Männer sind keine Schweine

von Sandra Hermann (Gastbeiträge)

Ein Gastbeitrag von Sandra Hermann für MANNdat
Sandra Hermann hat sich in ihrer Bachelor-Arbeit mit Stereotypen in Bezug auf Männer befasst. Sie stellt dar, welche Stereotypen existieren und wie sie die Lebenslagen von Männern beeinträchtigen. Hier finden Sie den Download der Bachelor-Arbeit als PDF. Lesen Sie auch Sandra Hermanns Artikel Germanwings: Ein neuer Umgang mit psychischen Störungen ist vonnöten statt kruder Thesen.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

haben Sie sich schon einmal gefragt, ob sie eher einem Mann oder eher einer Frau unvoreingenommen gegenüber treten können? Trauen sie Gutmütigkeit und Fürsorge eher einer Frau oder eher einem Mann zu? Sind Aggressionen und Wut eher männliche oder eher weibliche Eigenschaften? Und wie kommen Sie zu Ihrem Urteil?

Wir sehen die Dinge meistens nicht so wie sie sind, sondern beurteilen – zumeist unbewusst – Dinge und Personen aufgrund von Erfahrungen, Erziehung, sozialer und kultureller Normen, Wert- und Moralvorstellungen. Medien und Trends tun ihr Übriges, um unsere Sicht der Dinge in die ein oder andere Richtung zu lenken.

Individuen werden vorab nicht als solche beurteilt, sondern unbewusst wird alles und jeder vorab in ein grobes Schema eingeteilt und subjektiv bewertet: groß/klein, schön/hässlich, hell/dunkel, gut/schlecht, Mann/Frau.

Diese Vorabeinteilung (Stereotypisierung) beeinflusst wesentlich unsere Einstellung gegenüber bestimmten Dingen, Gruppen oder Menschen und bestimmt unser weiteres Denken, unser Verhalten und unsere Gefühle. Das kann zu Vorurteilen, Ungerechtigkeit, mangelnder Empathie und mangelnder Hilfsbereitschaft bis hin zu Provokationen und Aggressionen führen.

Kaum jemand wird bezweifeln, dass Vorurteile und Stereotype sich negativ auf das Handeln und Denken auswirken und Benachteiligungen nach sich ziehen können. Anhand von Frauen und Mitgliedern marginalisierter Gruppen (z.B. Homosexuelle, ethnische oder kulturelle Minderheiten etc.) wurden negative Auswirkungen von Stereotypen und Vorurteilen bereits ausgiebig wissenschaftlich untersucht. So wurde z.B. festgestellt, dass sich das Stereotyp „Frauen sind schlecht in Mathematik“ tatsächlich auf die gezeigten Leistungen von Frauen im mathematischen Bereich negativ auswirkten, obwohl vorher grundsätzlich keine Leistungsunterschiede zwischen Männern und Frauen in mathematischen Leistungen zu finden waren. Denn Stereotype werden in das Selbstbild übernommen, dienen als Vorlage und als Rechtfertigung für bestimmtes Verhalten und können sich wie „selbsterfüllende Prophezeiungen“ auf Denken, Handeln und Gefühle auswirken.

Für die Gruppe der Männer wurden in der Wissenschaft die Folgen von Vorurteilen und Benachteiligungen kaum oder nur unzureichend untersucht – schon diese Tatsache ist meines Erachtens eine Auswirkung von Stereotypen: Da Männer als mächtig, privilegiert und erfolgreich gelten, stark und hart im Nehmen sind und ihre Probleme selbst lösen, wurde bisher übersehen oder vergessen, sich auch der Probleme, Nöte und psychischen Verfassungen von Männern zu widmen?

In meiner Studienabschlussarbeit habe ich nachgewiesen, wie Stereotype nicht nur auf benachteiligte Gruppen, sondern auch auf Männer – als dominant geltende gesellschaftliche Gruppe – negative Auswirkungen haben. Anhand von wissenschaftlichen psychologischen Erkenntnissen wird belegt, zu welchen negativen Folgen Geschlechtsstereotype in Bezug auf Männer führen. Dies hat sich aufgrund der recht spärlichen Forschungslage als schwieriger als erwartet herausgestellt.

Hierbei stellte sich heraus, dass sich für Männer, allein aufgrund Ihrer Geschlechts-zugehörigkeit, in vielen Bereichen enorme Benachteiligungen ergeben. So werden Männer beispielsweise häufiger und schneller bestraft, Sozialleistungen werden schneller gekürzt, Empathie und Unterstützung für Männer in Notlagen bleiben versagt.

Aus Statistiken und Studien geht seit Jahren hervor, dass weltweit die Mehrheit aller Opfer von Gewalttaten Männer sind. Es gibt unzählige Beratungs- und Anlaufstellen speziell für weibliche Opfer – nicht jedoch für männliche. Es konnte wissenschaftlich belegt werden, dass ein geschlagener, verletzter, vergewaltigter Mann genauso – wenn nicht sogar noch mehr – unter den Folgen einer Gewalttat leidet, wie eine Frau. Liegt die fehlende Unterstützung an dem Stereotyp Männer seien stark, sind „hart im Nehmen“ und können einstecken – frei nach dem Motto „ein Indianer kennt keinen Schmerz“?

Befindet sich ein Mann in einer Notlage, werden die Gründe hierfür eher in persönlichen Ursachen vermutet, bei Frauen werden eher die äußeren Umstände für die Notlage verantwortlich gemacht. Härte und Stärke werden bei Männern überbetont, „Opfer sein“ wird Männern nicht zugestanden.

Die verzerrten Rollenbilder üben nicht nur einen enormen psychischen Druck auf Männer aus, sondern führen auch zu falschen und überzogenen Erwartungen in Bezug auf Gesundheit, Partnerschaft und Selbstverantwortlichkeit. Männer sterben durchschnittlich sechs Jahre früher als Frauen, begehen dreimal öfter Suizid, nehmen weniger an Gesundheitsvorsorge und medizinischer Regelbehandlung teil und statt sich mit ihren Problemen an Fachleute zu wenden, greifen Männer häufiger zum Alkohol und zu Drogen, um „ihre Probleme zu lösen“ oder zumindest zu betäuben. Könnte ein breiteres Angebot an Unterstützungsstellen mit speziellen Angeboten für Männer nicht präventiv einiges Leid und hohe Kosten für Spätfolgen von Alkohol- und Drogenkonsum, Haftaufenthalt und Rehabilitationen sparen?

Nicht nur die Wissenschaft hat es versäumt Nöte, Leid und Probleme bei und von Männern zu erkennen und zu untersuchen. Durch das verzerrte Rollenbild hat auch die Gesellschaft und die Politik die Augen davor verschlossen, dass Männer – im gleichen Umfang wie alle anderen – schwach, verletzlich und hilfsbedürftig – eben menschlich – sein können und vor allem: sein dürfen! Männer sind keine Maschinen, haben nicht immer alles im Griff, schaffen nicht alles ohne Unterstützung und sind genauso schützenswert und unterstützenswert wie Frauen.

Genauso wie einst die Benachteiligung der Frauen – die früher „an den Herd gehörten“, nicht studieren oder wählen durften etc. – erfolgreich beseitigt worden ist , muss jetzt auch an dem gesellschaftlich vorherrschendem Rollenbild der Männer dringend etwas geändert werden um ein gerechtes, gleichberechtigtes und vor allem menschliches Miteinander zu schaffen.

Durch einseitige Geschlechterpolitik – wie sie bisher praktiziert wird – werden eher Fronten aufgebaut, statt Mauern eingerissen, werden Vorurteile eher gestützt als relativiert und empathisches Handeln eher verhindert statt gefördert. Wie sollen wir unseren Kindern denn Gerechtigkeit und Gleichheit aller Menschen lehren, wenn wir dies nicht selbst praktizieren?

Herzliche Grüße
Sandra Hermann

Download der Bachelor-Arbeit als PDF
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Lesermeinungen

  1. By Wolf

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  2. By Sandra

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    • By Hans schoreit

  3. By Hans Schoreit

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