Interview mit Prof. Michael Klein von mens-mental-health.de

von Manndat

Als Klinischer Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut, Männerexperte in Psychotherapie und psychologischer Forscher zu Männerfragen beleuchtet Prof. Dr. Klein zum einen aus objektiver wissenschaftlicher Perspektive den Mann und seine Rollenmöglichkeiten, spricht aber zugleich auch aus seiner eigenen Erfahrung und möchte Themen wie „toxische Männlichkeit“ oder die Ablehnung des bisher in der deutschen Sprache verwendeten generischen Maskulinums im Rahmen der sog. „Gendersprache“ aus einem anderen Licht beleuchten und kritisch hinterfragen. Er vertritt dabei konsequent Positionen der humanistischen und positiven Psychologie.

MANNdat: Herr Prof. Klein, was möchten Sie mit Ihrer Homepage mens-mental-health.de erreichen?

Prof. Klein: Die Website „mens-mental-health.de“ (MMH) soll Männer ansprechen, damit sie in ihrer psychischen Gesundheit gestärkt werden oder bei Problemen Hilfe und Unterstützung erfahren. Viele Männer ziehen sich bei seelischen Problemen zurück, verschließen und isolieren sich. Es ist wichtig deutlich zu machen, dass in diesen Situationen ein Recht auf Unterstützung besteht und dass vielfältige Möglichkeiten gibt.

Was sind Ihre Angebote und wie kann man diese in Anspruch nehmen?

Das Hauptangebot besteht in Texten zum Lesen und zum Reflektieren eigener Erfahrungen und Sichtweisen. Einmal gibt es ausführlichere Hintergrundtexte zu Männerthemen, wie etwa Gesundheit, Sexualität, Partnerschaft, Kinder, Familie usw. Dazu werden Texte zu aktuellen Themen, wie etwa Männerdepression, toxische Männlichkeit, Gendersprache, Geschlechtergerechtigkeit, gepostet. Insgesamt arbeite ich mit einem akzeptierenden, empathischen Ansatz. Männer haben ein Recht darauf, verstanden und akzeptiert zu werden und dass sie nicht aufgrund ihres Geschlechts vorverurteilt werden, wie dies heutzutage in Gesellschaft und Medien oft geschieht. Ratsuchende Männer können sich auch an mich oder andere Kollegen wenden. Als erfahrener Psychotherapeut und Forscher biete ich auch Coaching, Beratung und Therapie an.

Warum finden Sie das Thema „Psychische Gesundheit von Männern“ so wichtig?

Das Thema der psychischen Gesundheit von Männern ist zum einen so wichtig, weil Männer heutzutage oft verunglimpft oder lächerlich gemacht werden. Es herrscht in der Gesellschaft kaum Verständnis für seelische Probleme – wie etwa Depression, Suizidalität, Traumatisierung oder Sucht – bei Männern. Während es viele spezialisierte Beratungs- und Hilfeangebote für Frauen in Notsituationen gibt, ist es für Männer ganz anders. Wenn sie sich vielleicht endlich entschließen, Hilfe anzunehmen, beginnt oft noch ein langwieriger „Hürdenlauf zur Hilfe“. Es gibt immer weniger männliche Psychotherapeuten und Berater. Und oft verfügen Psychotherapeuten – egal welchen Geschlechts – über zu wenig männerspezifisches Wissen. Das, was aus der Sicht des Genderismus propagiert wird, ist nicht das, was Männer wirklich brauchen. Damit Männer psychische Gesundheit und Wohlbefinden erreichen, müssen sie auch als Männer mit all ihren Problemen, Konflikten und Nöten ebenso wie mit ihren Leistungen Ressourcen angesprochen werden.

Was hebt Ihre Internetpräsenz von anderen, die sich auch mit Männergesundheit beschäftigen, hervor?

MMH betont die besondere Bedeutung der psychischen Gesundheit von Männern und deren frühzeitige Förderung. Und was ganz wichtig ist: Auf meiner Website werden Männer als solche grundsätzlich nicht negativ gesehen und verunglimpft, wie das heute so oft geschieht. Mir ist ein empathischer, mitfühlender Ansatz ganz wichtig, wenn es um schwierige Lebenslagen von Männern geht: Trennung, Verlust des Zugangs zu den Kindern, Einsamkeit, Überforderung, Hyperstress, Depression, Substanzkonsumprobleme und überhaupt Suchtprobleme.

Worin liegen nach Ihrer Einschätzung die Hauptgründe für die hohe Selbstmordrate von Männern gegenüber Frauen?

Die hohe Suizidquote bei Männern – dreimal so hoch wie bei Frauen – geht auf eine Vielzahl von Gründen zurück. Dazu gehören sich die Tabuisierung des Themas „Depression“ und „Hilfebedarf“, speziell bei Männern, der hohe Alltagsstress, den viele Männer heute zwischen Beruf, Partnerschaft und Familie erleben, aber oft auch der Rückzug in sich selbst, die Abkapselung gegenüber anderen und die Einsamkeit, die so entsteht. Wichtig ist, dass Männer mit Suizidgedanken früher erreicht und adäquat – das heißt ohne Moralisierungen und Schuldzuweisungen – angesprochen werden.

Der Männergesundheitsbericht der Bundesregierung vor einigen Jahren hat aufgezeigt, dass im Bereich psychischer Gesundheit bei Männern viel getan werden müsste. Welche konkreten Vorschläge würden Sie einem Politiker machen, wenn er sie fragen würde, wie die Politik Männergesundheit in diesem Bereich unterstützen und voranbringen könnte?

Männergesundheit muss genauso wie Frauengesundheit priorisiert werden. Nur dann entsteht wirklich Gendergerechtigkeit. Dies bedeutet, dass sowohl in der Forschung als auch in der Versorgung mehr männerspezifische Angebote vorgehalten werden müssen, denen es auch gelingt, Männer adäquat – und nicht mit einem negativen Unterton – anzusprechen. Einerseits müssen männertypische Erkrankungen (Prostatakrebs, Herzinfarkte, aber auch Männerdepression, Suizide, Sucht) besser und intensiver erforscht werden, um bessere Therapien zu entwickeln, andererseits müssen Jungen und Männer frühzeitig und umfassend für Gesundheits- und Krankheitsthemen sensibilisiert werden.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in Politik und Gesellschaft selten auch als Männerproblem wahrgenommen. Männer übernehmen immer mehr auch Hausarbeit und Erziehung, gleichzeitig wird ihr berufliches Engagement mit einer Vielzahl von Überstunden als normal vorausgesetzt. Welche Auswirkungen hat diese zunehmende Doppelbelastung auf die psychische Gesundheit von Vätern?

Diese zunehmende Doppelbelastung von Männern, die in der Öffentlichkeit noch kaum anerkannt oder auch nur gesehen wird, erzeugt zunehmend Probleme in Bezug auf Stress und psychische Gesundheit. Erschwerend kommt hinzu, dass Männer meist noch aus einer Vollzeitbeschäftigung, weil sie die Haupternährer der Familie sind oder einfach sein müssen, heraus immer mehr Zusatzaufgaben erledigen. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass Männer sich mehr in Partnerschaft und Familie engagieren, die Vereinbarkeit all dieser Aufgaben und Pflichten muss jedoch endlich als Problem anerkannt und gelöst werden. Die Gefahren des Dauerstresses liegen vor allem in psychosomatischen Erkrankungen (Herz-Kreislauf, wo Männer ohnehin schon ein höheres Risiko aufweisen), Depressionen und stressreduzierendem Substanzkonsum.

Auf welche Symptome sollten Männer achten, die darauf hindeuten könnten, dass speziell ein Burnout vorliegt?

Ein entstehendes Burnout-Syndrom hat viele Warnzeichen. Vor allem sollte man auf starke Erschöpfung, Antriebslosigkeit, negative Gedanken, Sinnlosigkeitsgefühle und zunehmenden Substanzkonsum achten. In der Frühphase ist ein Burnout noch gut zu behandeln. Stressreduktion, gesunde Ernährung und Bewegung, aber vor allem positive Gedanken und ein ausgeglichener Lebensstil mit viel Selbstfürsorge sind wichtig.

Jungen wird in der Schule und Gesellschaft heute mittelbar, teilweise sogar unmittelbar vermittelt, dass sie das schlechtere Geschlecht sind, und dass man so, wie sind, gar nicht haben möchte. Welche Auswirkungen haben solche Negativbotschaften für die Jungen?

Die Negativierung des Männlichen als Ganzem ist ein gefährlicher und schädlicher Trend, vor allem für die nachwachsende Generation. Jungen weisen heute schon schlechtere Entwicklungsverläufe in Schule und Gesellschaft auf. Alle könnten es aus den internationalen und nationalen Daten wissen, aber so gut wie niemand tut bislang etwas dagegen. Wir als Psychologen sprechen schon seit Jahren von der „Boy Crisis“, um auf diese Entwicklung hinzuweisen, die mit schlechteren Schulleistungen, mehr antisozialem Verhalten, mehr Substanz- und Verhaltenssüchten einhergeht, hinzuweisen. Die Verunglimpfung und Vergiftung des Männlichen in der Gesellschaft und in den Medien unterstützt diese riskante Entwicklung. Alleine schon der Begriff der „toxischen Männlichkeit“, die immer wieder für Jungen und Männer als solche verwendet wird, hinterlässt eine Spur der mentalen und emotionalen Verwüstung in der Psyche von Jungen.

Welche generellen Vorschläge können Sie Eltern machen, um ihre Jungen vor psychischen Erkrankungen möglichst zu schützen?

Eltern wollen in der Regel das Beste für ihre Kinder. Das ist eine Folge der emotionalen Bindung aus der frühen Kindheit. Auch wenn sich Jungen als „schwierig“ in ihrer Entwicklung zeigen, sollten Eltern unbedingt immer wieder Nähe und Beziehung anbieten und ihren Jungen zeigen und sie spüren lassen, dass sie sie lieben. Dies ist zunehmend auch eine Aufgabe für Stiefväter. Noch mehr müssen die Rechte und Möglichkeiten getrennt lebender Väter gestärkt werden, damit es nicht zu elterlicher Entfremdung („parental alienation syndrome“) kommt. Durch die ungewollte, oft subtile Entfremdung eines Vaters von seinen Kindern entstehen massive Schäden für Kinder und Väter. Dadurch wird es immer schwerer, Jungen stark zu machen, was das Gebot der Stunde wäre.

Vielen Dank Herr Prof. Klein für dieses Interview und die Vorstellung Ihrer Seite für Männer. Es zeigt, dass Depression bei Männern ein sehr wichtiges Thema ist. Wer sich mit Männeranliegen beschäftigen will, kommt an diesem Thema nicht vorbei. Für unsere Leser weisen wir deshalb hier schon darauf hin, dass Herr Prof. Klein für uns einen Gastartikel ausgearbeitet hat, der verschiedene Aspekte zur Depression bei Männern beleuchtet. Freuen Sie sich auf diesen hoch informativen Beitrag, den wir in Kürze auf unserer Homepage veröffentlichen.

Stellungnahme von MANNdat bezüglich unserer Interviewpartner

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