„Nur 5-10 Prozent der Opfer sind Männer“

von Manndat

Aussagen wie diese beziehen sich in der Regel auf das sogenannte „Hellfeld“, sprich die Zahlen aus der offiziellen Kriminalitätsstatistik. Sie können als überaltert gelten, denn inzwischen liegt auch im Hellfeld der Anteil betroffener Männer meistens bei deutlich über 10%, mit weiter steigender Tendenz. Das Dunkelfeld, also der Anteil der polizeilich nicht bekannt gewordenen Fälle, lässt sich nur durch intensive persönliche Befragungen einigermaßen ermitteln. Berücksichtigt man dieses Dunkelfeld, kann von überwiegend männlicher Täterschaft bei häuslicher Gewalt keine Rede mehr sein.

Für die Diskrepanz zwischen Hell- und Dunkelfeld gibt es verschiedene Gründe. Frauen sind als Opfer gesellschaftlich akzeptiert. Für einen Mann, der von seiner Frau geschlagen wird, gilt das hingegen nicht. Er schämt sich, Opfer von Frauengewalt zu sein,  schweigt und leidet weiter.
Woran das liegt, erläuterte der Mainzer Kriminologe Prof. Michael Bock im Jahr 2002 in einem Interview mit der Zeitschrift „Bild der Frau“: das größte Problem für betroffene Männer sei, „dass sie keine Worte haben, die ihre Opfererfahrungen mitteilbar machen. Bei Freunden, sozialen Einrichtungen und Behörden finden sie kein Gehör. Männliche Opfer von Frauengewalt glauben oft, mit ihnen sei etwas nicht in Ordnung und sie seien selbst schuld. Es gibt Selbsthilfegruppen und Therapeuten. Betroffene Männer sollten den Mut aufbringen, zu sprechen.“

Auf die Frage, warum es den Männern so schwer falle, die Gewaltbeziehung zu beenden, antwortete Bock: „Männer sind oft emotional stark abhängig von ihren Partnerinnen. Sie können sich als Mann gegen die Partnerin genauso wenig wehren wie als Junge gegen die Mutter. Sie kommen viel schlechter allein zurecht, weshalb sie bei einer Trennung viel häufiger zu trinken anfangen oder sich umbringen. Aber immer wieder muss man daran denken: Niemand glaubt diesen Männern, sie werden ausgelacht.“

Oft glauben Polizisten, Richter und Sozialarbeiter Männern außerdem nicht, dass sie von ihren Frauen geschlagen werden. Viele Polizisten sehen offensichtlich auch dann keine Notwendigkeit zum Eingreifen, wenn der Täter eine Frau war. Dies ergab z.B. eine Auswertung von Steffen/Polz zu Polizeinotrufen in Bayern. Darin heißt es, „daß die Beamten ganz offensichtlich Schwierigkeiten damit haben, Frauen für die Täter eines Streits zu halten: Unter den 580 Einsätzen mit ‚nicht-eindeutiger’ Täter-Opfer-Zuordnung sind 28 % der ‚Täter’ weiblich.“ Es wird demnach seitens der Polizisten des öfteren eher gar kein Tatverdächtiger ermittelt, bevor man sich traut, eine Frau zu beschuldigen. (Steffen, Wiebke, Siegfried Polz (1991): Familienstreitigkeiten und Polizei. Befunde und Vorschläge zur polizeilichen Reaktion auf Konflikte im sozialen Nahraum; München 1991)

So kommt es auch, dass die Polizisten der Frau auch dann Glauben schenken, wenn diese ihre vermeintliche Misshandlung bloß inszeniert hat. Ein gesellschaftliches Klima, das sich über männliche Opfer lustig macht („Nudelholzwitze“), tut sein Übriges. Folge: einer Untersuchung zufolge  riefen 8,5 Prozent der misshandelten Frauen, aber nur 0,9 Prozent der misshandelten Männer die Polizei.

Wie falsch die Aussage ist, nur 5 bis 10 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt seien Männer, sollen folgende Beispiele zeigen:

  • In Niedersachsen waren im Jahr 2007 immerhin 21,67 Prozent aller von häuslicher Gewalt Betroffener männlich, wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ unter Berufung auf Landes-Innenminister Busemann am 17. Februar 2009 meldete.
  • Die Kantonspolizei St. Gallen verzeichnete für das erste Halbjahr 2008 einen Anteil männlicher Betroffener bei Delikten häuslicher Gewalt von 42 Prozent.

Bei all dem sollte außerdem nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Gefährdung durch Gewalt insgesamt für Männer weit höher liegt als für Frauen. Laut BKA-Kriminalstatistik 2007 sind 72,5 Prozent aller Opfer von Gewaltkriminalität männlichen Geschlechts.

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Bildquelle: (c) S. Hofschläger/www.pixelio.de

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