Gender Mainstreaming – Ziel verfehlt

von Manndat

Gender Mainstreaming bedeutet seinem Anspruch nach, die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Männern und Frauen bei allen gesellschaftlichen und politischen Vorhaben gleichberechtigt zu berücksichtigen. Das Problematische daran ist, dass man diesem Anspruch auch nach Einführung des Gender Mainstreaming als für die Bundespolitik maßgebende Richtlinie im Jahr 1999 nicht nachkommt. Die politischen Massnahmen und Gesetzesvorhaben zeichnen sich weiterhin durch eine starke, rein frauenpolitische Orientierung im Stil der achtziger Jahre aus. Deshalb ist es an der Zeit, die Akteure der Gleichberechtigungspolitik an ihren selbstgesteckten Anspruch zu erinnern und die Umsetzung einzufordern.

Im Zusammenhang mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau haben in den letzten Jahren die Begriffe Gender Studies und Gender Mainstreaming den Diskurs geprägt. Diese werden oft missverstanden oder miteinander verwechselt. Bei Gender Mainstreaming handelt es sich um einen Politikansatz, der beinhaltet, bei allen Vorgehensweisen, Massnahmen und Gesetzen regelhaft die Lebenssituationen und die Interessen beider Geschlechter zu berücksichtigen, um auf diese Weise mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern zu erreichen.

Bereits mit dem Amsterdamer Vertrag von 1999 sowie mit der Verabschiedung des Vertrags von Lissabon 2008 hat man sich auf EU-Ebene dem Gender Mainstreaming verpflichtet. Die rot-grüne Bundesregierung Schröder-Fischer hat mit Kabinettsbeschluss vom 26. Juli 2000 Gender Mainstreaming für die Bundesebene verpflichtend gemacht, indem sie die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) dahingehend novellierte. Die nachfolgenden Bundesregierungen rührten daran nicht mehr. Auch einzelne Bundesgesetze, beispielsweise das Sozialgesetzbuch bezüglich der Kinder- und Jugendhilfe, enthalten ähnliche Regelungen.

Aus männerpolitischer Sicht ist nicht, wie vielfach irrtümlich vorgebracht, der Ansatz des Gender Mainstreaming an sich als problematisch zu bewerten. Vielmehr bietet er die Chance die systematische Berücksichtigung der Lebenslagen auch dieser Hälfte der Bevölkerung in der Politik zu verankern. Der Haken an der bisherigen Praxis des Gender Mainstreaming ist vielmehr seine einseitige Umsetzung. Nach wie vor stellt sich die Geschlechterpolitik als nahezu reine Frauenpolitik im Stil der achtziger Jahre dar, während die Belange von Jungen und Männern systematisch vernachlässigt werden.

Dabei gibt es zahlreiche Lebensbereiche, in denen Männer schlechter gestellt sind. Dazu gehören vor allem Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung, Bildungssituation von Jungen, Gesundheit und Lebenserwartung, Obdachlosigkeit sowie die Rechtsprechung bei Scheidung und Sorgerecht. Eine ausführliche Analyse dazu liefert der Jungen- und Männer-Genderindex 2012 von MANNdat .

Die Nichtbeachtung des Gender Mainstreaming-Grundsatzes trifft paradoxerweise schon auf die Gleichstellungsgesetze zu. Sie ermöglichen ausschließlich Frauenförderpläne, sofern der Frauenanteil in einem Bereich unter 50 % liegt. Unterrepräsentanz von Frauen gilt per se als zu beseitigender Missstand. Es gibt keine entsprechende Regelung in Bezug auf Männer. So kann der Frauenanteil bis zu 100 % betragen, ohne dass dies zum Gegenstand einer gleichstellungspolitischen Betrachtung oder gar zu ergreifender Maßnahmen wird. Sinkt der Frauenanteil jedoch unter 50 % und, so muss man hinzufügen, stellt der betreffende Bereich ein attraktives Feld dar, ist die Gleichstellungsmaschinerie zum Eingreifen legitimiert.

Besagte Frauenförderpläne sind letztendlich zwecks Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eingeführt worden. Wie man ausgehend von dieser Zielsetzung statt zu Eltern- zu Frauen- und noch nicht einmal zu Mütterförderung kommt, diese Frage hat sich offenbar noch keiner der zur regelhaften Berücksichtigung der Lebenslagen beider Geschlechter sich selbst Verpflichteten gestellt. So ist es bislang rechtlich zulässig, eine kinderlose Frau einem mehrfachen, aktiv erziehenden Vater bei der Stellenbesetzung vorzuziehen. Ebenfalls nicht hinterfragt ist, wie das traditionelle Rollenmodell durch Förderpläne verändert werden soll – eine Zielsetzung nach der allenthalben großes Verlangen bekundet wird -, wenn Familie und Beruf allein in Bezug auf Mütter betrachtet werden.

Ferner mangelt es nach wie vor an einer eigenständigen Jungen- und Männerpolitik auf sowohl personeller als auch finanzieller Augenhöhe mit der seit Jahren institutionell etablierten Mädchen- und Frauenpolitik. So ist es auch nicht verwunderlich, dass bei Wikipedia [1] unter „Frauenministerium“ (oder Gleichstellungsministerium) das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend genannt wird. Nicht zu übersehen ist hier das Fehlen von „Männer“, die nach wie vor leider nicht nur im Namen keine Berücksichtigung finden. Zwar sah der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag 2011 die Etablierung einer eigenständigen Jungen- und Männerpolitik auf Bundesebene vor. Es ist aber selbst in der Zeit dieser Bundesregierung davon kaum etwas zu vernehmen gewesen, so auch in der Zeit danach.

Vollkommen zu recht formuliert das GenderKompetenzZentrum der in Sachen Gleichstellungskritik eher unkritischen Humboldt-Universität Berlin unmissverständlich: „Es kann auch sachgerecht sein, Maßnahmen zur Förderung von Männern zu ergreifen, wenn dies dem Ziel Gleichstellung dienlich ist“.

Die Ursache für das Verfehlen des mit dem Gender Mainstreaming gesteckten Anspruchs ist zunächst in der starken Prägung der Gender Studies in Deutschland durch die Sozialwissenschaften zu suchen. Es fehlt hierzulande die Berücksichtigung der Erkenntnisse von Anthropologie, Ethnologie und Biologie bei der Deutung der Geschlechterverhältnisse. So bleiben beispielsweise die Ergebnisse der Hirnforschung, denen zufolge sich die Gehirne von Frauen und Männern wesentlich unterscheiden, unberücksichtigt. Die unterschiedlichen Präferenzen der Geschlechter beispielsweise bei der Berufswahl können so nur zwangsläufig als gesellschaftlich konstruiert und eine Betrachtung beider biologischer Geschlechter somit als überflüssig erscheinen. Die weitgehende Unwirksamkeit der Politikmaßnahmen zur Umorientierung von männlichen und weiblichen Jugendlichen wird dementsprechend zwar registriert. Jedoch kann die Ursachenforschung, warum die gesteckten Ziele nicht erreicht werden, nicht adäquat betrieben werden. Stattdessen wird über neuere und intensivere Umlenkungsmaßnahmen nachgedacht.

Bezeichnend ist auch das Zahlenverhältnis der Lehrstühle für Frauen- und Männerforschung. Im Rahmen der Gender Studies existieren in Deutschland etwa 200 Lehrstühle für Frauenforschung, aber nur zwei für Männerforschung. Dies ist ein frappierendes Missverhältnis, geben die Protagonisten der Gender Studies doch vor, beide Geschlechter erforschen zu wollen.

Das Amt der Gleichstellungsbeauftragten ist durch entsprechende Regelungen in den Gleichstellungsgesetzen von Bund, Ländern und den meisten Kommunen ausschließlich für Frauen reserviert und nur von Frauen wählbar. Gleichstellungsbeauftragte nehmen innerhalb des öffentlichen Dienstes die Funktion eines Personalrats, vergleichbar Betriebsrat, speziell für Frauen wahr. In Kommunalverwaltungen sind sie häufig auch für entsprechende Anliegen der Bürger zuständig und werden im politischen Prozess bestimmt. In der praktischen Ausgestaltung ihrer Tätigkeit sind sie jedoch darüber hinaus häufig auch Akteurinnen der Geschlechterpolitik. Sie bilden machtvolle, steuerfinanzierte Netzwerke im teils politischen, teils gewerkschaftlichen Raum, die die Programmformulierung der politischen Parteien mitprägen und die Umsetzung von Politik begleiten. Solange dieses Amt allein Frauen vorbehalten ist, wird sich an der strukturellen Schieflage der Geschlechterpolitik in Deutschland nur schwer etwas ändern können. Im Sinne einer Orientierung am Gender Mainstreaming muss deshalb Männern sowohl das passive als auch das aktive Wahlrecht zur Wahl des oder der Gleichstellungsbeauftragten eingeräumt werden.

Denn, dass die Frauen–Gleichstellungsbeauftragen kein Interesse an einer neutralen Geschlechterpolitik haben, zeigen ihre Reaktionen auf die Novelle zum Bundesgleichstellungsgesetz. Dort ist in Paragraph acht nun vorgesehen, zukünftig auch Männer bei Einstellung und Aufstieg bevorzugt zu berücksichtigen , wenn diese unterrepräsentiert sind. Die Frauenbeauftragte des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend selbst kritisiert die Möglichkeit, in bestimmten Konstellationen auch Männer fördern zu müssen, ausdrücklich. Weitere 150 Gleichstellungsbeauftragte der verschiedenen Bundesbehörden schlossen sich ihr an. Es scheint diesen Gleichstellungsbeauftragten gar nicht aufzufallen, dass ihr daraus sichtbares Verständnis von Gleichberechtigung sie für diese Tätigkeit disqualifiziert.

Innovativ sind die Vertreter der antiquierten einseitigen Geschlechterpolitik hingegen, wenn es darum geht, die negativen Folgen ihres Tuns zu kaschieren. So haben sie den Euphemismus „positive Diskriminierung“ in den Sprachgebrauch eingeführt. Dies soll nichts anderes bedeuten, als eine Benachteiligung oder Diskriminierung als moralisch gut zu bewerten, wenn sie der Zielerreichung dient. Machiavellistisch: Der Zweck heiligt die Mittel. Man greift also sehenden Auges zu real diskriminierenden Maßnahmen um vermeintlicher Diskriminierung zu wehren. Dieser Doppeldenk wäre in Orwells „1984“ gut aufgehoben gewesen.

Hiergegen kann letzten Endes nur eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft mit folgenden Forderungen helfen:

  • Von den ca. 200 Lehrstühlen für Frauenforschung ist eine hinreichende Zahl in Lehrstühle für Männerforschung umzuwidmen, sodass ausgewogene Forschung und Lehre in den Gender Studies möglich wird.
  • Eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik ist zu entwickeln und zu institutionalisieren. Dabei sind die aktuellen Mittel für die Gleichstellungspolitik gemäß dem Grundsatz des Gender Budgeting Ansatzes gleichberechtigt auf die Jungen- und Männerprojekte aufzuteilen.
  • Die diskriminierungsfreie Novellierung der Gleichstellungsgesetze des Bundes, der Länder und anderer Körperschaften muss erfolgen. Männer sind mit dem aktiven und passiven Wahlrecht bei der Wahl des Gleichstellungsbeauftragten auszustatten.
  • Im Sinne der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind Frauen- durch Familienförderpläne zu ersetzen. Einzelne Förderungsmaßnahmen sind ggf. geschlechtsneutral zu fassen.

MANNdat


[1] Abruf vom 11.09.2014

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