Die Lila Ziegen, Tischlein-deck-dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack

von Manndat

Es war einmal ein Schneider, der hatte drei Söhne. Und noch eine Ziege, eine lila Ziege. Die gab zwar kaum Milch, meckerte aber dafür den ganzen Tag rum und war auch sonst bei allem sehr anspruchsvoll. Normalerweise hätte er das Tier geschlachtet, aber es war gerade „in“, sich möglichst viele lila Ziegen zu halten. So mussten die Söhne abwechselnd das Tier zur Weide führen.

Der älteste Sohn brachte die Ziege zu einer schönen Wiese, auf der viel Gras und leckere Kräuter wuchsen. Doch zu den besonders saftigen Stücken am steilen, kühlen Nordhang ging sie nicht. Sie blieb lieber auf den etwas magereren Stelle, wo es schön sonnig, warm und trocken war. Der älteste Sohn störte sich nicht daran.

„Wenn der Ziege es gefällt, so soll sie ruhig da weiden“, dachte er sich und ließ sie gewähren. Als der Tag zu Ende ging, fragte er die Ziege: „Ziege, bist du satt?“

Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, Ich mag kein Blatt. Meh, meh!“

„So komm’ nun nach Hause“, sprach der älteste Sohn und führte die lila Ziege heim.

„Nun“, fragte der alte Schneider als der Sohn wieder da war, „hat die Ziege genügend Futter bekommen?“

„Natürlich!“, antwortete er. „Sie ist so satt, die mag kein Blatt mehr.“

Der Vater aber wollte sich selbst überzeugen, ging in den Stall, streichelte das Tier und fragte die Ziege: „Bist du auch satt?“

Die Ziege antwortete: „Wovon sollt‘ ich satt sein? Ich bekam 23 Prozent weniger Blättelein als die Böcklein an denselben Weidestellen. Meh, meh.“

„Stimmt das?“, wollte der Vater von seinem Sohn wissen.

„Nein!“, verteidigte er sich. „Es waren nicht dieselben Weidestellen. Sie ist selbst und aus freien Stücken dahin gegangen, wo es trockner, wärmer und gemütlicher war. Jeder weiß doch, dass es da etwas weniger Kräutlein gibt. Gerade als Ziege, die ja das bessere Böcklein ist.“

Da stand die lila Ziege blöd da, hatte aber eine clevere Idee.

„Das stimmt so nicht!“, begann sie ihr Lügengespinnst auszubreiten. „Ich wäre ja gerne auf den saftigen Nordhang gegangen. Doch ich konnt’ nicht springen über die gläsernen Gräbelein.“

„Auf der Weide gibt es doch gar keine Gräbelein“, wunderte sich der Vater.

„Na“, konterte die Ziege, „das ist ja gerade das perverse an diesen gläsernen Gräbelein. Niemand kann sie sehen, sie wurden aber von deinem Sohn aufgebaut. Da bin ich mir ganz sicher. Wie willst du dir sonst erklären, dass auf der feuchten Wiese neben dem Abgrund am lauten Wasserfall fast nur Böcklein sind?“

Da würde der Vater wütend, denn er glaubte der lila Ziege jedes Geschwätz, weil er sie liebte, und so jagte er den ältesten Sohn aus dem Haus.

Am nächsten Tag war der mittlere Sohn an der Reihe. Der rief den Goat-Day aus und trug die Ziege auf den Nordhang. Dahin also, wo das Gras bekanntlich besonders saftig war. Doch da war es auch recht feucht und die lila Ziege meckerte wegen ihrer nassen, schmutzigen Hufe. Außerdem war es ihr am Abhang zu gefährlich und wegen dem Wasserfall viel zu unangenehm. Deshalb ging sie wieder auf den warmen, trockenen Südhang und weidete auf der niedrigeren, nicht so saftigen Wiese. Die Ziege fraß dort bis zum Abend, und als der Sohn sie heimführen wollte, fragte er: „Ziege, bist du satt?“

Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, Ich mag kein Blatt. Meh, meh!“

„So komm’ nun nach Hause“, sprach der mittlere Sohn und führte die lila Ziege heim.

„Nun“, fragte der alte Schneider als der Sohn wieder da war, „hat die Ziege genügend Futter bekommen?“

„Natürlich!“, antwortete er. „Sie ist so satt, die mag kein Blatt mehr.“

Der Vater aber wollte sich selbst überzeugen, ging in den Stall, streichelte das liebe Tier und fragte die Ziege: „Bist du auch satt?“

Die Ziege antwortete: „Wovon sollt‘ ich satt sein? Ich bekam 23 Prozent weniger Blättelein als die Böcklein an denselben Weidestellen. Meh, meh.“

„Stimmt das?“, wollte der Vater von seinem Sohn wissen.

„Nein!“, verteidigte er sich. „Es waren nicht dieselben Weidestellen. Ich hatte sie extra zum Nordhang getragen, dahin, wo es besonders saftiges Gras gibt. Aber sie ist selbst und aus freien Stücken dahin gegangen, wo es trockner, wärmer und gemütlicher war. Jeder weiß doch, dass es das etwas weniger Kräutlein gibt.“

„Dann bist du doch selbst daran schuld, Ziege“, sprach der Vater.

Da stand die lila Ziege blöd da, hatte aber eine clevere Idee.

Sie stellte sich auf die Hinterbeine und sprach entrüstet: „Das darf doch wohl nicht wahr sein! Wie kannst du es wagen, mich verantwortlich zu machen? Immerhin habe ich auf einer gleichwertigen Weide gestanden. Da muss dort auch genauso viel Gras wachsen wie anderswo! Sonst ist das nämlich Diskriminierung.“

Da fragte der Vater nicht weiter nach, denn lila Ziegen waren ja „in“ und jagte den mittleren Sohn aus dem Haus.

Am nächsten Tag war der jüngste Sohn an der Reihe. Der hatte gelernt und wollte es besonders gut machen. Auf Händen trug er die Ziege an den Fuß eines Berges. Nicht zu warm, nicht zu kalt, nicht zu feucht und nicht zu trocken war es da und es wuchsen nicht nur Gras und Wiesen-, sondern auch Bergkräutlein. Dort ließ er sie bis zum Abend weiden und fragte dann: „Ziege, bist du satt?“

Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, Ich mag kein Blatt. Meh, meh!“

„So komm’ nun nach Hause“, sprach der mittlere Sohn und führte die lila Ziege heim.

„Nun“, fragte der alte Schneider als der Sohn wieder da war, „hat die Ziege genügend Futter bekommen?“

„Natürlich!“, antwortete er. „Sie ist so satt, die mag kein Blatt mehr.“

Der Vater aber wollte sich selbst überzeugen, ging in den Stall, streichelte das liebe Tier und fragte die Ziege:“ Bist du auch satt?“

Die Ziege antwortete: „Wovon sollt‘ ich satt sein? Ich bekam 23 Prozent weniger Blättelein als die Böcklein an denselben Weidestellen. Meh, meh.“

„Stimmt das?“, wollte der Vater von seinem Sohn wissen.

„Nein!“, verteidigte er sich der jüngste Sohn. „Sie bekam genauso viel Kräutelein wie die Böcklein  neben ihr!“

Das konnte die lila Ziege nicht leugnen, doch sie hatte eine gute Idee.

„Das mag schon sein“, sprach sie hinterhältig und verschmitzt, „aber wenn man über alle Weiden mittelt, habe ich doch 23 Prozent weniger Kräutelein bekommen. Das liegt natürlich auch daran, dass so wenig Ziegen ganz oben auf dem Berg stehen und die besonders saftigen Bergkräutlein fressen können.“

„Und warum bist du dann nicht hoch gelaufen?“, wollte der Schneider wissen.

„Na, du weißt schon“, flüsterte die Ziege und sah ihn eindringlich an. „Das ist wegen der gläsernen Gräbelein.“

Der Vater hatte sich schon so an die Lügen der lila Ziege gewöhnt, dass er sich gar nicht mehr wunderte, geschweige denn einen Beleg dafür forderte.

„Du ziegenfeindliches, diskriminierendes Miststück! Verlasse mein Haus!“, verjagte der Schneider auch seinen jüngsten Sohn.

Der Vater war nun allein mit seiner Ziege. Am nächsten Morgen ging er in den Stall, streichelte die Ziege und sprach: „Komm’, mein liebes Ziegelein, ich will dich selbst zur Weide führen, damit du endlich einmal satt wirst.“

Er trug die Ziege jedoch nicht etwa einfach zur Weide. Erst ließ er sie auf der saftigen Wiese am Wasserfall fressen, wobei er ihr Brettchen unter die Hufe stellte, auf dass sie weder nass noch schmutzig würden. Danach trug er sie den Berg hinauf. Da er sich aber feuchte Füße geholt hatte, quietschte es bei jedem Schritt ‚Quotsch, quotsch’. Besonders deutlich immer dann, wenn er mit dem Fuß ein Böcklein zu Seite trat, das sich mühsam nach oben gekämpft hatte. Auf dem Gipfel angekommen, ließ er die Ziege weiden. Abends fragte er sie: „Ziege, bist du satt?“

Die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, Ich mag kein Blatt. Meh, meh!“

Dann brachte er sie wieder in den Stall. Doch bevor er wegging, drehte er sich noch einmal um und sagte: „Nun bist du endlich einmal satt!“

Doch da hatte er sich geirrt.

„Wovon sollt’ ich satt sein? Ich kam nicht über gläserne Gräbelein, stieß an gläserne Decken und Wändelein und wurde ganz oben am Fressen gehindert durch böse Böcklein!“, meckerte die Ziege.

Da erkannte der Schneider, was für ein verlogenes Tier die Ziege war. Weil aber die Märchen auch nicht mehr das sind, was sie einmal waren, wurde sie dafür nicht etwa angemessen bestraft und ihre Lügen als das bezeichnet, was sie sind. Stattdessen schloss sich der Schneider mit anderen Männern zusammen, die auch auf lila Ziegen herein gefallen waren, gründete ein Bündnis der lila Ziegenzüchter und mühten sich nach Kräften, die Lügen zu verheimlichen. Dazu drehten und wendeten sie die Sachen so lange, bis stets die Böcklein die alleinige Schuld trugen und lobten die ganz tollen, lila Ziegen über den grünen Klee, die ja alles besser könnten, aber es leider, leider nicht zeigen können, weil sie ja so furchtbar diskriminiert werden. Und um das zu verändern, nahm man sich schon die kleinen Böcklein vor… Und die lila Ziegen feuerten sie dabei an.

Man sagte den Böcklein, dass sie nur gute Böcklein seien, wenn sie die Bergkräutelein pflücken und den lila Ziegen vors Maul legen würden – lebenslang, versteht sich – und nach einer Gegenleistung zu fragen, sei böse. Oder aber wenn sie ihnen den Weg frei machten, sofern sie die Bergkräuter selber zupfen wollten. Oder die saftigen, feuchten Wiesen teilweise trocken legen, damit das Gras weiter gut sprießt, die Ziegen aber keine nassen Beine bekamen. Und auf jeden Fall sollten sie lernen, den lila Ziegen die Hufe zu putzen, denn darauf hätten sie ein Recht.

Das war toll, also zumindest für die lila Ziegen, und so vermehrten sie sich auf wundersame Weise, zumal das permanente Gemecker über ihr nach wie vor und immer noch und schon Jahrtausende währendes Leid so viel Echo fand und ihnen das Leben immer weiter erleichterte. Ohne dass sie auch die lästigen Pflichten übernehmen mussten, denn niemand getraute sich mehr, sie zu melken oder auch nur nach irgendeiner Leistung zu fragen.

Davon merkten die drei verstoßenen Brüder nichts. Sie gingen in einem fernen Land in die Lehre, arbeiteten anschließend fleißig und bekamen zum Abschied noch ein besonderes Geschenk für ihre Dienste.

Der älteste Sohn kam als erster der drei zurück, ein Tischlein-deck-dich unterm Arm. Überrascht bemerkte er, dass das ganze Land von unerträglichem Gemecker erfüllt war und es schon Streit zwischen den zahlreichen lila Ziegen um die besten Happen gab. Freudig wurde er begrüßt und der Lilaziegenzüchterverein wollte ihn gleich zum Dienst an der guten Sache einteilen. Als das Bündnis aber bemerkte, was der alte Holztisch alles konnte, wuchsen die Begehrlichkeiten.

Der älteste Sohn musste nun von früh bis abends „Tischklein-deck-dich“ rufen und zusehen, dass der Tisch genauso schnell abgeräumt wurde, wie er sich füllte. Damit das auch schnell genug klappte, wurden alle zur Verteilung herangezogen. Und weil die lila Ziegen zwar überall Zutritt haben wollten, das den Böcklein aber nicht zugestanden, stellten sie an allen möglichen und unmöglichen Stellen „Nur für lila Ziegen“-Schilder auf.

Und wehe dem, der sich erdreistete, das zu kritisieren! Diese Leute versuchte man schnell als böse, rückwärtsgewandte und lilaziegenkritische Mistböcke in den braunen Sumpf zu verbannen.

Tja, was sollen wir euch sagen: Es wurden noch mehr lila Ziegen, die wenig erschufen, aber dafür umso mehr konsumieren wollten. Selbst das arme Tischlein-deck-dich, das den ganzen Tag hart arbeitete, konnte das nicht mehr befriedigen.

Da traf es sich gut, dass der mittlere Sohn heim kam. Er wunderte sich auch über die Verhältnisse, sagte aber selbst dann nichts, als seinem armen Goldesel ein dickes, fettes Rohr in den – na, wir wissen alle wohin – gerammt wurde. Daran schloss der inzwischen überall vertretene, institutionalisierte Lilaziegenzüchterverein ein weitverzweigtes Fördernetz an, um die ganzen, nur für lila Ziegen gedachten Wiesen zu bewässern. Der mittlere Sohn murrte zwar, bewegte aber den Schwanz des Esels von morgens bis abends auf und ab, damit genügend Gold gefördert wurde.

Die lila Ziegenherden vergrößerten sich immer weiter und wenn kein Platz mehr war, wurde einfach ein neuer geschaffen, natürlich nur für lila Ziegen. Und damit man das auch begründen konnte und sich niemand an die früheren Zustände mit den schwarzen und den weißen Ziegen erinnert fühlte, wurden viele zusätzliche Plätze im akademischen Bereich geschaffen, die das alles ganz genau „erforschten“ und erklärten und alles für ganz gerecht befanden. Natürlich von lila Ziegen, mit lila Ziegen, für lila Ziegen. Und weil diese „Forschung“ zur Schaffung weiterer neuer, noch leerer Plätze für die lila Ziegen diente, hießen die auch Zie-genderlehrstühle.

Endlich kam der jüngste der drei Brüder heim. Gierig schnüffelten die lila Ziegen an dem Sack und fragten sich, was da wohl Tolles für sie drin sei. Doch der jüngste Bruder hielt ihn fest zu und sah sich um. Er konnte es kaum glauben und fragte sich, warum sich seine Brüder so behandeln ließen, ohne aufzubegehren.

„Zu Rechten gehören auch Pflichten“, sagte er und bemerkte den verständnislosen Blick der lila Ziegen. Also versuchte er es anders:

„Gleiche Rechte für alle, auch für die Böcklein!“

Da krümmten sich die lila Ziegen vor Lachen. Allerdings nicht lange, denn der jüngste Bruder rief jetzt:
„Knüppel aus dem Sack!“

Der Knüppel fuhr hervor, sah sich um und zerschlug das Rohr, das dem armen Goldesel aus dem, na wir wissen schon was, herausragte. Die Förderquellen hörten auf zu sprudeln, der mittlere Bruder und sein Esel konnten sich ausruhen und ein großes und besonders lautes Wehklagen der lila Ziegen erschall. Man könne doch nicht die Quellen nach Kassenlage betreiben, wenn es um die Förderung der armen lila Ziegen gehe. Doch das störte den Knüppel nicht. Er vertrieb das faule Gesindel vom Tischlein-deck-dich und ließ zukünftig alle ran, die auch etwas Produktives beitrugen – gleichgültig, ob Böcklein oder Zicklein.

Tja, was sollen wir euch sagen: Die Zahl der lila Ziegen nahm ruck-zuck ganz rapide ab und, anstatt zu jammern, nutzten sie jetzt die seit Jahrzehnten vorhandenen Möglichkeiten, um sich ihre Chancen ehrlich zu erschließen.

Und wenn sie nicht gestorben sind, warten die meisten Männern heute noch auf einen magischen Knüppel aus dem Sack, anstatt selbst aktiv zu werden.

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