies: Schon 2006 veröffentlichte das Evangelische Männerwerk in Württemberg eine Schrift: „Sind es immer nur die Männer?“ als Diskussionsbeitrag zur häuslichen Gewalt. Die Herausgeber, Dr. Günther Banzhaf, damaliger Landesmännerpfarrer, Stephan Burghardt, Referent für Männerarbeit, und Frieder Leube, fordern darin u. a. – wohlgemerkt bereits vor acht Jahren – „repräsentative Studien zur Gewalt gegen Männer und Jungen, gerade auch für den Bereich häusliche Gewalt“.
Und tatsächlich wurde in der Folge im Auftrag der evangelischen und katholischen Männerarbeit eine Männerstudie durchgeführt zum Zusammenhang von Geschlecht, Geschlechtsidentität und Gewalt und wie folgt publiziert:
Döge, P. : Männer – die ewigen Gewalttäter?
Gewalt von und gegen Männer in Deutschland
Verlag: Springer VS, Verlag für Sozialwissenschaften
Wiesbaden, 2011/2013
Leider nur – aber immerhin – ein Tropfen auf den heißen Stein. Aktuell geistert schon wieder eine Studie – die „weltweit größte Erhebung über Gewalt gegen Frauen“ – durch die Medien, eine Studie der FRA – Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, deren Internetpräsenz mit dem Motto überschrieben ist: „Wir helfen, Grundrechte für alle in der EU zu verwirklichen“. Wie die Studie jedoch zeigt, sind mit „alle“ tatsächlich nur alle Frauen gemeint.
Zurück nach Stuttgart: Unsere Themen und Forderungen sind also zumindest einem Teil der Aktiven in der kirchlichen Männerarbeit alles andere als fremd. Und im Übrigen praktizieren wir unsererseits mit solchen Engagements nichts anderes als unsere legitime Teilhabe an öffentlichen Diskursen, aus denen andere uns gerne verdrängen würden.
Das Thema der gut organisierten Tagung lautete provokativ: „Wie viel Mann darf sein?“ Markus Herb wurde unterstützt von Tilman Kugler, Diplom-Theologe, zuständig für die katholische Männerarbeit im Bistum Rottenburg-Stuttgart, was der Veranstaltung einen ökumenischen Charakter gab. Die Themen sind vielleicht ein bisschen „niederschwellig“, mit Animation, Trommeln, Rollenspiel u. ä., aber man hat schließlich nicht in erster Linie männerpolitisch Interessierte zur Zielgruppe, vielmehr Männer, die im „laufenden Tagesgeschäft“ eher nicht dazu kommen, sich über ihr Selbst Gedanken zu machen. Solche Tagungen und die Teilnehmer sind somit alles andere als ein ebenes Terrain für uns. Wir haben erfahren, dass viele Männer ganz einfach deswegen dorthin gehen, weil sie etwas für sich tun wollen. Der Schluss – überspitzt gesagt – dass sie das möglicherweise nur tun können, wenn die „Staatin“ das genehmigt, drängt sich den meisten durchaus nicht zwingend auf.
Die Teilnehmer waren zu unseren Themen entweder gar nicht oder nur halb informiert, einige behaftet mit Vorurteilen und eigenen Befindlichkeiten, die sie ganz sicher auch in drei Arbeitstagen nicht losgeworden wären. Frauen waren physisch komplett abwesend, aber psychisch äußerst präsent! Schon im Motto des Tages: „Wie viel Mann darf sein?“ Ja wie denn? Gibt es eine Grenze? Wer bestimmt sie? Oder im Thema eines Workshops: „Männer glauben anders!“ Anders als Frauen? Und spielt das eine Rolle? Sind Frauen vielleicht der Maßstab? An den Wänden Fotos: Männer in verschiedenen Situationen, durchaus interessant, aber eine Situation gab es explizit nicht: Männer mit Frauen!
Der Vormittag in unserem Workshop, unter Eröffnung von Ulrich Thierhoff und Moderation von Thomas Walter kam gut an. Es ging (in Übereinstimmung mit dem Veranstaltungsmotto) eher um die persönliche Erfahrung des Themas „Herr im Haus bin ich“ im engeren, weiteren und doppelten Sinne.
Nachmittags habe ich versucht, MANNdat und die Gründe für unser Engagement kurz (in ca. zwanzig Minuten) darzustellen, damit das dann dialogisch weiter behandelt werden konnte. Aber man muss sich höllisch davor hüten, den Sack bei solchen Gelegenheiten zu weit aufzumachen. Es ist unmöglich, unsere komplexe Gemengelage und die Zusammenhänge in einen Kurzvortrag zu packen, ohne nicht mindestens ein Quantum Unverständnis zu ernten. Konzentration auf ein einziges Thema ist in jedem Falle besser. Wieder mal was gelernt – und das nach all den Jahren! Aber das ist ja auch nicht unbedingt unsere Sache: Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer eher auf Selbstreflexion aus sind, statt einem Informationsvortrag zu lauschen.
Die alte Männerbewegung hat offensichtlich noch immer eine gewisse Attraktivität. Das ist eine gute und eine schlechte Nachricht. Gut, weil es noch niemandem geschadet hat, über sein Verweilen in dieser Welt nachzudenken. Schlecht, weil Männer oft nicht realisieren, dass sie sich zwar an ihren privaten Angelegenheiten abrackern können, damit unter Umständen aber völlig erfolglos sind, wenn die Gesetzgeberin die Bedingungen anders diktiert.
Alles in allem: Kein verlorener Tag, der Stuttgarter Männertag.
Dr. Eugen Maus, Gründungsmitglied und Vorstand von MANNdat von 2004 bis 2011
Hier können Sie sich für den MANNdat-Rundbrief anmelden.
Bildquelle: (c) emnw
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende.