„Das Gender-Paradoxon“ – Buchrezension von Dr. Bruno Köhler
Schweden verzeichnete in den letzten 15-20 Jahren einen Anstieg psychischer Erkrankungen bei Mädchen um 1000 %, bei Depressionen um 500 %. Finnland hat die höchste Suizidrate bei Mädchen in ganz Europa. Wie das mit dem Gender-Mainstreaming zusammenhängt, das in Skandinavien besonders ausgeprägt ist, erklärt der Evolutionsbiologe Prof. Ulrich Kutschera in seinem neuen Buch „Das Gender-Paradoxon“.
Das 445-seitige Sachbuch „Das Gender-Paradoxon“ von Prof. Dr. Ulrich Kutschera ist 2016 im LIT-Verlag erschienen. Der Autor ist Pflanzen- und Evolutionsbiologe. Er hat einen Lehrstuhl an der Universität Kassel inne und ist Gastprofessor an der Universität Stanford, Kalifornien (USA).
Der Autor erklärt in seinem Buch zuerst die Grundlagen der Evolutionsbiologie und Fortpflanzung und stellt sie der Gender-Agenda gegenüber. Er nutzt dabei einen chronologischen Aufbau, also von den Anfängen von Darwin und Wallace über Weismann bis zu heutigen Erkenntnissen. Auf letztere geht er detaillierter ein. Im Kapitel „Vom Körperbau zum Genom“ beschreibt er speziell die genetischen und körperlichen Unterschiede von Mann und Frau und legt dar, weshalb Mann und Frau als evolvierte Menschentypen mit ausgeprägtem Sexual-Dimorphismus anzusehen sind. Geschlechtsdimorphismus liegt vor, wenn zwischen den Geschlechtern einer Art deutliche Unterschiede, z.B. in der Gestalt, Größe, Färbung, Produktion von Hormonen und Pheromonen, oder im Verhalten bestehen. In Kapitel 7 geht er auf die Entwicklung der erotischen Veranlagung ein. Anschließend wird in Kapitel 8 detailliert das Menschenexperiment von John Money beschrieben, bei dem er versuchte, den kleinen Jungen David (Bruce) Reimer in ein Mädchen umzuwandeln. Das Experiment scheiterte, David (Bruce) Reimer kam mit dem Umwandlungsversuch nicht klar. Er und sein Zwillingsbruder begangen Suizid. Trotzdem wird dieses Experiment von Genderideologen bis heute als Beweis dafür angeführt, dass geschlechterspezifische Eigenschaften ausschließlich anerzogen seien. Dieses achte Kapitel enthält auch eine kurze Darlegung der Thesen des Physiologen und Biokybernetikers Manfred Spreng, in denen er darlegt, wie „der Genderismus krank machen kann.“
Das letzte Kapitel ist als Epilog ausgelegt. Man kann es auch als Zusammenfassung der Anliegen des Autors ansehen, in denen er der „Frau-gleich-Mann-Behauptungen“ von Genderisten nochmals einige Fakten entgegenstellt.
Am Ende gibt es noch ein „kleines Sex- und Gender-ABC“, das einige Definitionen nicht nur aus den Biowissenschaften enthält. Zudem ist ein Verzeichnis interessanter Internetseiten aufgeführt, die sich entweder mit dem Thema Gender Mainstreaming (GM) kritisch auseinandersetzen oder GM befürworten. Allerdings fehlt dort die Webseite www.manndat.de, obwohl MANNdat einer der ersten Vereine war, die sich öffentlich mit dem Thema kritisch auseinandergesetzt haben.
Das Literaturverzeichnis ist sehr umfassend. Leider wird an einigen wichtigen Stellen im Buch, wie z. B. bei der Darlegung von Sprengs Thesen anhand von Beispielen, lediglich pauschal auf Studien verwiesen („…haben Studien gezeigt…“), ohne konkrete Angabe der Fundstelle.
Das Buch ist durchweg auch für Laien verständlich geschrieben. Die Grundlagen des Sexual-Dimorphismus sind sehr gut und verständlich beschrieben.
Eingebettet ist das ganze Buch in die eigene Erfahrung des Autors mit der Reaktion von Genderideologen und Feministen auf seine öffentliche Darstellung von Gender Maistreaming und dessen Verhältnis zur Evolutionsbiologie. Er führt deshalb immer wieder Medienbeiträge und Interviews von sich selbst auf und beschreibt die darauffolgenden Reaktionen. Das macht das Buch besonders interessant, da es nicht nur rein wissenschaftliche Fakten präsentiert, sondern dem Leser auch Diskursverweigerungsstrategien des Feminismus offenlegt und den Leser damit sogar emotional mitnimmt. Auch die sehr spannend zu lesenden Biographien, z. B. von John Money, David (Bruce) Reimer oder des Komponisten Peter Tschaikowsky, machen das Buch auch für Leute interessant, die reine Wissenschaft gerne auch in spannend zu lesende Geschichten verpackt haben wollen.
Der Autor sieht bei Gender Mainstreaming Parallelen zum Kreationismus. Beide seien biophob und stellten keine Wissenschaft, sondern Glaubenssysteme dar. Gender Mainstreaming hält er jedoch für gefährlicher, was er als Anlass für das Schreiben des Buches angibt.
„GM entspricht ID [Anm. d. Verf.: ID = Intelligent Design], d. h. die Moneyistische Gender-These ist eine spezielle Variante des pseudowissenschaftlichen Menschen-Schöpfungsglaubens (…). Da Gender Studies (wie die GM-Agenda) eine ideologisch-politische Grundlage haben, sind sie per definitionem unwissenschaftlich. Ergebnisoffene Fragen werden in diesem Zweig der Sozialwissenschaften weitgehend ausgeklammert.“ (Buch S. 395)
Das Zitat zeigt schon, dass der Autor bei seiner Kritik kein Blatt vor den Mund nimmt: „Die Gender Studies sind, mit ihrem GM-Politikprogramm, eine mit dem Kreationismus geistesverwandte universitäre Pseudowissenschaft bzw. ein akademischer Wildwuchs, der sich wie ein Krebsgeschwür ausbreitet und seinem Wirtskörper Hochschule die Lebensgrundlage streitig macht (Abzug vitaler Ressourcen, Einmischung bzw. Ideologisierung naturwissenschaftlicher Fachgebiete, Verunstaltung der Sprache durch Unisex-Begriffe und ganz allgemein eine Diskreditierung des gesamten universitären Forschungs- und Lehrbetriebs).“ (Buch S. 399)
Es ist beeindruckend, mit welchem Selbstbewusstsein er Kritik an Gender Mainstreaming auch in der Öffentlichkeit äußert. Dass er damit von den ohnehin schon wenig kritikfähigen Genderideologen und Verdammungsfeministinnen mit der üblichen Nazi- und Sexismuskeule attackiert wird, war deshalb zu erwarten und ist heute im Zeitalter der Political Correctness leider charakteristisch. „Im Artikel von Ilse Lenz [Anm. d. Autors: emeritierte Gender-Soziologin der Universität Bochum] ‚Keine Angst vor dem bösen Gender‘ (1.9.2015) wird u.a. das Money‘sche Prinzip der Diskreditierung aller Gender-Kritiker als ‚rechtsradikale Anti-Frauenrechtler‘ vorgestellt. Männer werden als ‚Frauenunterdrücker‘ gekennzeichnet (…) und die Biologie unter die Knute der irrationalen Gender-Ideologie gestellt.“ (Buch S. 400)
Dabei lehnt der Autor das Thema „Gender“ gar nicht pauschal ab. In der Gendermedizin, in der die Unterschiede zwischen den Geschlechtern für eine geschlechterspezifische Medizin betrachtet werden, findet Kutschera dies für sinnvoll und wichtig. Deshalb unterscheidet er zwischen Gender und „Moneyismus“. Den Begriff „Moneyismus“ verwendet der Autor in Hinblick auf den Mann, der die Mann-zu-Frau-Umerziehungsthese am rücksichtslosten mit seinem Menschenexperiment kolportiert und publik gemacht hat. Eine Unterscheidung, die sehr sinnvoll und hilfreich ist, weil sie zwischen einem ideologiefreien, wissenschaftlich fundierten Genderbegriff und einem ideologisch motivierten Genderbegriff unterscheidet.
Auch wenn die Menschenexperimente von John Money schon Jahrzehnte zurückliegen, ist das Buch von Kutschera hochaktuell. So wurde vor nicht allzu langer Zeit der Psychologe Dr. Kenneth Zucker von seiner Klinik in Toronto gefeuert, weil er, wie auch andere Wissenschaftler, zu der politisch nicht korrekten Erkenntnis gelangte, dass viele Kinder, die temporäre Probleme mit ihrer geschlechtlichen Identität haben, in Wirklichkeit unter Depressionen, Autismus, Angstzuständen oder anderen Dingen leiden, die auf anderem Wege zu heilen seien als durch Geschlechtsumwandlung.
Dieser Film führte nach seiner Ausstrahlung im norwegischen TV zu einer intensiven gesellschaftlichen Diskussion über die Ideologie hinter „Gender-Mainstreaming“. Als eines der Ergebnisse dieser Debatte wurde die Subventionierung der Genderforschung mit öffentlichen Mitteln in Norwegen eingestellt. Ein Forschungsinstitut stellte zeitnah seine Tätigkeit ein.
Aus männerpolitischer Sicht hätte der Autor außer seiner Kritik an einer männerdiskriminierenden Frauenquote auch etwas näher auf andere männerpolitische Aspekte eingehen können, die sich einerseits aus einer ideologiebasierten Genderpolitik und andererseits aus der Ablehnung biologischer Unterschiede zwischen den Geschlechtern ergeben, z. B. im Bildungswesen. Für ein Bildungswesen, das Mädchen und Jungen wirklich gerecht werden soll, ist es essentiell, dass man sich pädagogischen Erkenntnissen (z. B. für die Jungenleseförderung), biologischen Erkenntnissen (z. B. die unterschiedliche Entwicklung von Jungen und Mädchen bei wichtigen schulischen Grundkompetenzen wie Sprachfähigkeit und Lesen) und psychologischen Erkenntnissen (geschlechterspezifische Interessen) stellt, anstatt diese Erkenntnisse aus Gründen eines ideologisch inspirierten politischen Konzeptes zu tabuisieren. Der zunehmende Gender Education Gap zuungunsten der Jungen wird stattdessen von manchen Soziologen, Politikern und Journalisten in ebenso bequemer wie biologistisch-sexistischer Weise einer generellen Faulheit oder Unbegabtheit der Jungen zugeschoben. Die von Kutschera vertretenen Ansätze haben deshalb ein sehr hohes Potential, was eine geschlechtergerechte Schule betrifft.
Die im Buch geäußerte Ansicht von Kutschera, Männer seien modifizierte Frauen, ist aus wissenschaftlicher Sicht sicher vertretbar. Nach den ganzen Ausführungen Kutscheras ist es aber meines Erachtens nicht notwendig, ein Geschlecht als das zentrale und das andere als eine Modifikation davon zu definieren. Der von ihm ebenfalls gewählte Ausdruck von Mann und Frau als unterschiedlich evolvierte Menschentypen wäre für den Geschlechterdiskurs meines Erachtens hilfreicher, da die Zentralisierung auf ein Geschlecht in den geschlechterpolitischen Diskursen der Vergangenheit eher zu überflüssigen Missverständnissen geführt hat.
Zwar legt der Autor korrekt dar, dass die Behauptung, mit Gender Mainstreaming wolle man Geschlechtergerechtigkeit schaffen, Unsinn sei. Bei seiner Kritik an der Frau-gleich-Mann-Auffassung geht allerdings unter, dass diese Auffassung selbst bei vielen Gender-Mainstreaming-Befürwortern mittlerweile oft nur noch Mittel zum Zweck anstatt eigene Überzeugung ist. Die Politik ist hier ein typisches Beispiel, denn gegendert wird nur dort, wo es der Frauenförderung nützlich ist. Dort, wo Jungen, Väter oder Männer schlechtere Quoten haben, endet Gleichstellungspolitik entgegen ihrer sich selbst auferlegten Gender-Mainstreaming-Doktrin abrupt. Und selbst die Grünen, die sich als die Kämpfer für sexuelle Vielfalt inszenieren, reduzieren in der Praxis das Geschlecht auf ihrem Eintrittsformular zur Grünen Jugend auf weiblich und nicht-weiblich. Aber diese opportunistische Verwendung von Gender Mainstreaming wäre für das mit 445 Seiten ohnehin schon recht umfassende Buch sicher nicht mehr ausreichend abzuhandeln gewesen. Deshalb deutet Kutschera es auch nur an, z. B. in der Doppelmoral, dass die Rolle der Hausfrau von den Feministinnen als Beleg für Frauendiskriminierung dient, den Jungs die Rolle des Hausmannes jedoch als positives Rollenbild verkauft wird. Hier möchte ich nur die neue SPD-Vorsitzende in Baden-Württemberg, Leni Breimaier, nennen, die Männern zynisch den „Charme des Spülbeckens“ näher bringen will.
Fazit:
Die Grundlagen des Sexual-Dimorphismus und der Vererbungslehre sind sehr gut und verständlich beschrieben. Die Unterscheidung des Autors zwischen Gender und Moneyismus ist sehr hilfreich. Sein Ansatz, Gender in Form von bewusster Berücksichtigung geschlechterspezifischer Eigenheiten, wie z. B. in der Gendermedizin, sinnvoll anzuwenden, wäre meines Erachtens ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung von Genderpolitik. Das Buch ist sehr interessant und sogar spannend geschrieben, so dass das Lesen mir zu keinem Zeitpunkt langweilig oder mühsam wurde. Einige Gedankengänge und daraus folgende Schlüsse des Autors kann man durchaus auch kontrovers sehen, aber das tut dem Buch insgesamt keinen Abbruch, sondern regt auch zum eigenständigen Nachdenken an. Deshalb kann ich das Buch für alle geschlechterpolitisch Interessierten wärmstens empfehlen. Es beleuchtet hochaktuelle Themenbereiche, die in der Diskussion über Gender bislang ignoriert werden, die aber notwendig sind – nicht um Gender zu beseitigen, sondern um von der ideologischen Verblendung einer völligen Gleichmacherei, die ohnehin politisch nur noch opportunistisch vertreten wird, hin zu einem sinnvollen Konzept zu führen, das Unterschiede der Geschlechter akzeptiert und, ohne zu diskriminieren, damit die Grundlage bildet, beiden Geschlechtern gleiche Zukunftsperspektiven zu eröffnen.
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Cambridge und die richtige Interpretation?
Wenn Mädchen bevorzugt auf Gesichter schauen und Buben auf Mobiltelefone und technische Geräte, 🔴Warum sind dann nicht alle Staats-Oberhäupter Frauen und alle ihre Berater-Spezialisten Männer? (Wie bei Maria Theresia z.B)
Tote Dinge “ in Order“ zu halten, ist nicht so gefährlich, wie lebende und dennoch haben wir eine Riege von männlichen Staatspräsidenten die in ingeneur-artigen, zergliederten Excel-Dateien, bluff- artig konstruierten Patriarchaten,…ganze Länder und Wirtschaften korrupt ins Elend führen..,
„Dabei lehnt der Autor das Thema „Gender“ gar nicht pauschal ab. In der Gendermedizin, in der die Unterschiede zwischen den Geschlechtern für eine geschlechterspezifische Medizin betrachtet werden, findet Kutschera dies für sinnvoll und wichtig.“
Das spiegelt doch aber gerade eine Widerlegung und nicht eine partielle Bestätigung des Gender-Dogmas. Medizin ist keine Gesellschafts-, sondern eine Naturwissenschaft, d.h. es geht hier immer um Sex=biologisches Geschlecht und nie um Gender. Und die unterschiedliche medizinische Herangehensweise an die Geschlechter zeigt, daß diese real verschieden und nicht konstruiert sind. Also gibt es gerade KEINE Gender-Medizin, sondern nur geschlechtsspezifische Medizinen bzw. geschlechtsspezifische Unterschiede innerhalb der einen Medizin. Anders: Geschlechterspezifische Medizin und Gendermedizin sind nicht dasselbe, sondern stehen zu einander in Widerspruch.
Der Rezension ist voll zuzustimmen mit der Ergänzung, dass Kutschera zu wenig auf die möglic hen Schädigungspotentiale von Gender Mainstreaming eingeht. Es sollte jedoch deutlich gemacht werden, dass Gender Mainstreaming auch ein wenig ungesund für Frauen, Mütter und Kinder ist.
Zum Beispiel das durch die Gleichmacherei begünstigte Negieren bedeutsamer und dem Mann überlegener weiblicher Eigenschaften mit der Folge, dass häufig der Body nur noch wichtig und die an sich höhere weibliche Depressionsneigung noch gesteigert werden. Vergessen der -bei der gleich nach der Geburt geforderten beruflichen Selbstverwirklichung – für Sprach- und Kognitiventwicklung wichtigen frühkindlichen Mutterbindung (infolge des frühen flüssigkeitsgekoppelten Hörens des Foeten nur der Mutterstimme im Mutterleib) mit der Folge von Sprach-, Lese- und Rechtschreibstörungen durch Fremdbetreuung.
Probleme durch Cortisolausschüttung (gefährliches Stresshormon) und Schlafmangel mit entsprechendem Wachstumshormonmangel von Krippenkindern mit Hippocampusminderung (Lernmaschine des Gehirns).
Erschreckende Zunahme von Depressionen auch bei Kindern und Jugendlichen.
[Belegliteratur „Kinder – Die Gefährdung ihrer normalen (Gehirn-) Entwicklung durch Gender Mainstreaming“ in: „Vergewaltigung der menschlichen Identität. Über die Irrtümer der Gender-Ideologie, 6. Auflage, Verlag Logos Editions, Ansbach, 2015: ISBN 978-3-9814303-9-4 und „Es trifft Frauen und Kinder zuerst – Wie der Genderismus krank machen kann“, Verlag Logos Editions, Ansbach, 2015: ISBN 978-3-945818-01-5