Falschbeschuldigungen – Offener Brief an den Leiter des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke
„Die im Dunkeln, die sieht man nicht.“ Dieser legendäre Ausspruch, den Bertolt Brecht für die Dreigroschenoper formuliert hat, trifft auch auf die Situation männlicher Opfer von Falschbeschuldigungen zu. Das Delikt der falschen Vergewaltigungsvorwürfe ist, obwohl strafbewehrt, weitgehend unerforscht. Im Unterschied zu anderen Verbrechen sind bislang keine Hell- und Dunkelfeldstudien unternommen worden. Ermittler und Strafverfolger sind auf ihr persönliches Dafürhalten zurückverwiesen, was groteske Folgen zeitigen kann, wie die Fälle Horst Arnold, Andreas Türck und Jörg Kachelmann beweisen. Im Zweifelsfall wird nicht ermittelt. Der falsche Vergewaltigungsvorwurf ist das perfekte Verbrechen. Grund für MANNdat, das Bundeskriminalamt mit einem offenen Brief an seine Pflichten zu erinnern.
Sehr geehrter Herr Ziercke,
in jüngster Zeit beherrscht die Diskussion um Falschbeschuldigungen im Zusammenhang mit Vorwürfen der Vergewaltigung die öffentliche Debatte. Mit Horst Arnold und Andreas Türck sind zwei solche Fälle einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Beider Unschuld ist im Nachhinein in Gerichtsverfahren erwiesen worden. Dennoch hatten sie zwischenzeitlich schwerste Sanktionen zu erdulden. Horst Arnold saß fünf Jahre unschuldig in Haft. Die psychischen Nachwirkungen der erlittenen Behandlung durch die Justiz sowie der Verlust seiner beruflichen Stellung und die in allen Lebenslagen ihn verfolgende Stigmatisierung sind wahrscheinlich für sein frühes Ableben mit verantwortlich. Horst Arnold starb mit nur 53 Jahren an einem Herzinfarkt. Andreas Türck kann erst jetzt nach nunmehr acht Jahren wieder an seine berufliche Laufbahn anknüpfen. In beiden Fällen hat unser Strafverfolgungs- und Justizsystem die Falschbeschuldigerinnen bislang nicht sanktioniert. Beide Fälle stehen exemplarisch für eine Gerechtigkeitslücke, die in unserem Rechtssystem unbestreitbar existiert. Falsche Vergewaltigungsvorwürfe können Existenzen vernichten.
Im Zuge der Diskussion über die prominenten Fälle der jüngsten Zeit wurden kontroverse Angaben über die Verbreitung des Delikts gemacht. Die Schätzungen reichen von einem bis über 50 % Anteil der Falschbeschuldigungen an allen Vergewaltigungsvorwürfen. Dies macht einen Mangel an verlässlichen Basisdaten offenkundig. Weiterhin ist die Tatsache, dass seit den achtziger Jahren die Zahl der Anzeigen von Vergewaltigungen zu-, die Verurteilungsquote aber abnimmt, äußerst bedenklich. In den Niederlanden will man den Strafverfolgungsbehörden gesetzlich zur Pflicht machen, stets in beide Richtungen zu ermitteln – sowohl im Hinblick auf ein Vergewaltigungsdelikt, als auch im Hinblick auf ein Falschbeschuldigungsdelikt. Man sieht sich dort offenbar der Flut von Falschbeschuldigungen nicht mehr anders Herr werden.
Um Justiz und Strafverfolgungsbehörden für das Phänomen der Falschbeschuldigungen zu sensibilisieren und für den politischen Diskurs belastbare Informationen über das Ausmaß und die Erscheinungsformen dieses Delikts bereitzustellen, bedarf es entsprechender amtlicher Studien, wie es in anderen Politikfeldern gängige Praxis ist. Laut einer Veröffentlichung des Landeskriminalamtes Bayern aus dem Jahr 2005 besteht zudem Forschungsbedarf bezüglich der Folgen, die das Delikt der Falschbeschuldigung für das Opfer hat.
Das Bundeskriminalamt ist hier in der Pflicht, die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik so wie in anderen Deliktfeldern auskunftsfähig zu machen. Der pauschale Hinweis, es handele sich um ein sehr heterogenes Feld, bei dem die Belange der Opfer bedacht werden müssten (sic!) und man im Einzelfall schlicht auf die Kompetenz der jeweiligen Polizeibehörde vertraue, lenkt von der Problemlage ab und entbindet das Bundeskriminalamt keineswegs, seinen nach BKA-Gesetz definierten Aufgaben nachzukommen.
Wir, die geschlechterpolitische Initiative MANNdat e. V., fordern deshalb nachdrücklich, den unbestreitbar vorhandenen Forschungsbedarf endlich aufzugreifen und entsprechende Studien zu veranlassen. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Themas in der öffentlichen Diskussion werden wir diesen Brief und einen sich ggf. ergebenden weiteren Briefverkehr auf unserer Homepage veröffentlichen.
MANNdat e. V. versteht sich als unabhängige, überparteiliche Interessenvertretung für männliche Bürger. Wir wollen die Bürgerrechte von Jungen und Männern stärken, bestehende Benachteiligungen bekannt machen und dazu beitragen, sie zu überwinden.
Mit freundlichen Grüßen
MANNdat e. V.
i.V.: Dr. Andreas Krausser
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