Prof. Michael Klein: „Schämt euch nicht mehr, ihr Männer!“
Prof. Michael Klein: „Schämt euch nicht mehr, ihr Männer!“
In einem interessanten Beitrag in der NZZ kritisiert Prof. Michael Klein die perfide Strategie von Politik und Gesellschaft, Jungen und Männern Schuldgefühle einzureden, um sie gefügig zu machen.
Michael Klein ist Professor für klinische Psychologie und Sozialpsychologie an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Köln
Hier einige Auszüge (kursiv) mit unseren Anmerkungen. Der ganze Artikel ist auf NZZ online lesbar.
Während die Misogynie zu Recht immer wieder angeprangert wurde, ist die Misandrie in der Mitte der Gesellschaft angekommen, ohne dass dies den meisten bewusst ist.
Prof. Klein weist darauf hin, dass das Wirkprinzip und die Absicht der allzu alltäglichen männerfeindlichen Botschaften darin besteht, dass von wenigen schlechten Männern auf alle Männer pauschalisiert wird. Ein gutes Beispiel ist die Erfindung des Begriffs des „Patriarchats“, der benutzt wird, um bei nahezu allen Gelegenheiten Männern Schuld in einer Art auf das Geschlecht transponierter Sippenhaft Schuldgefühle einzuimpfen. Diese regelrechte Erziehung von Männer zu Schuldkomplexen, die Prof. Klein als „die Scham“ bezeichnet, beginnt schon im Kleinkindalter:
Diese angebliche Kollektivschuld wurde durch die #MeToo-Bewegung nochmals verstärkt. Dafür wird eines der diffusesten und ambivalentesten Gefühle benutzt, das es aus psychologischer Sicht gibt: die Scham. Sie entsteht ab dem zweiten Lebensjahr, wenn das Kind innerlich noch ganz eng mit seiner Mutter verbunden ist. Das Gefühl, das beim Kleinkind durch gespürte Ablehnung entsteht, ist die Scham.
Je nach Studie empfinden laut Prof. Klein 30 bis knapp 50 Prozent aller Männer in westlichen Ländern eine solche Geschlechtsscham. Dabei ist diese Kollektivierung der Schuld nicht sachlich gerechtfertigt, denn, so Klein weiter:
Epidemiologische Studien zu Persönlichkeitsmerkmalen und psychischen Störungen zeigen, dass rund 3 bis 5 Prozent der erwachsenen Männer antisoziale und 2 bis 3 Prozent narzisstische Züge zeigen. Bei weitem nicht alle von diesen Männern werden gewalttätig. Für Frauen ergeben sich, was Merkmale manipulativen oder psychisch gewalttätigen Verhaltens angeht, in der Summe ähnliche Quoten wie für Männer im antisozialen und narzisstischen Bereich.
(…) Dass immer mehr Frauen – und auch Männer selbst – ein negatives Männerbild haben, ist also keine naheliegende Folge psychischer oder sozialer Realität, sondern Resultat intensiver Verbreitung männerfeindlicher Ideologie.
Aufgrund 5 bis max. 8 Prozent antisozialer und narzisstischer Männer werden also politisch und medial alle Männer kollektiv verdammt. Gleichzeitig werden an Männer unerfüllbare Forderungen gestellt. Unerfüllbar deswegen, weil sie sich widersprechen, so dass „Mann“ sie gar nicht erfüllen kann. Einerseits erwarten Politik und Gesellschaft gerade in Zeiten der wiederaufflammenden Kriegsgefahr, dass Männer ihre alten Rollenbilderpflichten wie Härte gegen sich selbst und andere, Gefühlsunterdrückung, dauerhafte Demonstration von Stärke, Kriegertum und Stoizismus erfüllen. Aber gleichzeitig sollen sie den feministisch geforderten Anforderungen (Anpassung, Unterordnung, Gefühlsbetontheit) gerecht werden. Es ist eine Doppelmoral mit System, denn:
Gerade die Ambivalenz der beiden Rollenanforderungen macht es Männern schwierig, sich selbst zu akzeptieren. Sie müssen einen Weg zwischen den beiden Extremen finden, der oft nicht erkennbar ist. Für die Männer ist vor allem die Tatsache verwirrend und widersprüchlich, dass die Männerrolle – die Merkmale wie Stärke und Beschützeraufgaben aufweist – zwar in der öffentlichen Darstellung abgewertet wird, gleichzeitig aber auf Dating-Portalen die Erwartungen von Frauen an Männer widerspiegelt (Körpergrösse, Beschützerverhalten, Muskelkraft, hoher sozialer Status).
Prof. Klein empfiehlt:
Wenn immer mehr – vor allem jüngere – Männer Scham- oder gar Schuldgefühle nur wegen ihres Geschlechts erleben, ist dies ein gesellschaftliches Alarmsignal. Da Scham ein besonders tiefgehendes inneres Gefühl darstellt, das bei Chronifizierung schädliche Konsequenzen erzeugt, sollten sich die Männer selbst von einem übermässigen und selbstschädigenden Schamgefühl wegen ihres Geschlechts frei machen. Die Männer müssen am Ende selbst dafür sorgen, dass sie in ihrer Identität selbstbestimmt und selbstbewusst sind.
Das bedeutet, emanzipieren können sich Männer nur selbst. Allerdings erschwert dies eine misandrische Politik und Gesellschaft. Es scheint, als scheuen Politik und Gesellschaft emanzipierte Männer.
Quelle Beitragsbild: AdobeStock_952967456
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