Die Rolle rückwärts zur Männerwehrpflicht – 1

von Manndat
Die Rolle rückwärts zur Männerwehrpflicht – 1

In einem Interview mit MDR AKTUELL äußert Dr. Kathrin Groh die Auffassung, dass Frauen aus der Wehrpflicht herausgehalten werden sollten. Die Diskussion über den Eingriff in die Freiheit junger Männer und die Rückkehr zu traditionelleren Männerrollen wirkt befremdlich und zeigt ein unzeitgemäßes Verständnis von Gleichheit und Pflichtdienst, das dringend hinterfragt werden sollte.

Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. (Bundespräsident Roman Herzog)

 

In einem aufschlussreichen Interview mit Elisabeth Winkler vom MDR AKTUELL äußert die Militärrechtsexpertin Dr. Kathrin Groh, dass Frauen aus der Wehrpflicht komplett herausgehalten werden sollten. Diese Ansicht steht im Zentrum der seit Jahrzehnten einseitig frauenfokussierten Debatte über Geschlechterrollen und Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft. Grohs Argumentation spiegelt deshalb ein Phänomen wider, das nicht nur militärische Zwangsdienste betrifft, sondern auch tiefere Fragen über die gesellschaftlichen Werte und Normen aufwirft.

Die Position, Männer zu verpflichten, während Frauen von dieser Pflicht befreit bleiben, ist mehr als nur eine Diskussion über Wehrdienst; sie berührt das fundamentale Verständnis von Gleichheit und Gerechtigkeit. Jahrzehntelang wurden uns Konzepte wie Gleichberechtigung und der Abbau traditioneller, gewaltgeprägter Rollenbilder vermittelt. Doch nun sehen wir, wie sich diese Prinzipien in der Praxis verflüchtigen, wenn es darum geht, unsere Söhne für Zwangsdienste vorzubereiten. Die implizite Botschaft, dass „Männer müssen, Frauen dürfen“, wird ausgegeben als geschlechtergerecht, doch in Wirklichkeit ist dies als Rückschritt zu betrachten.

Ein weiterer kritischer Aspekt dieser Thematik ist die Verbindung zur Wiederaufbaupolitik nach dem Ukrainekrieg. Während Männer auch zwangsrekrutiert verheizt werden, sitzen Frauenpolitikerinnen in komfortablen Konferenzen und erarbeiten Strategien zur frauenspezifischen Förderung im Rahmen des Wiederaufbaus. Diese Trennung zwischen den Geschlechtern – wo Männer aktiv kämpfen und sterben, während Frauen in Sicherheitszonen agieren – legt ein ungleiches Machtverhältnis offen, das sowohl in der Militär- als auch in der Außenpolitik spürbar wird.

Es ist wichtig, diese Argumente und die damit verbundenen gesellschaftlichen Implikationen kritisch zu hinterfragen. Die Vorstellung, dass Männer als die natürlichen Kämpfer und Frauen als die schützenswerten Opfer angesehen werden, trägt zur Aufrechterhaltung von überholten Geschlechterstereotypen bei.

In den kommenden Jahren ist zu befürchten, dass solche Argumente immer wieder vorgebracht werden und als Rechtfertigung für eine selektive Wehrpflicht dienen. Eine wirklich geschlechtergerechte Diskussion über die Wehrpflicht – eine, die sowohl Männer als auch Frauen in ihrer Vielfalt und ihren einzigartigen Herausforderungen berücksichtigt – bleibt aus.

Was bedeutet Wehrpflicht?

Im Grundgesetz ist in Artikel 12a nur ein militärischer Zwangsdienst ausschließlich für Männer festgeschrieben. Nimmt ein Mann für sich das Gleiche in Anspruch, was einer Frau zusteht, nämlich weder Wehr- noch Ersatzdienst zu leisten („Totalverweigerer“) wird er und nur er, aber nicht sie nach §16 Wehrgesetz mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Allein der Versuch ist schon strafbar. Männer werden also, nur weil sie als Männer geboren wurden, kriminalisiert, wenn sie das Gleiche tun, was Frauen zusteht. Diese Regelung stellt eine grundlegende Ungerechtigkeit dar.

In dem Interview von Frau Winkler und Frau Dr. Groh wird der Eindruck erweckt, dass der Männerzwangsdienst ein harmloses Abenteuer für Männer sei. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich eine besorgniserregende Rückkehr zu traditionellen Geschlechterrollen: Der Mann als Krieger, dessen primäre Aufgabe es ist, Regierung, Europa und das Vaterland unter Einsatz seines Lebens zu verteidigen. Was Krieg für Männer bedeutet, wird vielleicht durch den Trailer zur Neuverfilmung des Antikriegsromans von Erich Maria Remarque deutlich:

https://www.youtube.com/watch?v=plwN4RB5yOE

Diese gesellschaftliche Erwartung, gepaart mit dem Zwang zum Militärdienst, wirft nicht nur ethische Fragen auf, sondern auch solche des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit und persönliche Freiheit.

Mit der Wehrpflicht werden Männern die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG), der freien Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 GG), der Gleichberechtigung (Art. 3 GG) und des Schutzes vor Arbeitszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) gegen den Willen der Männer wesentlich eingeschränkt oder ganz aberkannt, wobei die mögliche Todesfolge oder Verstümmelung im Ernstfall billigend in Kauf genommen wird. Und sie schränkt auch wesentlich das Grundrecht auf Würde aus Artikel 1 des GG ein. Denn Männer werden verpflichtet, sich auf Befehl „von oben“ verstümmeln, verbrennen, erschlagen, erstochen, zerfetzen, verbrennen, zerquetschen oder ersäufen zu lassen. Das hat auch nichts mehr mit der Würde zu tun, wie sie in Art 1 des GG formuliert ist.

Im Rahmen des Männerwehrdienstes werden Männer gezwungen, Fertigkeiten zu erlernen, die darauf abzielen, Gewalt gegen andere zu verüben – Männer, die in ähnlicher Weise sozialisiert und zwangsrekrutiert wurden. Es ist alarmierend, dass diese Praktiken im 21. Jahrhundert wieder Männern aufgezwungen werden, während die Versprechen von Gleichheit und Gleichberechtigung seitens des Staates immer mehr in den Hintergrund rücken.

Aktuelle geopolitische Entwicklungen

Im Kontext der sich verändernden sicherheitspolitischen Lage wird die Diskussion um die Wehrpflicht zunehmend dringlicher. Das strategische Konzept der NATO von 2022 hat Russland als „direkte Bedrohung“ identifiziert. Um auf diese Bedrohung adäquat reagieren zu können, sieht das Konzept eine Truppenstärke von bis zu 500.000 Mann vor. Deutschland soll hierbei einen Beitrag leisten, indem es 30.000 Soldaten sowie 85 Schiffe und Flugzeuge bereitstellt – in den ersten dreißig Tagen nach Einsatzbeginn.

Der neue Bundeskanzler Merz (CDU) hat darüber hinausgehend das klare Ziel formuliert, die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas zu machen. Damit stellt sich jedoch die Frage, wie dieses Ziel erreicht werden kann, insbesondere im Hinblick auf die Rekrutierung von ausreichend Personal. Bundesverteidigungsminister Pistorius (SPD) hat bereits eingestanden, dass es fraglich sei, ob dies allein durch freiwillige Rekrutierung möglich ist. Diese Bedenken sind nicht unbegründet, denn die Bundeswehr hat Schwierigkeiten, ihre Sollstärke zu erreichen.

Wird Deutschland in der Lage sein, seine militärische Stärke auszubauen und gleichzeitig Gerechtigkeit in Bezug auf den Zwangsdienst zu gewährleisten?

Geschlechterpolitik und ihre Ausreden: Ein kritischer Blick auf den Männerzwangsdienst

Die Idee, dass Männer und Frauen, gleichwertige Rollen im Militär übernehmen, wird oft hervorgehoben. Auf den Webseiten der Bundeswehr wird betont, dass Frauen inzwischen Kampfflugzeuge fliegen und Panzer fahren. So heißt es dort zu weiblichen Soldaten:

Sie fliegen Kampfflugzeuge und Hubschrauber. Sie springen aus Flugzeugen und fahren Panzer. Sie kommandieren Kriegsschiffe und Kampfkompanien: Frauen sind bei der Bundeswehr nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile sind Soldatinnen in fast jedem Bereich der ehemaligen Männerdomäne angekommen.

Frauen erhöhen mit ihren Erfahrungen und Fertigkeiten die Qualität des Dienstes, denn Studien zeigen: Gemischte Teams sind immer die besten und leistungsstärksten“, schreibt Eva Högl, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, in ihrem Jahresbericht 2023.

Diese Fortschritte mögen gut und wichtig sein. Doch gleichzeitig bleibt die anhaltende Wehrpflicht für Männer fortwährend bestehen, während Frauen durch politische Lippenbekenntnisse in eine eher symbolische Rolle gedrängt werden. Diese Diskrepanz bleibt unbemerkt, besonders in Zeiten, in dem „Menschenmaterial“ wieder vermehrt für die „Kriegstüchtigkeit“ des Staates rekrutiert werden sollen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Bundeswehr nur dann ihre volle Wirkung entfalten kann, wenn sie über einen deutlich größeren Anteil von Frauen verfügt. Nur so werden Blickwinkel und Fähigkeiten aus der gesamten Gesellschaft in die Bundeswehr aufgenommen und integriert“, erklärte Bundesverteidigungsminister Pistorius auf der Konferenz zum 20-jährigen Bestehen der „Women in International Security Deutschland e.V. eingetragener Verein“ am 16. November 2023. Den logischen Schritt zur Gleichverpflichtung will er und die Politik insgesamt aber nicht machen.

Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, hat den Mangel an weiblichen Angehörigen bei der Bundeswehr kritisiert, doch gleichzeitig bietet eine Wehrpflicht für Männer keinen Raum für eine Erhöhung des Frauenanteils. Die Verantwortung und die Herausforderungen des Militärs scheinen nach wie vor als „Männersache“ betrachtet zu werden, wenn es ernst wird. Diese Sichtweise manifestiert sich in der praktischen Realität und untergräbt das Streben nach Geschlechtergerechtigkeit und Gleichheit in einer modernen Gesellschaft.

Mit unserer Analyse der Argumentation von Frau Dr. Groh und Frau Winkler, die den Pflichtbeitrag für die angestrebte „Kriegstüchtigkeit“ wieder ausschließlich Männern zuweisen, wird deutlich, wie tief verwurzelt die Geschlechterstereotypisierung in gesellschaftlichen Strukturen ist und sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiver Geschlechterpolitik nicht verflüchtigt, sondern offenbar verfestigt haben. Der Widerspruch zwischen den Ansprüchen auf Gleichheit und dem Umgang mit männlichen Wehrdienstleistenden ist eklatant und wirft grundlegende Fragen zur Geschlechterpolitik auf. Wenn der Staat ernsthaft für Gleichheit eintreten möchte, muss er den Zwangsdienst für Männer überdenken.

In Anbetracht der historischen und kulturellen Kontexte, die den Umgang mit Geschlechterrollen geprägt haben, ist es unverzichtbar, diesen Diskurs zu erweitern und zu fordern, dass sowohl Männer als auch Frauen gleichermaßen von den Funktionen und Pflichten eines Staates profitieren, ohne dass eine Seite durch Zwang und Einschränkungen benachteiligt wird.

Im zweiten Teil gehen wir auf das konkrete Interview von Frau Winkler vom MDR mit Bundeswehrprofessorin Frau Dr. Groh ein.

Quelle Beitragsbild: AdobeStock_791323251

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