Falschbeschuldigungen wegen Vergewaltigung bzw. sexueller Nötigung. Antwort des Bundesamtes für Justiz auf den offenen Brief von MANNdat und Agens und Stellungnahme hierzu
MANNdat und Agens hatten gegenüber dem Bundesamt für Justiz angeregt, eine Verlaufsuntersuchung zu Fällen von Vergewaltigungsanzeigen im System der Strafverfolgungsbehörden zu unternehmen, so wie dies vom Bundeskriminalamt zuvor empfohlen worden war. Ziel der Untersuchung sollte sein, vor dem Hintergrund der seit Mitte der achtziger Jahre zunehmenden Zahl der Anzeigen bei gleichzeitig abnehmender Zahl der Verurteilungen nicht zuletzt auch das Phänomen der Falschbezichtigungen zu erhellen. Das Bundesamt für Justiz hat nun mitgeteilt, sich hierzu nicht in der Lage zu sehen. Lesen Sie die Stellungnahme von MANNdat und Agens zu dieser enttäuschenden Rückmeldung.
Das Bundesamt für Justiz lehnt die Durchführung der von MANNdat und AGENS e. V. angeregten Forschungsvorhaben ab. Als Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass keine gesetzliche Regelungslücke bestehe, ferner dass der behördliche Etat nur der Feststellung eines gesetzgeberischen Handlungsbedarfes sowie der Evaluierung bestehender Gesetze dienen darf. Hier finden Sie das Antwortschreiben des Bundesamt für Justiz.
Diese Auffassung wird von AGENS e. V. und MANNdat zur Kenntnis genommen, inhaltlich aber nicht geteilt. Zu den Gründen:
Wie das Bundesamt für Justiz selber ausführt, ist beim Vorliegen zureichend tatsächlicher Anhaltspunkte von Amts wegen zu ermitteln (sog. Legalitätsprinzip), vgl. § 152 Abs. 2 StPO. Allerdings lässt das Bundesamt für Justiz unerwähnt, dass die Frage, – ob – tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, oder nicht, einer Bewertung nach kriminalistischer Erfahrung unterliegen (Mayer-Goßner, § 152 Rn 4 mwN). Diese kriminalistische Erfahrung speist sich maßgeblich durch den Stand der Erkenntnisse auch der kriminalwissenschaftlichen Forschung. Zu dieser gehören u. a. das Wissen um den Modaltyp des Täters oder die Tatbegehungsweisen (sog. Modus Operandi). Ist die kriminalwissenschaftliche Forschung und damit auch die kriminalistische Erfahrung defizitär, so dürfte sich dies auch auf die Bewertung von tatsächlichen Anhaltspunkten und damit auch auf die Einleitung von Ermittlungsverfahren auswirken.
Konkret: Weiß der Kriminalbeamte oder der Staatsanwalt gesichert, dass Anzeigen wegen Vergewaltigung bzw. sexueller Nötigung in einem nicht unerheblichen Maße vorgetäuscht sind und kennt er die typischen näheren Umstände dieser Vortäuschung (z. B. Lebensumstände oder bestimmte Verhaltensweisen der Anzeigenden), so werden die weiteren Ermittlungen natürlich einen anderen Verlauf nehmen, als ohne dieses Wissen.
An eben diesen kriminalwissenschaftlichen Erkenntnissen aber mangelt es. Zudem weist die polizeiliche Kriminalstatistik im Deliktbereich Vergewaltigung/sexuelle Nötigung seit Mitte der achtziger Jahre einen Anstieg der Anzeigen im Trend aus, die Verurteilungsquote im gleichen Zeitraum ist jedoch rückläufig, vgl. im Einzelnen Schreiben MANNdat und AGENS e. V. Nach der hier vertretenen Auffassung sollte das Bundesamt für Justiz diese Umstände zum Anlass für die Durchführung geeigneter Evaluierungsuntersuchungen nehmen.
Auch der Hinweis des Bundesamts für Justiz auf begrenzte Forschungsetats vermag nicht zu überzeugen. Denn wenn das Bundesamt für Justiz ein Vorhaben mit eigenen Mitteln nicht bewerkstelligen kann, dennoch aber das „gesellschaftliche und wissenschaftliche Interesse“ anerkennt, so sollten zumindest adäquate Bemühungen nach Kostenträgern unternommen werden. Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die hier zur Debatte stehenden Forschungsvorhaben neben einem kriminalistisch-kriminologischen z. B. auch einen Genderaspekt aufweisen. Man sollte daher erwarten, dass das Bundesamt für Justiz den erkannten Bedarf an Forschung z. B. gegenüber dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend anregt oder sich dort um entsprechende Mittel zur eigenen Durchführung bemüht.
Das Bundesamt für Justiz ist als nachgeordnete Behörde dem Bundesministerium für Justiz melde- und informationspflichtig. Auf eine weitere Anregung von Forschungsbedarf gegenüber dem Ministerium wird von MANNdat und AGENS e. V. daher verzichtet.
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