Prostatakrebs als Gesundheitsziel – nur eine Partei hat geantwortet
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste Krebstodesursache unter Männern in Deutschland. Über 60.000 Männer erhalten jährlich diese Diagnose, jedes Jahr sterben über 12.000 Männer daran. Auf unsere offenen Briefe gab es in zwei Jahren nur eine wirkliche Rückantwort und diese ging an unserer Fragestellung vorbei und enthielt noch einige Schreibfehler.
Wir haben deshalb zum Männergesundheitstag am 3. November 2022 mit einem offenen Brief die Fraktionen und einzelne Abgeordnete des Deutschen Bundestages per Mail angeschrieben und gefordert, die Bekämpfung von Prostatakrebs in Deutschland zu einem Gesundheitsziel zu erklären.
Eine Antwort haben wir von niemandem erhalten.
Deshalb haben wir zum Männergesundheitstag 3. November 2023 die Fraktionen und die Politiker nochmals angeschrieben.
Erhalten haben wir nur eine Antwort, und zwar von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die – zwar ausführlich – aber leider an unserer Forderung vorbei antwortete und noch überraschend viele Schreibfehler aufwies.
Wir haben zwar noch eine weitere Rückantwort erhalten, und zwar von der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD, Heike Baehrens, diese ließ uns allerdings nur auf einen Genossen verweisen. Es ist interessant, dass eine gesundheitspolitische Sprecherin nichts zur gesundheitspolitischen Prostatakrebsfrüherkennungsstrategie ihrer Fraktion schreiben kann.
Die Antworten sind am Ende aufgeführt.
Angeschrieben wurden:
der Gesundheitsausschuss des Bundestages
die Fraktion der CDU/CSU
die Direktkommunikationsadresse der SPD
die Dialogadresse der FDP
die Info-Adresse von Bündnis 90/Die Grünen
die Bürgeradresse der AfD
die Fraktionsadresse der Fraktion Die Linke
Aber auch noch an speziell gesundheitspolitisch verantwortliche Abgeordnete, soweit wir welche gefunden haben, nämlich an
Tino Sorge (Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion und ordentliches Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestages)
Heike Baehrens (gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion)
Christine Aschenberg-Dugnus (Abgeordnete der FDP-Fraktion und ordentliches Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestages)
Prof. Dr. Andrew Ullmann (Abgeordneter der FDP-Fraktion und ordentliches Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestages, stellv. Vorsitzender des Unterausschusses Globale Gesundheit, Obmann des Ausschusses für Gesundheit, ordentliches Mitglied des Ausschusses für Gesundheit und des Unterausschusses Globale Gesundheit)
Dr. Janosch Dahmen (Abgeordneter der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und ordentliches Mitglied des Gesundheitsausschusses)
Maria Klein-Schmeink (Abgeordnete der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und ordentliches Mitglied des Gesundheitsausschusses)
Kathrin Vogler (Abgeordnete der Fraktion Die Linke, Obfrau des Gesundheitsausschusses und ordentliches Mitglied des Gesundheitsausschusses)
Die Mailantworten zur Früherkennungsstrategie Prostatakrebs
Mail Bündnis 90/Die Grünen vom 05.12.2023 (die Schreibfehler entsprechen der Originalantwort)
herzlichen Dank für Ihr Schreiben. Ihr Eindruck, dass der Früherkennung von Prostatakrebs nicht die nötige Aufmerksamkeit gewidmet wird, ist falsch.
Gesetzlich Versicherte haben nach der Krebsfrüherkennungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ab einem Alter von 45 Jahren einmal jährlich Anspruch auf ärztliche Maßnahmen zur Früherkennnung von Krebserkrankungen der Prostata. Nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft umfasst dies unter anderem eine gezielte Anamnese, die Inspektion und Palpation des äußeren Genitals einschließlich der entsprechenden Hautareale, das Abtasten der Prostata, die Palpation regionärer Lymphknoten und die Befundmitteilung mit anschließender diesbezüglicher Beratung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sich zuletzt 2020 mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Bestimmung des PSA-Wertes Bestandteil des Screenings gesetzlich Versicherter auf Prostatakrebs werden soll und sich dagegen ausgesprochen. Grundlage war eine entsprechende wissenschaftliche Bewertung des Instititus für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Das IQWiG stelllte seinerzeit zusammenfassend fest:
„Das Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test schadet den überdiagnostizierten Männern (Männern mit einem Prostatakarzinom, das keiner Behandlung bedarf)sowie den Männern mit einem falsch-positiven Screeningbefund (Männern ohne Prostatakarzinom). Viele Screeningschäden treten zu einem frühen Zeitpunkt auf und bleiben in vielen Fällen lebenslang bestehen. Das Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test nutzt einigen Männern mit einem Prostatakarzinom, indem es ihnen eine Belastung durch eine metastasierte Krebserkrankung erspart oder diese zeitlich verzögert. Dieser Vorteil tritt jedoch erst nach mehreren Jahren auf.
Auch bei diesen Männern kann es zu frühen Therapiekomplikationen kommen, die lebenslang bestehen bleiben. Es ist unklar, ob das Screening bei diesen Männern überhaupt zu einer Lebensverlängerung führt. Das Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test schadet deutlich mehr Männern durch Überdiagnosen als es Männern nutzt. Daher wird zusammenfassend festgestellt, dass der Nutzen des Prostatakarzinomscreenings mittels PSA-Test den Schaden nicht aufwiegt.“
(https://www.g-ba.de/downloads/40-268-7158/2020-12-17_KFE-RL_PSA-Prostatakrebs-Screening_ZD.pdf),S. 9.
Aktuell läuft eine von der Deutschen Krebshilfe finanzierte große Studie mit fast 50.000 Probanden (PROBASE), um bessere Screeningstrategien auch mit Hilfe einer Bestimmung des PSA-Wertes zu entwickeln und gleichzeitig im Interesse der Betroffenen das Risiko von falsch-postiven Befunden, Übertherapie und Überdiagnosen zu minimieren. Die ersten Daten sind zwar vielversprechend, bis allerdings aussagefähige Ergebnisse vorliegen, wird es noch einige Jahre dauern.
Näheres hierzu finden Sie hier:
https://www.dkfz.de/de/Personalisierte-Frueherkennung-Prostatakarzinom/PROBASE/Einleitung.html
Wir gehen davon aus, dass sich der Gemeinsame Bundesausschuss spätestens dann erneut mit geeigneten Methoden zur Früherkennung von Prostatakrebs beschäftigen und ggf. insbesondere eine Änderung der Krebsfrüherkennungsrichtlinie vornehmen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Infoservice der Bundestagsfraktion
Bündnis 90/Die Grünen
im Deutschen Bundestag
11011 Berlin
Mail Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion vom 05.12.2023
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Der zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für das Thema Männergesundheit ist der Abg. Herbert Wollmann.
Ich gehe davon aus, dass Sie diesen bereits auch angeschrieben haben.
Mit freundlichen Grüßen
(…)
Sekretariat
Büro Heike Baehrens, MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
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Die Linke
AfD
FDP
Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages
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Hallo zusammen,
ich möchte allen Männern einen wichtigen Tipp geben, die sich über ihre Prostata, Vorsorgeuntersuchungen und Prostatakrebs informieren möchten.
Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e. V. (BPS) bietet eine hervorragende Anlaufstelle: https://prostatakrebs-bps.de
Der BPS betreibt eine kostenlose Beratungshotline, bei der Betroffene Fragen rund um Vorsorge und Prostatakrebs beantworten. Zudem gibt es in vielen Städten Selbsthilfegruppen, in denen man sich mit anderen Männern austauschen und beraten lassen kann. Dort haben Männer, die selbst von Prostatakrebs betroffen sind, oft wertvolle Tipps und Erfahrungen parat. Zum Beispiel können sie erzählen, was sie rückblickend anders gemacht hätten, um ihre Erkrankung früher zu erkennen.
Das Wichtigste ist: Früherkennung kann Leben retten.
Je früher Prostatakrebs entdeckt wird, desto besser sind die Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen. Ist die Erkrankung jedoch bereits fortgeschritten, wird die Therapie deutlich aufwendiger.
Mein Appell: Geht zur Prostatavorsorgeuntersuchung!
Ein PSA-Test, der helfen kann, Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen, kostet nur 18 Euro – eine Investition, die sich wirklich lohnt.
Das Ergebnis sollte auf jeden Fall ein Urologe richtig interpretieren und dich beraten.
Bleibt gesund!
Der PSA-Test beim Urologen ist kostenpflichtig. Wer macht das schon, wenn er sich gesund fühlt?
Bei erhöhten PSA-Werten wird eine Biopsie angeboten. Dabei besteht immer das Risiko einer Embolie. Ein MRT hat ein geringeres Risiko, kostet aber extra.
Ähnlich ist es bei der Früherkennung von Brustkrebs. Frauen werden regelmäßig zur Röntgenuntersuchung eingeladen. Auch hier wäre ein MRT besser.
Röntgenuntersuhungen werden bagatellisiert.
Darauf anteworte ich: Die Kleidung, die Sie an haben wiegt vielleicht 2 kg. Das können Sie den ganzen Tag mit sich herumtragn und merken es kaum. Wenn ihnen aber die Summe auf den Fuß fällt, dann werden Sie das merken. Bis jetzt konnte kein Arzt dieses Argument widerlegen. Die gucken dann immer nur iritiert.
Warum habt ihr das BSW nicht angeschrieben?
LG Nico
Gegenfrage: Wie hätten wir eine Partei 2022 und 2023 anschreiben sollen, die erst 2024 gegründet wurde?
Lebenserwartung steigern durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen
Die Lebenserwartung von Männern zu steigern Richtung Lebenserwartung von Frauen, indem wir Männern helfen, männertypische Todesfallrisiken zu vermeiden, ist ein sehr guter Ansatz.
Im jährlichen Bonusbogen der Viactiv Krankenkasse 44803 Bochum, der zu regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen anregen soll, und der beim erfüllen von neun von zehn Vorsorgefeldern eine Beitragsrückzahlung vorsieht, sind beispielsweise diese drei Felder genannt:
…
4. Hautkrebsvorsorge (ab 35 Jahre) alle 2 Jahre
…
6. Krebsvorsorge für Männer (ab 45 Jahre) jährlich
7. Darmkrebsvorsorge (ab 50 Jahre) Test auf okkultes Blut im Stuhl (alle 2 Jahre) oder Koloskopie im Abstand von 10 Jahren
…
Genügt das, um Männer, die von Prostatakrebs als Todesfallrisiko noch nichts gehört haben, darauf aufmerksam zu machen, auch Prostatakrebsvorsorge mitmachen zu lassen?
Eben, das genügt nicht. Alles olle Kamellen. Die Krebsfrühererkennung bei Frauen ist modernisert. Bei Männer bleibt es bei der Prostatakrebsfrüherkennung bei der alten Tastuntersuchung.
Ach. Und wie wäre es, wenn der Bund mal Mittel zu Verfügung stellt, damit die PSA-Tests weiterentwickelt werden und so die false positives zu reduzieren?
Aso, ich vergas. Es sind ja nur Männer und das interessiert ja niemanden.
Was wir brauchen sind neue Konzepte. Ich habe den Eindruck, es läuft immer wieder gleich ab: Man macht aus aus Alibgründen wieder die nächste PSA-Langzeitstudie, damit man nach 10 Jahren sagen kann „Tja Männer, das bringt nichts, aber keine Sorge, wir machen die nächste PSA-Langzeitstudie“. Deshalb muss Prostatakrebsfrüherkennung zum Gesundheitsziel gemacht werden, um durch Forungsschmittel Anreize zu schaffen neue Wege zu gehen.
Nachdem nach drei Jahren nur das übliche PSA-Blabla herauskommt und das noch in einer lieblos heruntergeleierten Form, die Offenbahrung einer sicher nicht schlecht bezahlten gesundheitspolitischen Sprecherin, dass ihr die häufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste Krebstodesursache unter Männern in Deutschland dermaßen am Hintern vorbei geht, dass sie darüber gar nichts sagen kann und der Rest der gesundheitspolitischen Elite in Deutschland zu liederlich ist, überhaupt zu antworten, kann man der Gesundheitspolitik in Deutschland beim Thema Krebsfrüherkennung bei Männern Inkompetenz konstatieren.
@Bruno
Ja, ich erinnere mich noch Dunkel an großes Geheule in einer ÖRR-Sendung, dass die Brustkrebsuntersuchung vllt eher schlecht für Frauen sei, weil durch mehr Untersuchungen auch mehr false positives herauskamen und viel mehr Frauen unnötig operiert werden würden. Zudem kam die „gemeine“ Angstmacherei, bei der Frauen schon aus Angst vorsorglich eine Mastektomie durchführen lassen. Da kam die Forderung, der Staat solle gefälligst mehr in die Forschung stecken, damit um „endlich“ Frauenleben zu retten.
Ich dachte mir damals auch: Da steckt der Staat so enorm hohe Summen für die Prävention von Bustkrebs, und nichts für Prostatakrebs, und Frauen sind wieder mal Opfer.