Männer werden bei der Teilzeitjobsuche diskriminiert
Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich wertete rund 450.000 Rekrutierungsanfragen auf der Stellenplattform job-room.ch aus, um die geschlechterspezifischen Chancen auf einen Teilzeitjob zu erforschen. Die Stellenplattform wird von der Schweizer Arbeitsmarktbehörde SECO betrieben. Die NZZ (Registrierung erforderlich) berichtet über das Ergebnis:
Frauen, die Teilzeit arbeiten, erhalten 10% weniger Job-Angebote. Bei den Männern allerdings ist diese „Teilzeit-Strafe“ gar doppelt so groß: Ihre Auswahl an Stellen sinkt um 22%. (…) Wenn eine Frau 90% statt 100% arbeiten will, so sinken ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt um lediglich 2%. Bei einem Mann jedoch hat die gleiche Reduktion des Pensums zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Stellenangebot um 17% abnimmt.
Argovistoday schreibt dazu:
Die Studie zeige, dass die Debatte um Gleichstellung am Arbeitsplatz auch für Männer wichtig sei, so Adrian Wüthrich, Präsident der Gewerkschaft Travail Suisse, gegenüber der «NZZ am Sonntag». Auch bei Stellen, die explizit mit Teilzeit-Option ausgeschrieben seien, werde von Männern ein höheres Pensum erwartet.
Die Aargauer Zeitung ergänzt:
Wenn eine Frau Teilzeit arbeitet, wird dies auf die familiäre Belastung zurückgeführt. Bei einem Mann dagegen wird eher unterstellt, dass er beruflich weniger engagiert ist», wird Studienautor Daniel Kopp zitiert.
Ein Praxisbeispiel aus der Arbeit eines unserer Mitglieder
Im Mai 2018 besuchte ihn ein Pärchen zur Beratung. Beide arbeiteten beim gleichen Arbeitgeber. Sie wollten zur Geburt ihres ersten gemeinsamen Kindes beide ihre Stundenzahl von 8 auf 6 Stunden (40 auf 30 Wochenstunden) reduzieren. Ihr Vorgesetzter sagte, kein Problem. Sein Vorgesetzter sagte, da müssen Sie sich einen neuen Arbeitgeber suchen. Am Ende waren beide unglücklich, weil sie nun das Kind Vollzeit betreut und er Vollzeit arbeitet.
Weitere Studien zur Benachteiligung von Männern auf dem Arbeitsmarkt
Die Studie ergänzt die bisherige Studiensammlung, die wir hier präsentiert haben. So zeigt eine europaweite Studie (Veit, Susanne; Arnu, Hannah; Di Stasio, Valentina; Yemane, Ruta und Coenders, Marcel: The “Big Two” in Hiring Discrimination: Evidence From a Cross-National Field Experiment, o.O. 2021; https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0146167220982900; Abruf 8.4.2021), dass Männer allein aufgrund ihres Geschlechtes seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden. Die Studie ergibt folgende Reihenfolge der Bevorzugung:
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Gruppe |
Bevorzugungschancen |
Frauen mit deutsch klingendem Vornamen |
Sehr hoch |
Frauen mit ausländisch klingendem Vornamen |
Hoch |
Männer mit deutsch klingendem Vornamen |
Gering |
Männer mit ausländisch klingendem Vornamen |
Sehr gering |
Diese Ergebnisse decken sich mit den Ergebnissen der Studie von Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB): “Do hiring practices penalize women and benefit men for having children? Experimental evidence from Germany”, European Sociological Review, Volume 36, Issue 2, April 2020, Pages 250–264, https://doi.org/10.1093/esr/jcz056
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Gruppe |
Einladungen |
Kinderlose Frauen |
22% |
Mütter |
17% |
Kinderlose Männer |
16% |
Väter |
15% |
Väter und ausländische Männer haben also die größten Benachteiligungen, kinderlose Frauen die größten Vorteile. Frauen mit Kindern haben deutlich bessere Chancen als Männer mit Kindern, zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Insgesamt gesehen haben Männer schlechtere Chancen als Frauen zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Auch hier ist der Malus „Mann“ benachteiligender als der „Malus“ Kinder zu haben.
Quelle Beitragsbild: adobestock_207274128_jacob-lund-_200x200.jpg
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