Subjektive Gerechtigkeit
Wenn ein Kind erfährt, dass nur ein Elternteil das Leibliche ist, führt das natürlich zunächst zu einer Krise. So geschehen einer jungen Frau, die in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben porträtiert wird. Da der eigene Vater unfruchtbar ist, entstand sie aus einer Samenspende. Ein Schock, ganz klar. Und daraus wurde ein Wunsch, der durchaus verständlich ist: Sie will ihren tatsächlichen Vater kennen lernen.
Nun sollte man als erwachsene Frau eigentlich wissen, dass nicht jeder Wunsch in Erfüllung gehen kann. So auch hier: Samenspendern wurde die Sicherung ihrer Anonymität garantiert.
Doch damit kann sie sich nicht abfinden. Sie zieht vor Gericht, weil sie den Namen ihres leiblichen Vaters wissen will. Sie tut das, nach eigenem Bekunden, weil sie „gerechtigkeitsgeil“ sei. Und an dieser Stelle muss man aufmerken.
Es geht ihr also angeblich um „Gerechtigkeit“, in Wahrheit jedoch allein um Egoismus, um die Durchsetzung ihres Willens, um die Befriedigung ihrer eigenen Wünsche. Völlig egal ist ihr dabei, dass auch der Samenspender Rechte hat. Rechte, die mindestens genauso schützenswert sind und dazu noch älter. Denn die meisten Samenspender stimmen nur unter der Voraussetzung der Anonymität einer Verwendung zu.
Was passiert, wenn man die Anonymität der Samenspender aufhebt und man diese Männer damit für ein Trinkgeld enormen Risiken aussetzt, kann man in Australien sehen. Dort wurde 1998 per Gesetz diese Anonymität aufgehoben, womit Samenspender dem enormen Risiko späterer Partnerschaftsprobleme (wenn plötzlich beliebig viele eigene und gleichzeitig fremde Kinder vor der Tür stehen) sowie von Unterhalts- und Erbschaftsforderungen ausgesetzt wurden: Es finden sich kaum noch Männer, die das mitmachen. Bereits 2005 jammerte deshalb die „Monash In-Vitro-Fertilisationsklinik“ im Bundesstaat Victoria, weil die Vorräte immer weiter schwanden. Sie rief alle Politiker unter 45 Jahren zu einer Samenspende auf – auch um als Vorbild zu wirken. Der Ruf – wen wundert es – verhallte ungehört. Offensichtlich waren die Politiker zwar dumm genug, so ein Gesetz zu verabschieden, jedoch nicht so dumm, sich die selbstgeschaffenen Risiken anzutun.
Eine Veränderung und vor allem eine Klarstellung der gesetzlichen Lage wären auf jeden Fall notwendig. So sollte den Samenspendern die Möglichkeit gegeben werden, selbst zu entscheiden, ob ihr Name später den Kindern benannt werden kann oder nicht. Dann können die zukünftigen Empfänger der Spende (Mütter und ihre Partner) selbst entscheiden, von welchen Spender sie die Samen wollen. Gleichzeitig müssen aber klar und eindeutig sämtliche Erb- und andere finazielle Ansprüche an die Spender ausgeschlossen werden.
Ein reales Risiko auf Grund der Anonymität sind ungewollte Inzestverbindungen zwischen Halbgeschwistern. Die durch solche Verbindungen erzeugten Kinder haben ein deutlich erhöhtes Risiko von Erbkrankheiten. Allerdings ist bei der Lösung dieses Problems beides möglich: die notwendige Transparenz für die Kinder und die Gewährung der Anonymität der Spender. Dazu müsste lediglich eine zentrale Datenbank für Samenspenden eingerichtet werden, in denen die Spenderkinder kostenlos und unkompliziert einen Abgleich der Nummer ihres Spenders mit der ihres Partners durchführen können.
Es gibt also genügend Dinge, über die man in dem Zusammenhang diskutieren kann und dringend diskutieren müsste. Nicht jedoch über eines: Den eigenen Egoismus gepaart mit der völligen Ignoranz der Interessen und Rechte anderer als „Gerechtigkeit“ auszugeben.
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