Barley und das Märchen vom Gesetzeskonflikt zur Jungenbeschneidung

von Manndat

Bild: Fotolia_200067912, Urheber: Emre
Große Schmerzen für die Kleinen: durch die Beschneidung ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit für Jungen nach wie vor eingeschränkt

„Das Gesetz ändert sich, das Gewissen nicht.“ (Sophie Scholl)

Am 12.12.2012 hat der Bundestag einen Gesetzentwurf zur Beschneidung von Jungen verabschiedet. Demnach darf Jungen und männlichen Babys, unabhängig ob religiös oder nicht religiös motiviert, selbst von medizinischen Laien, ohne medizinische Notwendigkeit, ohne zwingende Schmerzfreiheit, völlig legal ein gesundes Organ irreversibel entfernt werden.

Politik gegen Gleichstellung bei den Grundrechten

Die neue Justizministerin Katarina Barley (SPD), die sich selbst als „Universalwaffe“ der SPD sieht, hat vor kurzem in der „Zeit“ die Legalisierung von Körperverletzung an Jungen durch Beschneidung gerechtfertigt. Dabei spielt sie zum einen Mädchenbeschneidungsopfer und Jungenbeschneidungsopfer gegeneinander aus, weil die Beschneidungsrituale unterschiedlich seien und unterschiedliche Auswirkungen hätten. Eine äußerst fragwürdige Begründung für eine Justizministerin, denn Art. 2 des GG ist diesbezüglich eindeutig, wenn es das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit eines jeden Menschen, auch Jungen, ausdrücklich festschreibt. Es differenziert hier nicht nach der Schwere von Körperverletzung. Unabhängig davon, dass der Eingriff durch Beschneidung bei Jungen, der sehr wohl auch zu irreversiblen gesundheitlichen Schäden, ja sogar bis zum Tod führen kann, verharmlost wird, wäre auch ein „bisschen“ Körperverletzung ebenso verboten wie schwere Körperverletzung.

Es ist die übliche Doppelmoral der Gleichstellungspolitik. Was soll man noch über die Glaubwürdigkeit einer Geschlechterpolitik sagen, die uns tagtäglich von der Gleichheit von Mann und Frau und erzählt und gleichzeitig aber Beschneidung von Mädchen rigoros verbietet und Beschneidung von Jungen auch ohne medizinische Notwendigkeit ausdrücklich legalisiert, weil Körperverletzung bei Mädchen und Körperverletzung bei Jungen ja zwei unterschiedliche Dinge seien?

Der erfundene Gewissenskonflikt

Zum anderen rechtfertigt die Justizministerin die Ungleichbehandlung von Jungen und Mädchen mit der Religionsfreiheit. Es ist ein typisches Klischee der politisch Verantwortlichen aus den Tagen, als sie sich so schnell und bereitwillig für die Legalisierung von Jungen durch Beschneidung entschlossen haben.

Das damals von ihnen und den Medien bereitwillig verbreitete Klischee des hart mit seinem Gewissen kämpfenden Bundestagsabgeordneten, der sich zwischen dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und dem Grundrecht auf Religionsfreiheit entscheiden muss, schmeichelt den Abgeordneten natürlich. Allein, einen solchen Kampf gab es nicht. Das zeigt schon die Eile, mit der die Abgeordneten Jungen ihre Grundrechte entzogen. Lediglich ein gutes halbes Jahr benötigten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, um ein Gesetz in die Wege zu leiten, das Jungen ihre Grundrechte aus Art. 1, 2 und 3 im doppelten Sinn wesentlich beschneidet.

Weiterhin kann es einen solchen Gewissenskampf zwischen dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und dem Grundrecht auf Religionsfreiheit auf Basis des Grundgesetzes auch gar nicht geben. Warum ist das so?

In Art. 2 GG ist das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit eines jeden Menschen, auch Jungen, ausdrücklich festgeschrieben. Zwar wird in Art. 4 GG tatsächlich auch die Unverletzlichkeit der Freiheit des Glaubens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses festgeschrieben. Aber letzteren sind im GG auch ausdrücklich Grenzen gesetzt und zwar durch die sogenannten „Kirchenartikel“ des Art 140 mit den Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichverfassung – WRV). Durch den Verweis sind die Kirchenartikel vollgültiges Verfassungsrecht. Soweit darin Rechte gewährt werden, handelt es sich um Rechte mit Verfassungsrang. Und in Artikel 136 dieser Zusatzartikel der WRV heißt es:

Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.

Das bedeutet, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 GG durch die Religionsfreiheit nicht beschränkt werden darf.

Der Münchner Staatsrechtler Hans-Jürgen Papier, der von 2002 bis 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts war, stellt klar, dass zwar selbst ein Grundrecht ohne Gesetzesvorbehalt nicht sakrosankt sei; allerdings nur – und das ist die Besonderheit bei der Religionsfreiheit –, wenn ein anderes Schutzgut dagegen steht, das ebenfalls Verfassungsrang hat.

Justizministerin läuft stellvertretend für die Politik vor ihrer Verantwortung davon

Die Antwort Barleys auf die Frage “Bei Jungen deckt für Sie die Religionsfreiheit den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit?” ist dabei sinnbildlich, wie die politisch Verantwortlichen vor ihrer Verantwortung davon laufen. Barley antwortet nämlich:

„So haben es Gerichte und der Gesetzgeber entschieden.“

Nein, so haben die Gerichte gerade NICHT entschieden. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Ein Urteil des Landgerichtes Köln vom 7. Mai 2012 hat nämlich die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen ausdrücklich für strafbar erklärt.

Recht hat sie mit der Aussage, dass der Gesetzgeber so entschieden hat. Es waren nämlich die Bundestagsabgeordneten, die daraufhin im Eilverfahren im Bundestag ein Gesetz durchgepeitscht haben, das die Grundrechte von Jungen in Deutschland wesentlich einschränkt, weil ihnen das, was das Gericht entschieden hat, nicht passte. Die Rechtfertigung dafür bleibt die Politik den Menschen, insbesondere den Jungen, bis heute schuldig.

Der Großteil der Parteien befürwortet Körperverletzung an Jungen

Wir sind der Auffassung, dass Erwachsene, außer aus medizinischer Notwendigkeit, an den Genitalien von Kindern – egal ob Mädchen oder Junge – nichts zu suchen haben. Die Bundestagsabgeordneten waren anderer Ansicht. Hier nochmals die Einstellung der verschiedenen Parteien zur Legalisierung von Körperverletzung an Jungen durch Beschneidung.

Der jeweils zu 100 % fehlende Abgeordnetenanteil ergibt sich durch zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht anwesende Parlamentarier. Ungültige Stimmen gab es keine.

Insgesamt waren 70 % der Abgeordneten für die Legalisierung von Körperverletzung an Jungen durch Beschneidung.

Das Gesetz trat mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 28.12.2012 in Kraft.

Zum ersten Mal seit Ende der Naziterrorherrschaft wurde in Deutschland damit ein Gesetz erlassen, das Körperverletzung an einer bestimmten Gruppe von Menschen – hier Jungen und männliche Babys – ohne medizinische Notwendigkeit ausdrücklich erlaubt.

Laut einer Umfrage von Mogis aus 2012 lehnen 70 % der Menschen in Deutschland das Beschneidungsgesetz ab. Gerade einmal 24 % sind dafür.

In einer gemeinsamen Pressemeldung fünf Jahre nach dem Beschneidungsgesetz 2017 kritisieren

  • DAKJ – Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V.
  • BVKJ – Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.
  • DGKCH – Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie e.V.
  • DGKJ – Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.
  • DGSPJ – Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V.
  • Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) e.V. – Sektion Kinder- und Jugendpsychosomatik
  • (I)NTACT – Internationale Aktion gegen die Beschneidung von Mädchen und Frauen e.V.
  • MOGiS e.V. – Eine Stimme für Betroffene
  • TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e.V.

den „Rechtsfrieden“ zu Lasten von Kinder- und Menschenrechten.

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Lesermeinungen

  1. By STOPcircumcision

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  2. By Mario

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    • By Dr. Bruno Köhler

    • By Cees

  3. By Anti-Beschnider

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  4. By wolf

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  9. By HansG

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