Offener Brief an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages

von Manndat
Das Bild ist dem Titel des Buches "Musterung - Staatlich legitimierte Perversion" von Lars G. Petersson entnommen

Bildquelle: „Musterung – Staatlich legitimierte Perversion“ von L. G. Petersson

Bei den Tauglichkeitsuntersuchungen der Bundeswehr (Musterung) stellen die männlichen Genitalien eines der wichtigsten Untersuchungsobjekte dar. Bei Frauen wird eine Untersuchung der Genitalien dagegen ausdrücklich ausgeschlossen. Aber auch die vorgeschriebenen Untersuchungen der weiblichen Brust, der Leistengegend und des Analbereichs finden bei ihnen offensichtlich nur ganz selten statt. Stehen hier, ähnlich wie beim Haar- und Barterlass der Bundeswehr, die Persönlichkeitsrechte der Frauen über der Fürsorgepflicht der Bundeswehr als Arbeitgeber? Oder liegt dies tatsächlich an dem überwiegend weiblichen Untersuchungspersonal?


Offener Brief an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus

Sehr geehrter Herr Königshaus,

am 27.10.2009 und am 17.03.2010 habe ich jeweils eine Email an Ihren Vorgänger Herrn Robbe verfasst. Darin ging es um die entwürdigenden Untersuchungs-methoden im Rahmen der Musterungs- und Dienstantrittsuntersuchungen nach ZDv 46/1, der sich die Wehrpflichtigen unterziehen mussten.

Ich bemängele hier, dass offenbar ganz gezielt weibliches Personal bei diesen extrem schamverletzenden, staatlich angeordneten Zwangsuntersuchungen eingesetzt wird, obwohl ausschließlich Männer diese Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen.

Das ist eine Konstellation, die so in unserem deutschen Rechtsstaat einmalig ist, da überall sonst bei derartigen Zwangsuntersuchungen ganz strenge Regeln zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der zu untersuchenden Personen gelten.

Nachdem in der ersten Antwort praktisch überhaupt nicht auf den Inhalt eingegangen wurde, schreibt mir die Bearbeiterin (WB 3, zuständig für Wehrpflichtige und Frauen, scheint ausschließlich Frauen zu beschäftigen) bei der zweiten Antwort wiederum schon bekannte Formulierungen und verweist auf die immer wieder beschworene Geschlechtsneutralität der untersuchenden Damen, schreibt jedoch einen Satz, der sich so sinngemäß auch in dem Jahresbericht von 2009 wiederfindet.
Zitat aus dem Jahresbericht von 2009, Seite 46: „Ihnen (den Ärztinnen und Assistentinnen) pauschal mangelndes Taktgefühl oder gar sexuelle Motive zu unterstellen, ist deshalb absolut ungerechtfertigt.“

Immerhin werden damit sexuelle Motive des weiblichen Untersuchungspersonals nicht mehr völlig ausgeschlossen.Im letzten Abschnitt meiner Email vom 17.03.2010 schrieb ich:

„Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich mit dieser Thematik weiter beschäftigen werde, auch nach Ihrem Ausscheiden als Wehrbeauftragter.“

Eben dies habe ich getan. Ich war in den letzten Jahren beruflich in Berlin, in Hamburg und im Raum Köln unterwegs und habe mir immer mal wieder etwas Zeit genommen, um Wehrpflichtige und Bewerberinnen und Bewerber, sowohl von der BW angenommene als auch abgelehnte, zu befragen. Und ich konnte auch Bundeswehrärztinnen und -ärzte ein wenig befragen.

Die Ergebnisse meiner Recherche: Um es vorweg zu nehmen: Für die „Gründlichkeit“ der Untersuchung ist das Geschlecht, sowohl der zu Untersuchenden als auch des Untersuchungspersonals, von entscheidender Bedeutung!

Sehr unterschiedlich gestaltet sich die Untersuchung der Noch-Zivilisten auch in Abhängigkeit von ihrer zukünftigen Soldatenlaufbahn. So wurden ausschließlich Wehrpflichtige häufig ohne Sichtschutz direkt vor dem Assistenzpersonal untersucht. Bei Bewerberinnen und Bewerbern der Mannschafts- und Unteroffizierslaufbahn wurde dagegen, zumindest im ZNwG Ost, immer ein Sichtschutz verwendet. Bewerberinnen und Bewerber der Offizierslaufbahn waren grundsätzlich mit der Ärztin allein.
Dass die BW und ihre Institutionen sich der Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch diese Konstellationen sehr wohl bewusst sind, zeigt die Tatsache, dass im KWEA Berlin, das vollständig unter weiblicher Leitung arbeitete, grundsätzlich ohne Sichtschutz untersucht wurde.

Männer mit muslimischem Hintergrund waren jedoch immer allein mit einem männlichen Arzt bzw. wurde dem männlichen Arzt später sogar extra männliche Assistenz für die Untersuchung von Muslimen zugeteilt.

In den Kasernen waren dann die Stabsärztinnen für die Einteilung des Personals zuständig und diese haben tatsächlich immer die Dienstpläne so aufgestellt, dass zur ärztlichen Untersuchung nach Möglichkeit ausschließlich weibliches Sanitätspersonal anwesend war, welches die gesamte Untersuchung in allen Einzelheiten beobachten konnte, während an den Stationen für den Sehtest, Hörtest usw. überwiegend männliches Sanitätspersonal agierte. Erstaunlich ist hierbei, dass die Ärztinnen auch Zeitsoldaten der Mannschafts- und Unteroffiziersränge mit weiblichem Assistenzpersonal untersuchen. Die männlichen Ärzte in den Kasernen haben die Wehrpflichtigen dagegen allein untersucht oder hatten männliche Assistenz oder hatten weibliche Assistenz, die jedoch so positioniert war, dass sie die zu Untersuchenden nicht sehen konnte. Bei der Untersuchung von Soldatinnen haben die männlichen Ärzte dann immer und ausschließlich weibliches Assistenzpersonal hinzugezogen.

In den jetzigen KarrC Bw hat sich neben dem Umgangston auch die Durchführung der Untersuchung verändert. Sei es wegen Personalmangel oder wegen der jetzt gewollten Achtung der Persönlichkeit, die meisten Einrichtungen untersuchen ohne Assistenz oder mit Sichtschutz. Lediglich in Hamburg müssen die jungen Männer immer noch vor der Ärztin und ihrer Assistentin (ohne Sichtschutz) blank ziehen.

Die wenigen jungen Frauen, die ich erwischen konnte, die sich in diesen KarrC Bw beworben haben, wurden hier nur von Ärztinnen untersucht, auch wenn männliche Ärzte dort tätig waren. Die Bewerberinnen brauchten nur die Oberbekleidung ablegen, der BH und der Slip konnte grundsätzlich anbehalten werden. Für das Abhören der Herztöne musste nur der BH ein wenig verschoben werden. Eine Begutachtung der Haut fand ebenso wenig statt, wie die vorgeschriebene Inspektion und Palpation der Mammae. Ein Befund vom Frauenarzt wurde NICHT verlangt. Befunde von anderen Fachärzten hingegen schon, so wurden durchaus Befunde vom Orthopäden oder vom Chirurgen eingefordert. Die jungen Männer, die von den selben Ärztinnen untersucht wurden, mussten sich komplett entkleiden und ihre Genitalien eingehend begutachten lassen.

Am ZNwG war der Frauenanteil bei den Bewerbern schon deutlich höher. Anscheinend wurden hier die Frauen zu größeren Gruppen zusammen gefasst. Diese Gruppen wurden zur Untersuchung aufgeteilt, so dass einige Frauen auch zu männlichen Ärzten mussten. Während die Untersuchung der Bewerberinnen durch die Ärztin genau so lief, wie oben beschrieben, mussten sich die Bewerberinnen beim männlichen Arzt vollständig entkleiden, genau wie die männlichen Bewerber. Die Haut wurde komplett inspiziert und auch der Blick in den Hintern blieb den Frauen nicht erspart. Lediglich die Palpation der Mammae fand nicht statt. Auf das Abtasten der Brust wird offensichtlich seitens der männlichen Ärzte grundsätzlich verzichtet, um hier ja nicht in den Verdacht zu geraten, dass bei so einer Untersuchung sexuelle Motive eine Rolle spielen könnten.

Am interessantesten wird es dann am OPZ/ACFüKrBw. Übereinstimmend wurde in den letzten Jahren berichtet, dass hier fast ausschließlich Frauen im Untersuchungsbereich arbeiten und nur ein Mann dort gesichtet wurde. Es wird sogar auf Anfragen bestätigt, dass Frauen hier nur von Frauen untersucht werden. Auf jeden Fall wurden alle von mir befragten (w/m) Bewerber ausschließlich von Ärztinnen untersucht. Die Frauen bewerben sich zudem immer direkt am OPZ/ACFüKrBw und behalten während der gesamten Untersuchung die Unterwäsche an. Die Begutachtung der Haut (Hautkrebs ist mittlerweile die häufigste Krebsursache bei jungen Frauen) entfällt ebenso wie die ausdrücklich in der ZDv 46/1 geforderte Kontrolle der Brust, der Bruchpforten und des Analbereichs. Nach Inkrafttreten der geänderten ZDv 46/1 wurde auch hier kein Gutachten vom Frauenarzt gefordert, erst in der jüngeren Vergangenheit wird ein solches wieder verlangt, kann aber bis zu zwei Jahren alt sein. Ob der Analbereich mit untersucht wurde, muss nicht angegeben sein.

Alle befragten Männer wurden vorab im KWEA/KarrC Bw bereits eingehend untersucht. Diese Untersuchung lag z. T. nur wenige Monate oder gar nur einige Wochen zurück. Obwohl gemäß ZDv 46/1 die männlichen Genitalien einmal im Jahr untersucht werden sollen, mussten sie sich auch hier wieder vollständig entkleiden, der Analbereich wurde inspiziert, die Hoden wurden abgetastet und sie mussten sich die Vorhaut zurück ziehen, damit die Ärztin auch noch die letzten Quadratzentimeter Haut begutachten konnte. Praktisch die meisten Ärztinnen (jedoch kein einziger Arzt) haben dies von den Männern verlangt.

Zusammenfassend ist erkennbar, dass Ärztinnen bei der Untersuchung von jungen Männern nochmals deutlich gründlicher sind, als ihre männlichen Kollegen. Dies ist im Übrigen auch Allgemeinwissen bei der Bundeswehr. Bei der Untersuchung von jungen Frauen durch Ärztinnen wird dagegen offenbar seit Jahren gegen die geltende Dienstvorschrift verstoßen. Wenn gerade bei Offiziersbewerberinnen so oberflächlich untersucht wird, könnte es sein, dass auch die tödlichen Unfälle auf der Gorch Fock damit in einem gewissen Zusammenhang stehen?

Da ich vermeiden möchte, dass eine Antwort auf diese Zeilen wieder nur die üblichen politisch korrekten Aussagen enthält, erlaube ich mir, dieses Schreiben nunmehr als offenen Brief zu gestalten.

Mit freundlichen Grüßen

Mathias Frost

Für MANNdat e. V., Bereich Wehrpflicht, Zwangsdienste, Militär, Polizei, Feuerwehr.


Eine Antwort kam am 5. November 2014 von einem zuständigen (männlichen) Bearbeiter vom Referat WB 3. Darin wird erklärt, dass die in der Email vom 27. Oktober 2014 gemachten Ausführungen zum Anlass genommen wurden, eine Überprüfung einzuleiten. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.

Mathias Frost

Bildquelle: (c) Lars G. Petersson

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