Anmerkungen zur geplanten Neuregelung der Vaterschaftstests

von Manndat

Der in einer Veröffentlichung vom Bundesjustizministerium/ Gesundheitsministerium vorgestellte Entwurf eines zweistufigen Verfahrens zu Klärung der Vaterschaft stellt, was die Möglichkeiten von Vätern betrifft, eine Vaterschaft anzufechten, eine Verbesserung dar, wie sie vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde. Die Umsetzung ist jedoch mangelhaft, da sie die in vielen Fällen entstehenden emotionalen und psychischen Härtefälle insbesondere für die Kinder billigend in Kauf nimmt. Durch Kindeswohl- und Härtefallklauseln wird anschließend versucht, diese Probleme, die das BMJ erst maßgeblich mitverursacht hat, partiell zu entschärfen. Es ist vollkommen unverständlich, weshalb man nicht eine Lösung favorisiert, die derartige Probleme von vornherein ausschließt. Die Kosten können dafür kein Grund sein: Ein obligatorischer Abstammungstest nach der Geburt würde ca. 28 Euro pro Test kosten (Angabe aus Sächsischer Zeitung im Zusammenhang mit den Massentests von 100.000 Männern im Großraum Dresden). Zwei bis drei Tests wären notwendig (Vater-Kind bzw. Vater-Mutter-Kind). Die Gesamtkosten für einen Test belaufen sich daher auf reichlich 80 Euro, was im Vergleich zu den notwendigen Gesamtaufwendungen für Schwangerschaft und Geburt nicht ins Gewicht fällt. Mit so einer Sicherheit würde die emotionale und soziale Beteiligung der Väter weiter zunehmen und eine Vielzahl weiterer Probleme gelöst werden:

1. Experten schätzen die Zahl der sogenannten „Kuckuckskinder“ auf 5 bis 15 Prozent aller Geburten. Wenn man lediglich von einem 5-Prozent-Anteil ausgeht, errechnen sich bei rund 700.000 Geburten im Jahr 2004 (statistisches Jahrbuch 2006) 35.000 Straftaten gemäß § 169 StGB: Personenstandsfälschung sowie eine immer noch signifikante Zahl Straftaten gemäß § 263 StGB: Betrug, falls sich die Mutter bewusst einen Nichtvater als Unterhaltspflichtigen heraussucht. Die Verschleierung einer derart hohen Zahl von Straftaten kann für einen Rechtsstaat nicht hinnehmbar sein. Daher würde ein obligatorischer Abstammungstest für ausreichende Transparenz sorgen und diese Straftaten verhindern, bevor sie begangen werden können. Ein obligatorischer Test dient damit auch der Kriminalitätsprävention.

2. Das Strafgesetzbuch kennt weiterhin den Inzest als Tatbestand. Bei Kindern, die durch nahe miteinander verwandte Personen gezeugt wurden, ist die Chance deutlich erhöht, dass latent vorhandene Gendefekte zum Ausbruch kommen. Aber gerade da, wo besonders oft „Kuckuckskinder“ entstehen, finden sich nicht selten auch die Partner fürs Leben (Bekannten- und Freundeskreis sowie Nachbarschaft). Die Gefahr eines ungewollten Inzest zwischen Halbgeschwistern und der damit verbundenen Risiken besitzt deshalb eine signifikante Wahrscheinlichkeit, die nur durch einen obligatorischen Abstammungstest nach der Geburt vermeidbar ist.

3. Ministerin Zypries nannte als weiteren Grund für das Verbot selbstbestimmter Vaterschaftstests, dass es Erpressungsversuche durch Nachbarn oder Verwandte gab, die auf den Ergebnissen eines solchen Testes basierten. Erpressung ist jedoch bereits ein Straftatbestand, und MANNdat e.V. kann der Ministerin nur empfehlen, Sorge zu tragen, dass solche Straftaten nachdrücklich verfolgt werden. Mit dem Recht von Männern auf Kenntnis ihrer eventuellen Vaterschaft hat das aber nichts zu tun. Ein obligatorischer Abstammungstest würde überdies dieser Straftat den Boden entziehen, da man niemanden mit etwas erpressen kann, das bereits hinlänglich bekannt ist.

4. Gegenüber einem privaten Vaterschaftstest wäre der Datenschutz bei einem obligatorischen Abstammungstest nach der Geburt sogar doppelt gewährleistet: per Datenschutzgesetz und durch die ärztliche Schweigepflicht.

5. Ein obligatorischer Abstammungstest ist ein Gebot des grundgesetzlich garantierten Gleichheitsgrundsatzes. Männern steht dasselbe Recht auf Sicherheit ihrer Elternschaft zu, wie es Frauen naturgemäß schon immer hatten – und zwar von Anfang an. Da die technischen Möglichkeiten bestehen, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, Männern dieses Recht zu gewähren – insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Staat schon seit Jahrzehnten dafür engagiert, Frauen ihre biologischen Nachteile auszugleichen.

6. Die geplante gerichtliche Klärung führt zu einer Mehrbelastung der ohnehin schon überlasteten Justiz. Ein obligatorischer Test würde Vaterschaftsklagen obsolet machen und gleichzeitig zu einer Entlastung der öffentlichen Kassen führen, da für diese Fälle keine Prozesskostenhilfe mehr gewährt werden müsste. Eine Mehrbelastung durch Unterhaltszahlungen ist im Vergleich zur aktuellen Situation nicht zu erwarten, da bekanntlich jedes Kind auch einen Vater hat, der für seinen Nachwuchs aufkommen muss.

7. Die Diskussion über die informelle Selbstbestimmung des Kindes mutete in Anbetracht der kürzlich verabschiedeten Gesetzesvorlage zur Anfechtung von Scheinvaterschaften überaus grotesk an. An dieser Stelle behält sich der Staat das Recht vor, ohne Zustimmung der Mutter, des Kindes und des potenziellen Vaters / Nichtvaters einen Abstammungstest durchzuführen. Die informelle Selbstbestimmung des Kindes spielt an dieser Stelle plötzlich ebenso keine Rolle mehr wie das Kindeswohl. Eine Regelung für solche Fälle (beispielsweise vor Erteilung einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung) könnte im Rahmen eines obligatorischen Abstammungstests erfolgen und würde nicht nur dokumentieren, dass die informelle Selbstbestimmung für alle in Deutschland lebenden Menschen in gleichem Umfang gilt. Es würde gleichzeitig klargestellt, dass der Staat bereit ist, seine Bürger vor dem gleichen Betrug zu schützen, gegen den sich die öffentliche Hand berechtigter Weise selbst wehrt.

8. Ein Testverbot bei gleichzeitiger Erleichterung der gerichtlichen Anfechtung würde nur jenen Vätern nutzen, denen das Wohl der Kinder egal wäre, beispielsweise weil sie keinerlei Beziehung zum Kind und / oder zur Mutter (mehr) haben. Der überwiegenden Mehrzahl der verantwortungsbewussten Väter würde diese Regelung die Wahrheitsfindung erschweren. Frau Zypries spricht von einem zweistufigen Verfahren, das den Scheinvätern die Möglichkeit geben soll, auch nach einem für sie negativen Abstammungstest ein Vater für das Kind zu sein. Frau Zypries übersieht dabei, dass eine gerichtliche Klärung zu irreparablen Schäden innerhalb der Familie/Partnerschaft führen kann und in vielen Fällen wird, da es schließlich nicht nur vom guten Willen des Vaters abhängt, ob die Beziehung nach einer solchen Krise weiter besteht. Auch der Kontakt zwischen Vater und Kind ist gefährdet, da dieser im Trennungsfall nicht selten von der Kindesmutter torpediert wird. Deshalb werden sowohl das geplante Gesetz als auch die Strafandrohung wirkungslos bleiben: Ein guter Vater, der lediglich die ihm zustehende Gewissheit erlangen will, wird nie zum Gericht gehen, sondern einen selbstbestimmten Test im Ausland durchführen lassen. Er wird eher die potenzielle Strafe riskieren als das Glück seines Kindes zu gefährden. Es ist jedoch wenig sinnvoll, ein Gesetz zu beschließen, von dem man bereits zu Beginn weiß, dass es kaum Wirkung zeigen wird und leicht umgangen werden kann. Hinzu kommt noch ein fatales Signal: Ein Gesetz, das dazu führt, dass die kindschonende Wahrheitsfindung bestraft wird, stattgefundene Straftaten – durch Erhöhung der emotionalen Hürden – jedoch besser vor der Entdeckung schützt, genießt in der Bevölkerung keine Akzeptanz und fällt daher negativ auf den Rechtsstaat zurück.

9. Eine genaue Kenntnis der Abstammung ist auch aus gesundheitlichen Gründen wichtig. Das Kind muss die Chance haben, sich über mögliche Erbkrankheiten zu informieren und gegebenenfalls entsprechende Vorsorgeuntersuchungen zu veranlassen. Auch bei notwendigen Organspenden kann das Wissen über die eigene Abstammung lebensrettend sein. Somit ist ein obligatorischer Abstammungstest nicht nur aus Sicht der Gesundheitsvorsorge sinnvoll, sondern in Hinblick auf die elementaren Interessen des Kindes zwingend erforderlich.

10. Da im Fall eines obligatorischen Abstammungstests alle Beteiligten an einem „Seitensprung“ wissen, dass durch die ungewollte Zeugung eines Kindes die Affäre entdeckt wird, würde eine solche Regelung die Verhütungsdisziplin fördern, die derzeit nach den vorliegenden Zahlen offensichtlich unzulänglich ist. Im Zeitalter von AIDS und der anderen, aus Osteuropa wieder zu uns vordringenden, Geschlechtskrankheiten würde der obligatorische Test zudem einen wichtigen gesundheitlichen Beitrag liefern, insbesondere auch für den hintergangenen Partner – gleichgültig ob Mann oder Frau.

11. Jedes Kind hat das Recht, seine Wurzeln zu kennen. Es hat die Möglichkeit, diese Informationen mit Erreichen der Volljährigkeit notfalls einzuklagen. Dass dieses Recht im Zweifelsfall nichts wert ist, musste beispielsweise Susan Stahnke leidvoll erfahren: Ihre Mutter war selbst nach der Beugehaft nicht bereit, die ihr zustehenden Informationen zu gewähren. Eine eigene Recherche des Kindes dürfte auf Grund des großen zeitlichen Abstandes kaum zum Erfolg führen. Ein obligatorischer Abstammungstest nach der Geburt würde die Chance deutlich erhöhen, dem Kind zu seinem Recht zu verhelfen.

12. Ein obligatorischer Abstammungstest verhindert, im Gegensatz zu einer gerichtlichen Feststellung, eine Brüskierung der betroffenen Mutter, falls sich der Verdacht als falsch herausstellt, was in 75 bis 80 Prozent aller zur Analyse eingereichten Vater/Mutter-Kind-Proben der Fall ist. Ein obligatorischer Test dient deshalb dem Familienfrieden und damit eindeutig den Interessen des Kindes.

13. Es ist davon auszugehen, dass in vielen Fällen das „Kuckuckskind“ nicht Ausdruck einer systematischen Beziehungskrise, sondern einer einmaligen Verfehlung ist. Wenn der beteiligten Mutter klar ist, dass der obligatorische Test die Wahrheit ans Licht bringt, finden sich im Verlauf der Schwangerschaft beliebig viele Situationen, in denen die Wahrheit dem Partner schonender beigebracht werden kann als vor Gericht. Eine derartige Lösung ist daher insbesondere zum Wohle der Kinder, die bereits in der Ehe / Beziehung existieren. Vor einer solchen Notwendigkeit stehen schließlich schon immer Frauen, die befürchten müssen, ein Kind zur Welt zu bringen, welches unverkennbare, vom rechtlichen Vater abweichende ethnische Merkmale (z.B. Hautfarbe oder Augenform) zeigen wird.

14. Die Offenbarung, dass das Kind entgegen dem bisherigen Glauben nicht das eigene ist, stellt für einen Mann eine psychische Ausnahmesituation dar. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die biologische oder die soziale Vaterschaft wichtiger ist. Ein „Kuckuckskind“ ist vielmehr ein deutlicher Ausdruck dafür, dass alles, was die Basis einer Partnerschaft darstellt, zumindest massiv beschädigt wurde: Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, Anstand und Vertrauen, Verständnis, Rücksichtnahme und nicht zuletzt der Respekt vor dem Partner. Diese Ausnahmesituation kann dem Mann nicht erspart werden. Bei einem obligatorischen Abstammungstest im Krankenhaus besteht jedoch im Gegensatz zum angestrebten Gesetzesvorhaben die Möglichkeit, das Ergebnis in Anwesenheit eines Psychologen zu verkünden. Durch die psychologische Betreuung des vermeintlichen Vaters dürften die Chancen beträchtlich steigen, dass zumindest eine Lösung im Interesse des Kindes gefunden wird. Daher gebietet der Respekt vor dem Kind einen obligatorischen Test.

15. Nicht nur für den vermeintlichen Vater, sondern auch und besonders für das Kind stellt die Erkenntnis, dass der Mensch, den es jahrelang für seinen Vater gehalten hat, es in Wirklichkeit nicht ist, einen psychischen Schock dar – gleichgültig, ob sich der Vater für eine soziale Vaterschaft entscheidet oder nicht. Durch eine späte Aufdeckung und / oder lange Verfahrenszeiten wird die Wahrheitsfindung in aller Regel in ein Alter verschoben, in dem das Kind die Tragweite des Erlebten vollständig oder zumindest im Ansatz erkennt. Ein obligatorischer Abstammungstest würde dieses Schockerlebnis für die Kinder vermeiden, da die Klärung in einen Zeitraum fällt, in dem ein Kind noch keine personenbezogene Bindung zu einem Elternteil aufweist. Das Recht des Kindes, in geklärten Abstammungsverhältnissen aufzuwachsen und psychisch nicht unnötig destabilisiert zu werden, kann daher nur durch einen obligatorischen Abstammungstest (als Voraussetzung für die Eintragungen in die Geburtsurkunde) gewahrt werden.

16. Eine rechtliche Vaterschaft bedeutet eine jahrzehntelange hohe Verantwortung und finanzielle Verpflichtung. Dem muss eine Rechtssicherheit für den Vater gegenüber stehen. Insbesondere das Recht, zu wissen, ob das Kind das eigene leibliche Kind ist, ist ein Grundrecht, welches nicht formaljuristischen oder ideologischen Spitzfindigkeiten zum Opfer fallen darf.

Mütter und rechtliche Väter müssen gleichberechtigt sein. In einer asymmetrischen Situation, wie der Frage der Vaterschaftsfeststellung, muss sich der Gleichberechtigungsanspruch jedoch zwangsläufig auf unterschiedliche Rechtsgüter beziehen. So nützt es dem zweifelnden Manne überhaupt nichts, dass die Frau „auch“ keinen Test heimlich machen lassen darf.

Es ist zudem heuchlerisch, den Anspruch des Mannes auf Feststellung seiner Vaterschaft mit dem Hinweis auf Härtefälle, die erst durch das zweistufige Verfahren entstehen oder mit Verweis auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes zurückzuweisen, und dieses Selbstbestimmungsrecht ausgerechnet der Mutter als Stellvertreterin zu übertragen. Dafür kann es nur einen Grund geben – egoistische Interessen der Mutter an der Verschleierung einer Kindesunterschiebung zu schützen.

Der Staat ist aus den oben aufgelisteten Gründen geradezu verpflichtet, eine Abstammungsfeststellung schon bei der Geburt durchzusetzen. Ganz selbstverständlich werden schon immer medizinische Grunddaten (Geschlecht, Blutgruppe, Gewicht, Größe usw.) von jedem Neugeborenen erhoben, und ebenso so selbstverständlich registriert der Staat jedes neugeborene Kind mit einer Geburtsurkunde, in der nach bestem Wissen die Eltern eingetragen werden. Es darf nicht sein, dass gerade bei der enorm wichtigen Frage der Abstammung nach wie vor und mit Vorsatz „Unschärfen“ billigend in Kauf genommen werden, die der Staat bei anderen amtlichen Dokumenten nicht akzeptieren würde.

Quelle: Pixelio.de

Quelle: Pixelio.de

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