Behinderte Männer dürfen gegenüber Frauen benachteiligt werden
Wir wurden auf einen sehr interessanten Fall hingewiesen, der zwar schon neun Jahre zurückliegt, aber zeigt, wie subtil heute Benachteiligungen von Männern gegenüber Frauen gerechtfertigt werden, auch wenn sie behindert sind.
Der Fall
Ein gehbehinderter Krankenpfleger einer Klinik hatte einen Parkplatz in einem der Klinik gehörenden Parkhaus angemietet. Der Fußweg vom Parkplatz zum Krankenhaus war rund 500 Meter lang. 2011 wurde der Mann einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Der Mann wollte deshalb einen anderen Parkplatz in einem zweiten Parkhaus, das der Klinik gehört. Dort hätte er nur 20 bis 50 Meter zur Klinik.
Die Vergabe der Parkplätze erfolgte u. a. auch Frauen privilegierend nach der Reihenfolge
- Dienstbeginn vor 6:30 Uhr bzw. Dienstende nach 20:00 Uhr
- Frauen vor Männer
- Beschäftigungsdauer
- Alter
Der Mann sah in dem Kriterium „Frauen vor Männer“ eine Diskriminierung von Männern ohne sachlichen Grund, insbesondere, da entsprechende Härtefälle für Männer nicht vorgesehen sind. Der Arbeitgeber und der Betriebsrat sahen die Benachteiligung des schwerbehinderten Mannes dagegen als gerechtfertigt an. Deshalb hatte der Mann Klage beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingelegt, mit der Begründung, dass das Vergabekriterium „Frauen vor Männer“ gegen Art. 3 GG, also den Gleichbehandlungsgrundsatz, verstoße.
Frauen sind schützenswerter
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen (Az.: 1 Ca 184/11). Der Kläger legte Berufung ein. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Klage am 29.9.2011 erneut abgewiesen (Az: 10 Sa 314/11). Die Benachteiligung des schwerbehinderten Mannes sei sachlich gerechtfertigt, da Frauen häufiger Opfer von gewaltsamen (sexuellen) Übergriffen seien, weswegen sie schützenswürdiger seien, so die Begründung des Landesarbeitsgerichtes.
Gericht ignoriert, dass Männer häufiger Opfer von Gewalt sind
Diese Begründung ist raffiniert, denn ein Blick in die „Polizeiliche Kriminalstatistik 2010 Bundesrepublik Deutschland“ des BKA, die dem Gericht 2011 vorlag, zeigt, dass Männer auch 2010 deutlich häufiger Opfer von Gewalt wurden als Frauen. Das hat das Gericht verschwiegen. Die meisten Opfer bei Raub (Ausnahme: Handtaschenraub), Tötungsdelikten, Körperverletzung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit waren männlich. Lediglich in einer der fünf Straftatengruppen, nämlich bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, waren die Opfer häufiger weiblich. Dieses Kriterium „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ machen 2 % der Straftaten aus. In den anderen 98 % der Straftatengruppen sind Männer häufiger Opfer von Straftaten. Das Gericht hat nun die 2 % der Straftaten herausgepickt, in denen Frauen häufiger Opfer von Gewalt sind, und die restlichen 98 % der Straftatsgruppen ignoriert, um die Benachteiligung des behinderten Mannes gegenüber Frauen zu rechtfertigen.
Gewaltopfer 2010, Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2010, S. 67
Fazit
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt auf dem Papier nicht nur Frauen vor der Benachteiligung gegenüber Männern, sondern auch Männer gegenüber der Benachteiligung der Frauen. Laut § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung aber zulässig, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt („positive Diskriminierung“). Die Praxis zeigt aber, dass auch grundsätzlich eine generelle Benachteiligung von Frauen vorausgesetzt wird, auch wenn die Zahlen das Umgekehrte belegen.
Im vorliegenden Fall wurde der sachliche Grund für die Benachteiligung des schwerbehinderten Mannes dadurch geschaffen, dass man gezielt die 2 % der Staftatengruppen aus der polizeilichen Kriminalstatistik herausgepickt hat, bei denen Frauen die häufigeren Opfer stellen. Die Tatsache, dass Männer insgesamt deutlich häufiger Opfer von Gewalt sind, wurde ignoriert.
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Lesermeinungen
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Das Arbeitsgericht und das LAG gehen möglicherweise von der These aus, dass Frauen grundsätzlich schwächer und damit schützenswerter sind als Männer. Hienzu kommt, und das würde ich als richtig vermuten, dass Frauen tatsächlich häufiger sexueller Gewalt ausgesetzt sind.
Das ist aber in diesem Zusammenhang keine sachgerechte Grundlage für eine Entscheidung.
Vielmehr hätten die Gerichte prüfen müssen, ob Frauen oder -behinderte- Männer auf dem Weg von einem Parkplatz zur Arbeitsstätte häufiger einer Gewalttat jeglicher Art ausgesetzt sind.
Gerichtsurteile müssen den jeweiligen Einzelfall ausreichend würdigen. Das ist in diesem Urteil möglicherweise unterblieben.
Es kommt natürlich auf die Argumentation des Anwaltes an. Deswegen wäre das vollständige Urteil interessant, da dort auf die Argumentation Klägers eingegangen wird.
Nicht nur.
Zusätzlich hätte man nach menschlichem Ermessen prüfen müssen, ob ein behinderter Mann nicht tatsächlich in besonderem Maße schutzbedürftig (wohlgemerkt nicht …wert) ist, weil er aufgrund seiner psychischen oder physischen Eigenschaften nicht zu einer adäquaten Gegenwehr in der Lage ist.
Das ist offensichtlich ebenfalls unterblieben, wenn das Urteil inklusive Begründung hier richtig wiedergegeben worden ist.
Ich würde dagegen in Berufung gehen.
Das ist kein demokratischer Rechtsstaat mehr, das ist ein Witz. Und dann noch dieses zynische Plakat, „St. Martin hätte eine Maske getragen“, und dem behinderten Krankenpfleger dem Frauenparkplatz verwehrt, könnte man hinzufügen. Es sind grade die Ärmsten und die Schwächsten, die unter dem Corona- Faschismus am meisten zu leiden haben, darunter wohl mehrheitlich Männer (Obdachlose), aber auch nicht wenige Frauen und vor allen Kinder. Trotzdem scheinen Genderklos immer noch viel wichtiger zu sein. Das mit dem Krankenpfleger war erst der Anfang. Ich habe grade in den Podcast zu dem Buch, „Das gespaltene Land“ von Hrn. Maaz reingehört. Und er hat recht, die Geschichte wiederholt sich, oder reimt sich zumindest ziemlich. Wir stehen grade vor einem Corona- Ermächtigungsgesetz. Und sie sind wieder massenhaft da, die erbärmlichen Opportunisten, Mitläufer und Denunzianten und laufen den schwarz-, rot-, grün- lackierten Neo- Faschisten hinterher. Aber ist es nicht süss, wie sie freudig mit dem Schwanz wedeln wenn es ein Leckerchen gibt? Und das offenbar unfähige, dilettantische, nicht besonders intelligente, magna cum laude Quoten- Prinzesschen Giffey wird wohl im Gegensatz zu Gutenberg ihren Job behalten. Ätschibätsch! Und jetzt wo der böse, fiese und gemeine Trump weg ist, kann es ja nur ein Happy End geben. Oder? Darauf einen Dujardin. (Satire). PS: Und die Moral von der Geschicht‘, werd‘ besser Krankenpfleger nicht.
1/2
Deshalb, und da wiederhole ich mich auch gerne noch einmal, schrieb ich „unter Umständen“. Das bedeutet, dass Frauen oder Kinder eben nicht per se schutzbedürftiger als Männer sind, es aber durchaus eben in der Realität doch manchmal – vielleicht sogar häufig – sind.
Bspw. sind Männer in körperlichen Auseinandersetzungen gegenüber den meisten Frauen zumindest physisch überlegen und bedürften (Konjunktiv) keines besonderen Schutzes, wären da nicht soziale (sexistische) Normen, nach denen Mann keine Frauen schlägt, noch nicht mal Gegenwehr legitim erscheint und Männern selbst in der Situation dann keine (dann sogar notwendige) Hilfe angeboten wird.
Eben weil Kinder und insbesondere Frauen in nahezu allen Gesellschaften als schützenswerter erachtet werden.
Dass es auch Ausnahmen gibt, in denen Männer schutzbedürftiger sind, weil die Realität sie physisch oder soziale Normen sie dazu machen, stelle ich mit meiner Aussage ja gar nicht in Frage.
„Ich gehe zwar damit konform, das Frauen und insbesondere Kinder unter Umständen besonders schutzbedürftig sind, daraus kann und darf man aber keine Wertigkeit ableiten.“
Das sehe ich nicht so. Wenn Olga, die ukrainestämmige Ex-Kugelstoßerin mit der tiefen Stimme immer und immer wieder ihrem Lebensgefährten, dem untersetzten dicken Horst mit der Fettleber, einen Leberhaken verpasst, dann ist die für mich eben nicht besonders schutzbedürftig. Sondern Horst.
Schutzbedürftigkeit darf sich nicht einfach durch Geschlecht definieren, sondern muss sich an der Realität orientieren. Und da sind ein 90-Jähriger oder ein 8-jähriger Junge eindeutig bedürftiger als eine junge Frau, die vom Workout im Gym nach Hause fährt.
2/2
Nehmen wir die Titanic, so dürften Männer rein physisch gesehen Frauen und Kindern beim Überlebenskampf durch eine bessere Konstitution und höhere Muskelmasse im Durchschnitt überlegen sein.
Natürlich würde ich hier niemals verlangen, dass nur Kinder und Frauen (zuerst) in die Rettungsboote dürfen, weil wohl für alle der Zeitrahmen für eine rechtzeitige Rettung zu groß wäre. Keiner hätte eine Überlebenschance ohne Rettungsboot.
Freiwillig dürfte aber selbstverständlich jeder Mann auf einen Platz im Boot verzichten.
Die Zeichenbeschränkung nervt mal wieder rum!
1469 Zeichen (inklusive Leerzeichen) und trotzdem kommt wieder mal die Fehlermeldung, die Grenze von 1500 Zeichen wäre überschritten.
Genau hier haben wir den Punkt, den ich immer gerne kritisiere, wenn von „schützenswert“ die Rede ist. Hier wurde der Begriff hoffentlich nicht nur als Floskel, sondern absichtlich benutzt. Er zeigt nämlich deutlich, wie Menschen auf- und abgewertet werden.
Ich gehe zwar damit konform, das Frauen und insbesondere Kinder unter Umständen besonders schutzbedürftig sind, daraus kann und darf man aber keine Wertigkeit ableiten.
Dass man dies ganz offensichtlich in allen Gesellschaften doch tut, hat dann wohl auch zum Massaker von Srebrenica geführt, bei dem nur Frauen und Kinder evakuiert worden waren.
https://alternativlos-aquarium.blogspot.com/2018/06/gender-empathy-gap-day.html
Hallo Mario,
unter welchen Umständen siehst du Männer als weniger schutzbedürftig?
Es gibt sicherlich einige Situationen, insbesondere bei körperlichen Angriffen, wo sich Männer durchaus gegenüber einer Frau behaupten könnten. Ich glaube, ich hatte auch schon mal die youtube-Videos von einem Blog gepostet, wo Männer sich auch mit körperlicher Gewalt gegen schlägernde Frauen zur Wehr gesetzt haben. Die Links habe ich leider nicht mehr.
Natürlich mussten und haben diese Männer das gesellschaftliche Tabu gebrochen, sich handgreiflich gegen eine Frau zu wehren. Eidgentlich sind Männer hier nach unseren gesellschaftlichen Maßstäben sogar schutzbedürftiger, weil jegliche Verteidigungsform ja mittlerweile praktisch als Frauenhass diffamiert wird und selbst absolut legitime Verteidigung Männern nicht mehr zugestanden wird.
Hier ist es aber nicht die Eigenschaft als Mann, sondern die gesellschaftliche Norm, die Männer zu wehrlosen Opfern macht.
>Es gibt sicherlich einige Situationen, insbesondere bei körperlichen Angriffen, wo sich Männer durchaus gegenüber einer Frau behaupten könnten.
…Ein schmächtiger Mann wird sich gegenüber einem Täter oder gar einer Tätergruppe auch nicht mehr wehren können als eine schmächtige Frau. Umgekehrt kann eine Frau mit Kampfsportausbildung sich eher einem Täter erwehren als ein Mann ohne solche. Deshalb, denke ich, ist es sicher nicht gerechtfertigt, pauschal Männer weniger Schutzbedürftigkeit zuzuweisen, wenngleich dies gesellschaftlich – und politisch sowieso – so gesehen wird.
Ich frage mich, wo man bei der Formulierung „unter Umständen“ eine Pauschalisierung feststellen möchte.
Ja, es gibt auch Männer, die selbst einer durchschnittlich körperlich entwickelten Frau nicht gewachsen sind.
Davon rede ich aber nicht. kopfschüttel*
Männer mit Opfer-Abo finde ich genau so lächerlich wie Frauen mit Opfer-Abo. Also vielleicht meinen Beitrag einfach noch mal mit Verstand lesen und nachdenken.
Und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, auch die Formulierung „schutzbedürftig“ habe ich nicht gewählt, damit man „schützenswert“ versteht. *
Hallo Mario,
>Ja, es gibt auch Männer, die selbst einer durchschnittlich körperlich entwickelten Frau nicht gewachsen sind.
Davon rede ich aber nicht. kopfschüttel*
…Ich rede nicht von dir. Du bist nicht die Richterin gewesen. Sie hat Männer offenbar als weniger schützenswert gehalten, obwohl sie häufiger Opfer von Gewalt werden, denn sonst hätte sie Männer nicht als weniger schützbedürftig gehalten. Denn wenn sie Männer zumindest als gleich schutzwürdig gehalten hätte, hätte sie ihnen bei höheren Gewaltopferzahlen nicht weniger Schutzbedürftigkeit zugestanden.
Aber danke, dass du auf unsere Gender Empathy Gap-Seite https://genderempathygap.de/ hinweist.