Die Macht des Feminismus in Bezug auf Männer

von Gastbeiträge

Männer sollen toxisch sein, Frauen wehrlos, so lautet das Lieblingsnarrativ des postmodernen Feminismus. Männer, die sich aus Gründen des Konformismus, der Angst oder der Erwartung von Befreiung anschließen, werden oft selbst radikal, hyperaggressiv, rigide und erkennen nicht mehr die Vielschichtigkeit der Geschlechterprobleme.

Der Psychologe Professor Michael Klein analysiert in diesem Gastbeitrag diesen Postfeminismus und geht dabei auch auf den „Männerberater“ Boris von Heesen (2022) mit seinem Buch „Was Männer kosten“ und den Schweizer Psychologen Markus Theunert, Schöpfer des Gleichstellungsdossiers des BMFSFJ von 2020, ein, nach dem die Rolle des Mannes im Unterordnen oder „einfach mal die Klappe halten“ bestehen soll. Und er zeigt, was notwendig ist, damit Männer ihre Geschlechtsrolle und -identität abseits politischer Ideologien, autokratischer Machthaber und ihrer Lakaien ohne schlechtes Gewissen und mit Selbstbewusstsein selbst definieren können.

Prof. Dr. Michael Klein (Köln) ist Psychologischer Psychotherapeut, Experte für Männerpsychologie und -psychotherapie. Er forscht zu Geschlechterverhältnis und psychischer Gesundheit von Männern.

Homepage: https://mens-mental-health.de/

Die Macht des Feminismus in Bezug auf Männer – von gestörtem Geschlechterfrieden bis männlicher Selbstbezichtigung

Es ist etwas in die Gesellschaft und speziell in das Geschlechterverhältnis eingezogen, was den Frieden zwischen den Menschen gefährdet – Gewalthandlungen jeglicher Art, Unterdrückung, Ungleichbehandlung, aber auch Verdächtigungen, Unterstellungen, Falschbeschuldigungen, Bezichtigungen. Alles ist möglich heutzutage, so scheint es. Dennoch zeigt ein Blick in die Untiefen der Gegenwart und Vergangenheit, dass noch ein viel stärkeres Ausmaß an Gewalt und zivilisatorischem Kontrollverlust möglich ist: Syrien, Jemen, Ukraine. Der Unfrieden bezieht sich aber auch und besonders auf die Beziehung zwischen den Geschlechtern. Die Balance zwischen diesen droht auf beiden Seiten durch Extremismus erodiert und zerstört zu werden. Besonders mächtig wurde in den letzten Jahren eine Form des Feminismus, dem zwar immer weniger Frauen folgen, der aber dennoch starken Einfluss durch Medien und soziale Netzwerke speziell ausübt. Dieser als Postfeminismus bezeichnete aktuelle Form des Feminismus, die sich mit Genderismus und Intersektionalität verbündet hat, folgen maximal 8% aller Frauen. Es ist also ein klares Minderheitenprojekt, das jedoch großen Einfluss an den Hochschulen, auf Medien und Politik gewonnen hat. Zu viele der extremen Protagonisten arbeiten am zwischengeschlechtlichen Unfrieden statt an Wegen der Kooperation oder gar Synergie.

Extreme Bewegungen mit extremen Haltungen

Männer sollen toxisch sein, Frauen wehrlos, so lautet das Lieblingsnarrativ des postmodernen Feminismus. Vor allem alte, weiße Männer sind Feindbild und oft auch Hassobjekt. Die Misandrie, die negative Sicht auf Männer bis zum Hass, gehört zum Grundbekenntnis des heutigen Feminismus. Dass dies keine tolerante, humanistische Bewegung ist, erschließt sich schnell, wird aber in der Öffentlichkeit selten wahrgenommen. Der heutige Feminismus, der eine radikale Ideologie darstellt, lebt vom Ansehensbonus des Feminismus vergangener Jahrzehnte. Damals ging es um Gleichberechtigung und Befreiung. Heute geht es um Macht und Diskriminierung Andersdenkender. Gleichzeitig postuliert der Feminismus heutzutage, dass die Geschlechter an sich ausschließlich sozial konstruiert und nahezu beliebig veränderbar seien. Ein deutlicher Widerspruch innerhalb der postfeministischen Ideologie: Einerseits sind weiße, alte Männer der Ausdruck des Bösen, andererseits sind Geschlechter beliebig konstruiert. Es scheint, dass diese Männer nur ihrer Haltung abschwören und ihre Privilegien ablegen müssten, um Absolution zu erreichen. Die Sichtweisen und Haltungen des Postfeminismus, der eng mit anderen Ideologien wie Genderismus, Wokeness und kritischen Gerechtigkeitstheorien verknüpft ist, weisen unverkennbar Merkmale gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und quasireligiöser Bewegungen auf.

Feminismus heute: Eine Ideologie voller Widersprüche und quasireligiöser Züge

Nicht selten werden Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowieso geleugnet oder als Machtinstrumente des Patriarchats bezeichnet. Kurz: Es herrscht also im postmodernen Feminismus eine Welt voller Widersprüche und Irrationalitäten vor. Dies tut der Beliebtheit der Ideologie aber keinen Abbruch. Sie überzeugt durch Empörungskultur, Opfermentalität und Hysterie. Viele Beobachter schreiben dem postmodernen Feminismus automatisch eine Seriosität zu, weil sie daran gewöhnt sind, dass es um Frauenrechte und Ungerechtigkeit geht. Das wäre auch nach wie vor notwendig, etwa in Hinblick auf die Lage von Mädchen und Frauen in islamischen Ländern. Dass sich die Welt des westlichen, postmodernen Feminismus inzwischen ins Irrationale und Sektiererische verabschiedet hat, ist vielen Beobachtern noch nicht klar.

Und da der Feminismus schon längst in einem größeren gesellschaftskritischen Kontext aufgegangen ist, ist dies die Stimme der vermeintlich fortschrittlichen Genderisten, Sexismusbekämpfer, Antirassisten, Postkolonialisten und was die postmoderne Gesellschaftswissenschaft sonst noch so an Trends und Neologismen hergibt. Die als woke bezeichnete Gesamtbewegung ist inzwischen in vielen Ländern des Westens so mächtig, dass sie vielen Menschen Angst macht. Woke bedeutet so viel wie „erweckt“ oder „aufgewacht“. Ein weiterer deutlicher Hinweis auf die quasireligiöse Mentalität der Bewegung. Insbesondere in den Leitmedien ist es dem Wokeismus gelungen, sich tief zu verankern und die Welt immer wieder mit Falschbotschaften und verzerrten Realitätsdarstellungen zu infiltrieren.

Wieso sich Männer selbst bezichtigen?

Die in diesem Zusammenhang stark an Einfluss zunehmende Identitätskultur erbringt immer mehr Beispiele von sich selbst bezichtigenden Personen, interessanterweise meist Männer. Bei der Identitätskultur geht es darum, dass man bekämpft und verunglimpft wird, wenn man nicht die einzig wahre woke Haltung vertritt. Die Strategie der Selbstbezichtigung ist eng mit Schuldgefühlen, Beschämung und Angst verbunden. Die sich selbst bezichtigende Person erwartet Verzeihung und Erlösung, wenn sie sich selbst eines Fehlverhaltens oder eigenen Schuld bezichtigt.

Bisweilen geht es um pure Existenzangst, die Angst vor der kulturellen oder gesellschaftlichen Vernichtung, wie sie im Kontext von Cancel Culture immer mehr Menschen erleben, die offen eine von der woken-feministischen Leitkultur abweichende Meinung zu äußern wagen. Letzten Endes kann dies den Personen erhebliche Karrierenachteile bringen oder ganze Existenzen vernichten. Dies gilt besonders für die Tätigkeitsbereiche Medien, Hochschulen, Bildungswesen und Politik.

Public Shaming und öffentliche Abbitten

In den letzten Monaten gab es unzählige Beispiele von Personen, die sich dafür entschuldigten, dass sie als Kinder „Häuptling und Indianer“ spielten, sich zum Karneval das Gesicht mit brauner Schuhcreme färbten oder sonst eine inzwischen als woke Todsünde begangene Tat zu beichten hatten. Die Verhaltens- und Moralpolizei der Wokisten infiltriert immer mehr Lebensbereiche. Sie nimmt den Menschen Freiheiten. Freie Meinungsäußerung ist zu einem Karriererisiko geworden. Die Entwicklung erinnert wiederum an religiöse Phänomene wie die Ketzerverfolgung. Nur, dass dies heutzutage nicht mehr mit Feuer und Schwert, sondern mit Cancel Culture, der Ausstoßung aus sozialen Netzwerken und der Vernichtung von Existenzen, geschieht. Einzige Möglichkeit dem zu entrinnen ist das öffentliche Schämen („public shaming“) mit zugehörigem Schuldeingeständnis.

Der Wokismus funktioniert wie ein religiöser Wahn

Auch dass man enge Freunde verliert, wenn man seine „wahren“ Gedanken äußert, wird zunehmend beklagt. Durch die vermeintlich befreienden Bewegungen des Feminismus, Antirassismus usw. gewinnen die Menschen nicht an Freiheit, sondern verlieren wichtige Freiheitsbereiche. Die freie Meinungsäußerung und die Freiheit zur Entfaltung der Persönlichkeit sind zwei davon. Erinnert das Ganze an religiöse Praktiken? Ganz sicher und auch ganz sicher kein Zufall! Wir befinden uns mitten in einem religiösen Wahn, den immer mehr Menschen teilen. Der Begriff „woke“, der so viel wie aufgewacht oder erweckt bedeutet, macht nur in solchen Kontexten Sinn. Erweckt fühlt sich überlicherweise, wer unter Drogeneinfluss steht, oder glaubt, als Auswerwählter die Wahrheit erblickt zu haben. Insofern ist die zunehmende Verbreitung woker Botschaften über Sexualität, Sexismus, Rassen, Transsexuelle einerseits und weiße, alte Männer als Feindbild sowie Weiß-Sein als Mentalität andererseits Ausdruck eines religiös geprägten, wissenschafts- und aufklärungsfeindlichen Weltbilds. Millionen Menschen glauben inzwischen, dass nicht nur Frauen menstruieren, dass Männer die Ursache von Toxizität in dieser Welt sind und ähnlich absurde Botschaften.

Ein besonders bizarres Erscheinungsbild woker Kontexte sind Selbstbezichtigungen von Männern, um in einem solchen Ritual Lossprechung und Zugehörigkeit zu erhalten.

Differenzierte Positionen nötig

Um es an dieser Stelle ganz deutlich zu machen: Um zu einer konstruktiven Entwicklung im Geschlechterverhältnis zu kommen, sind differenzierte, empathische Positionen nötig. Diese werden aber zu selten realisiert, denn: Im Medienbetrieb und zunehmend auch im Wissenschaftsbetrieb setzt sich das Grobschlächtige durch. Und das sorgt für immer mehr Polarisierung. Frauen und Männer als Gruppen sind im Binnenverhältnis heterogener als die Unterschiede zwischen beiden Gruppen sind. Mit anderen Worten: Es gibt so viele Varianten des Weiblichen und des Männlichen, dass es kaum gelingt, die beiden Gruppen in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit adäquat zu beschreiben. Und genauso wie es unter Frauen emotionale Übertreibung, Erpressung und Manipulation als Problemlage einzelner Frauen gibt, können einzelne Männer extrem sexistisch, gewalttätig und zerstörerisch sein. Aber weder das eine noch das andere Phänomen rechtfertigt die Aussage, dass Männer toxisch und Frauen manipulativ sind. Während es aber in den letzten Jahren nahezu unmöglich geworden ist, kritische Anmerkungen zu Frauen des öffentlichen Lebens und zum Feminismus zu machen, ohne als frauenfeindlich etikettiert zu werden, ist dies auf der Seite der Männer in beliebiger Form möglich.

Wo bleibt die Wende in der Geschlechterpolitik?

Für eine Wende in der Geschlechterpolitik im Allgemeinen und in der Männerpolitik im Speziellen ist es höchste Zeit. Die Symptome, die schon jetzt bei genauer Analyse deutlich beobachtbar sind, zeigen eine Ignoranz der Politik gegenüber den Problemen von Männern an. Genauso ist es schon länger bekannt, dass sich Jungen immer problematischer entwickeln, weniger Jungen als Mädchen das Abitur schaffen und viele Jungen ab der Pubertät in Problemverhaltensweisen wie Gaming und Drogenkonsum abrutschen. Dies geschieht oft aus Enttäuschung und Frust über die Entwicklung in der Realität (Schule, Beruf).

In der Gleichstellungspolitik geht es in Richtung Überkompensation

Auch entwickelt sich die Gleichstellungspolitik in eine überkompensatorische Richtung. Es geht immer öfter nicht in die Richtung der Erfüllung der Parität, sondern in Richtung einer Überfüllung, jedenfalls dort, wo es sich um privilegierte Positionen handelt. Es wird von Seiten des Postfeminismus immer noch geklagt, Männer – vor allem ältere weiße – würden unberechtigte Privilegien einnehmen. Dieses Narrativ dient dann als Legitimation der überkompensatorischen Gleichstellungspolitik. Eine besondere Privilegierung von Männern ist aber überwiegend gar nicht mehr gegeben. Bei sozialen Randgruppen (Wohnungslose, Randgruppen, Strafgefangene) sind Männer deutlich häufiger vertreten als Frauen. Ganz sicher kein Anzeichen von Privilegierung! Die Propaganda vom privilegierten Patriarchat ist aber nützlich zur nachhaltigen Umgestaltung der Gesellschaft, in der Frauen – zumindest im öffentlichen Bereich wie Politik, Hochschulen, Verwaltung und Medien – dann bald überall deutlich mehr als 50% der qualifizierten und herausgehobenen Positionen einnehmen werden. In der Gleichstellungspolitik des Bundes und der Länder gibt es keinen Steuerungsmechanismus gegen die Überkompensation der privilegierten Positionen mit Frauen. So werden in wenigen Jahren Frauen mit höheren Prozentanteilen in hochqualifizierten Positionen des öffentlichen Dienstes vertreten sein als Männer, während bei den prekären und einfachen Tätigkeiten (Hoch- und Tiefbau, Reinigungs- und Wachdienste, Sicherheitsdienste, Müllabfuhr, Kraftfahrer, Taxifahrer, Schichtarbeit, Stahl- und Autoindustrie usw.) immer mehr Männer mit geringeren Schulabschlüssen und Qualifikationen tätig sein werden. Für diese Bereiche ist natürlich keine Gleichstellungsquote vorgesehen.

Immer mehr Männer in prekären Arbeitsverhältnissen

In den prekären Arbeitsverhältnissen finden sich schon jetzt überzufällig viele Männer aus der sozialen Unterschicht und mit migrantischem Hintergrund. Dies wird sich fortsetzen, wenn nicht jetzt gegengesteuert wird. Diese gesellschaftliche Polarisierung in privilegierte und nicht-privilegierte Biographien wird vor dem Hintergrund der immer weiter differierenden Bildungslaufbahnen von Jungen und Mädchen in der internationalen Forschung als „boy crisis“ bezeichnet. Die Politik in Deutschland hat darauf bislang nicht in erkennbarem Ausmaß reagiert und betreibt immer noch in einseitiger Art die Förderung der benachteiligten Mädchen. Das Schlimme an der misandrischen, die Jungen benachteiligenden, Entwicklung in der Gesellschaft ist, dass diese ungebremst weitergehen wird. Es gibt keine funktionierende politische Interessenvertretung der Männer. In der postfeministischen Logik ist dies auch zwangsläufig, weil Männer ja ohnehin überprivilegiert sind. Die Realität jedoch ist schon jetzt eine ganz andere. In jedem Jahrgang erreichen 10% weniger Jungen als Mädchen die Hochschulzugangsberechtigung (Abitur). In wenigen Jahren wird Gleiches für die Hochschulabschlüsse gelten. Die zuständigen Ministerien auf Landes- und Bundesebene haben alle das Thema Frauen und Jugend im Portfolio. Nirgendwo gibt es ein Ministerium, dass sich gezielt um Jungen oder Männer kümmert. Wenn es eine Politik für Jungen gibt, dann zielt diese darauf ab, sie zu Anhängern des Feminismus zu machen oder sie in ihrer psychosexuellen Entwicklung mit LGBTIQ-Ideologie zu konfrontieren. Ein Entwicklungsprogramm zum Mann mit klassischen Tugenden und modernen Werten zugleich, wie dies für die Mehrheit der Jungen wichtig wäre, ist nirgendwo vorhanden. Die schon heraufgezogene Krise der Jungen wird sich zu einer ausgewachsenen Krise der Männer entwickeln, wenn nicht jetzt gegengesteuert wird.

Absolution für Männer durch Selbstbezichtigung – eine trügerische Hoffnung

In den letzten Jahren häufen sich die Beispiele von Männern, die sich öffentlich selbst bezichtigen. Diese Selbstbezichtigungen, die zum Kontext religiöser Bußrituale passen, dienen dazu, Freisprechung („Absolution“) und Zugehörigkeit (nach Cancel-Culture-Behandlung) zu erlangen. Die Männer beichten, dass sie Privilegien hatten, ihren Frauen nicht genügend Unterstützung haben zuteilwerden lassen, sich in Arbeit und Karriere geflüchtet hätten oder ähnliche „Verfehlungen“ begangen hätten. Einmal ganz davon abgesehen, dass solcherlei Dinge üblicherweise in den privaten Bereich gehörten, stellt sich die Frage, wozu solche öffentlichkeitswirksamen Bußen dienen sollen, was ihr „geheimer“ Sinn darstellt? Diejenigen Männer, die sich dem Bußritual nach Verfehlungen im Sinne der woken Identitätsideologie nicht unterwerfen wollen, laufen Gefahr, gesellschaftlich geächtet zu werden und den Zugang zu Ressourcen und Netzwerken zu verlieren.

Wie der postmoderne Feminismus Selbstbezichtigungen von Männern begünstigt

Der Feminismus heutiger Tage tritt meist wie eine quasireligiöse Bewegung auf. Männer, die sich aus Gründen des Konformismus, der Angst oder der Erwartung von Befreiung anschließen, verhalten sich wie Konvertiten in religiösen Kontexten. Sie werden oft selbst radikal, hyperaggressiv, rigide und erkennen nicht mehr die Vielschichtigkeit der Geschlechterprobleme. Boris von Heesen (2022) liefert in seinem Buch „Was Männer kosten[1]“ unfreiwillig Beispiele: „Der Feminismus beinhaltet mit seiner Idee der Gerechtigkeit das Agieren auf Augenhöhe“ (S. 191). Er behauptet, dass der Feminismus seiner Idee nach Konkurrenz relativiert und Kooperation befördert. Ferner postuliert der Autor – ohne Belege -, dass sich der Feminismus als Idee der Geschlechtergerechtigkeit positiv „auf die körperliche und seelische Gesundheit von Männern“ (S. 194) auswirkt.  Die Ausführungen von Heesens zum Feminismus können nur als ideologielastige Werbeveranstaltung gewertet werden. Er bleibt an zahlreichen Stellen Belege für die einseitig in Bezug auf Männer negativen Aussagen schuldig, zeigt mangelnden Abstand zur feministischen Bewegung und nimmt entscheidende Realitäten nicht zur Kenntnis. Allein ein Blick in das Geschlechterverhältnis der feministischsten aller Parteien, den Grünen, macht deutlich, dass dort knallharte Machtpolitik der Feministinnen gegen die Parteimänner betrieben wird. Beschränkung des Rederechts und der Redezeiten der Männer gegenüber den Frauen, Listengarantien für weibliche Kandidaten sind zwei der augenfälligsten Beispiele für feministische Dominanz in der Realität. All dies hat nichts mehr mit Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit zu tun. Wenn Männer es bei den Grünen zu wenigstens ein bisschen etwas bringen wollen, müssen sie sich der feministischen Doktrin anpassen.

Feindselig polarisierte Frauen und Männer – das darf nicht sein!

Ein Aspekt, der in der Geschlechterdebatte und noch mehr im Geschlechterverhältnis wenig offensichtlich wird, ist die Funktionalität des postmodernen Feminismus, also der tiefere Zweck und die Absichten der Bewegung. Dieser lehnt Männer und Männlichkeit vollkommen ab, es sei denn die Männer ordnen sich dem Feminismus unter und dienen ihm. Etliche sogenannte Männerexperten verfolgen neben manchen emanzipativ erscheinenden Aussagen genau diesen Weg der Unterordnung und Anpassung. Im Gleichstellungsdossier des Bundesfrauenministeriums (BMFSFJ) von 2020, das vom Schweizer Psychologen Markus Theunert erarbeitet wurde, wird eine solche Position eingenommen. Man betrachtet sich als Kämpfer gegen das böse Patriarchat, das an allen Ecken des gesellschaftlichen Lebens latent lauert. Es bleibt mehr als zweifelhaft, ob dieser Weg für Männer nützlich ist. Im Zweifelsfall sollen sich die Männer, so das Dossier, einfach unterordnen, bei der Gleichstellung für Frauen mithelfen oder „einfach mal die Klappe halten“. Dass es auch für Männer zahlreiche Benachteiligungen gibt, bleibt in solchen politischen Papieren, die vom Feminismus bestimmt sind, unerwähnt. Dabei erleiden Männer auch etliche Benachteiligungen und Diskriminierungen (siehe https://mens-mental-health.de/diskriminierung-von-maennern/). Die feministischen Konzepte, die nur Frauen als Opfer darstellen, polarisieren Frauen und Männer immer mehr, schaffen Missgunst und gegenseitige Ablehnung. Das darf nicht sein!

Das Patriarchat als quasireligiöse Erbsünde

Der Zweck der postfeministischen Bewegung besteht im Säen von Zwietracht zwischen den Geschlechtern, letzten Endes auch in der Auflösung der biologisch determinierten Zweigeschlechtlichkeit. Besonders deutlich wird diese innere Haltung des Postfeminismus am Umgang und der Stigmatisierung alter, weißer Männer, die als Feindbild erkoren wurden. Ein böses Patriarchat treibt sein Unwesen, das für alle Schlechtigkeiten dieser Welt verantwortlich ist. Überflüssig zu sagen, dass dies ein quasireligiöses Weltbild darstellt, denn auch das Böse, der Teufel, darf in einer solchen simplen Ideologie nicht fehlen. Dabei wird der imaginierte Patriarch (weiß, männlich, alt) mit dem Teufel gleichgesetzt. Das Patriarchat funktioniert wie die biblische Erbsünde, bezogen auf alle weißen Männer, die ohne es zu wissen von diesem sündhaften Makel („Privileg“) befallen sind. Das Leben der Männer ist der Postmoderne ist in der Realität alles andere als patriarchal. Nur wenig, wirklich privilegierte Personen, vor allem Familien, verfügen über Macht, Geld und Einfluss. Daher sollte nicht von Patriarchat, welches ein sexistischer Begriff ist, sondern von Oligarchie die Rede sein.

Angst und Scham im Leben des postmodernen Mannes

Eines der Grundgefühle, die Männern heute vermittelt werden, ist Angst. Die Angst, die Jungen schon in der Erziehung und im Bildungsbereich vermittelt wird, hat die Funktion einer umfassenden Disziplinierung. Es geht darum, dass sie sich fürchten sollen, so wild und ungestüm zu sein, wie sie sind, sich so zu entwickeln, wie sie sich entwickeln könnten. In der Folge entsteht dann ein Schamgefühl für das, was sie verstecken oder temporär vielleicht doch mal von sich zeigen. Sie haben früh gelernt, dass es nicht gut ist, dass sie so sind, wie sie sind. Es ist besser für sie, sich vorauseilend anzupassen, um nicht abgelehnt oder getadelt zu werden. Jungen sollen ihre jungentypischen Potentiale von Anfang an unterdrücken. Dies bedeutet, dass sie nicht konkurrieren, wild toben, sich körperlich ausdrücken, rangeln und sich messen sollen. All dies ist in den Augen des Postfeminismus toxisch. Es könnte Mädchen und späterhin Frauen beeinträchtigen oder verletzen. Deshalb muss es so früh wie möglich unterdrückt oder ins Gegenteil verkehrt werden. Männer sollen sich ihres Wesens als Mann, in dem nach dieser Ideologie der potentielle Täter steckt, schämen, indem sie sich für potentielle Täter halten (vgl. https://mens-mental-health.de/toxische-maennlichkeit/).

Schäm Dich, Du bist ein Mann!

Dabei geht es in Wahrheit nicht um Gewalttätigkeit, die zu ächten ist. Es geht um die vitale Kraft im Männlichen: Als Erfinder, als Beschützer, als Lenker, Denker und Kritiker. Das Narrativ der toxischen Männlichkeit bedient exakt diesen Mechanismus, dass Männer sich als falsch und unpassend empfinden, um sich dann nicht mehr durchzusetzen, zu behaupten oder ihre Stärke in angemessener Weise zu zeigen. Das Paradoxe dabei ist, dass nicht nur Männer diese Potentiale mögen, sondern dass sie auch von den meisten Frauen darum gemocht und geliebt werden. Männer werden von der Mehrzahl der Frauen als Beschützer, als starke Männer und als Kraftspender geschätzt.

Nur Frauen mit neurotischen Problemen – übertriebenen Ängsten, Selbstwertdefiziten – versuchen Männer von Anfang an zu unterdrücken und ihrer Kraft zu berauben. Und obendrein streben viele Frauen heutzutage genau diese klassisch männlichen Attribute an und viele junge Frauen übertreffen ihre männlichen Altersgenossen schon. Die genannten Eigenschaften werden nur nicht von den radikalen Feministinnen und den Männern, die sich ihnen als Co-Feministen andienen, geschätzt. Obwohl diese eine kleine Minderheit aller Frauen und Männer darstellen, beherrschen sie große Teile des öffentlichen Diskurses. Der tiefere Sinn des Ganzen besteht darin, dass sich Männer viel besser unterdrücken und domestizieren lassen, wenn sie Angst und Scham empfinden. Sie werden dadurch steuerbar, manipulierbar und ihre Kraft schwindet dahin. Sowohl die innere als auch die nach außen wirkende Kraft.

Domestizierung des Mannes, Selbstbezichtigung und Scham: Wohin führt das alles?

Wohin führt das Ganze? Mit Sicherheit für die Männer nicht in die Freiheit. Die Inquisition und andere historische Beispiele zeigen, was passiert, wenn man die Menschen zu erzwungenen oder informell erpressten Selbstanklagen bringt. Immer wieder waren es totalitäre Bewegungen, die die Menschen zu Selbstbezichtigungen geführt haben. Ob es der Stalinismus, der McCarthyismus, die Verfolgung vermeintlicher Häretiker war, auf der einen Seite standen die religiös-dogmatischen Religionseiferer, auf der anderen Seite die ängstlichen Verfolgten, Angeklagten, zu Minderheiten gemachten. Interessant ist es, dass es heutzutage der Postfeminismus und die eng assoziierten Identitätsprotagonisten vermögen, solche Reaktionen wieder auszulösen.

Totalitäre, dogmatische Regime und Zeiten erzeugen Feigheit, Opportunismus, Konformismus, Doppelmoral und Lügen. Auf diesem Weg befinden wir uns wieder. Diesmal ist alles digital, hybrid und sonstwie kaschiert. Die Diktatur tritt auch gerne im Schafspelz auf. Wer die Leitmedien kritisch beobachtet, weiß, was gespielt wird. Dort haben woke und postfeministische Ideen schon große Fortschritte gemacht. Nehmen wir die Gendersprache, die ein ursprünglich feministisches und inzwisches wokes Vorzeigeprojekt darstellt. Diese Kunstsprache beherrscht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) fast vollständig. Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung diese Kunstsprache ablehnt, wird sie immer weiter propagiert.

Wokeismus und kritische Gerechtigkeitskämpfer haben den Feminismus gekapert

Feminismus und Liberalismus sind Beispiele sozialer Bewegungen, die vom Wokeismus gekapert wurden. Wie konnte das passieren? Der Feminismus wollte nicht zugestehen, dass seine Hauptaufgabe im Westen erreicht war. Kurz vor Schluss wandelte sich das Projekt zur hyperradikalen Bewegung. Der Liberalismus hatte kein Rückgrat gegen die Intoleranten und meinte auch dort, tolerant und akzeptierend sein zu müssen, wo alles Andersdenkende beschimpft und niedergebrüllt wird. So geht es den Protagonisten sozialer Bewegungen, sie selbst ohne Substanz und Struktur sind. Heute sind sie Spielball der vermeintlich Gerechten, die sich „critical justice theory“ nennen, in Wahrheit aber Sektierer und Inquisitoren sind. Die hyperemotionale Grundstimmung in der identitätspolitischen Szene ist die Brutstätte von Verunglimpfung, Intoleranz und Hass. Die beginnt in den Köpfen und kann sich in der Realität fortsetzen. Die Identitätspolitik der Woken sorgt dafür, dass sich die Menschen mit immer kleineren Subgruppen identifizieren und gegen andere Gruppen agieren und dann auch agitieren. Es entsteht ein Stammesdenken als Gegenbewegung zur Globalisierung.

Nirgendwo Hoffnung? – vielleicht doch!
Wie werden Männer in Zukunft in unserer Gesellschaft leben? Noch wird es viele Jahre dauern, bis Männer ihre Geschlechtsrolle und -identität ohne schlechtes Gewissen und mit Selbstbewusstsein selbst definieren können werden. Die Jahrhunderte der feudalen und oligarchen Unterdrückung haben ebenso wie die Jahrzehnte des radikalen Feminismus ihre Spuren hinterlassen und dies wird sich fortsetzen, bis es zu einer Gegenbewegung seitens der Männer und wohlwollender Frauen kommt. Erst wenn Männer sich vom Schuldkomplex und dem Schamgefühl, die ihnen in dieser Zeit vermittelt wurden, befreien, können sie sich wieder flexibel und frei entwickeln. Sie können dann die Möglichkeiten eines Lebens als Mann entdecken, selbstbestimmt und nicht manipuliert von postfeministischen Vorwürfen und Anforderungen. Und zu ihrem Leben als Mann gehören neue Möglichkeiten und Rollen genauso wie die Vorteile der traditionellen Männerrolle. Zu tief sitzen derzeit noch die jahrzehntelangen negativen Botschaften des Feminismus.

Anpassung ist keine Lösung – Autonomie und globale Selbstbestimmung sind der Weg

Zuerst müssen Männer erkennen, dass es keine Lösung ist, sich den Feministinnen anzupassen oder unterzuordnen. Die von Autoren aus dem Feminismus vorgeschlagenen Lösungen für Männer sind für Männer nicht gangbar, weil es ihnen Identität, Autonomie und dadurch letzten Endes Selbstwert raubt. Die von Seiten des feministischen Lagers vorgeschlagenen Wege bringen für Männer Manipulation, Scham- und Schuldgefühle sowie Abhängigkeit. Sie sind deshalb keine wirklichen Wege zur Befreiung, sondern führen zu neuerlicher Unzufriedenheit und Fremdbestimmung. Geschlechterfrieden geht nur auf Augenhöhe. Männer müssen ihren Weg selbst finden, abseits von den Forderungen des politischen Feminismus. Sich von alten Zwängen und neuen rigiden Zuschreibungen zu befreien, sind dabei wichtige Schritte für eine selbstbestimmte und sozial förderliche und verantwortliche Zukunft. Männer sollen ihr Leben mehr in die eigene Hand nehmen und genießen können. Dies umfasst auch die Freiheit von politischen Ideologien und autokratischen Machthabern, die Männer immer wieder als Kanonenfutter in Kriegen verheizt haben und es auch jetzt gerade noch tun. Die Mehrzahl der Männer war nie privilegiert, sondern Opfer von Oligarchen. Ob sie in Zukunft eine Chance haben werden, selbstbestimmt, fair und frei zu leben, ist mehr als ungewiss. Dafür kommen Bildung und Information weltweit eine entscheidende Bedeutung zu. Jeder Junge und jeder Mann soll sich geschlechtsreflektiert ein Bild über seine Rolle in dieser Welt machen können. Dafür müssen manipulative Strukturen in Bildung, Medien und Politik global überwunden werden.

Autor: Prof. Dr. Michael Klein (Köln), Psychologischer Psychotherapeut, Experte für Männerpsychologie und -psychotherapie, Forschung zu Geschlechterverhältnis und psychischer Gesundheit von Männern.

[1] Von Heesen, Boris (2022). Was Männer kosten. Der hohe Preis des Patriarchats. München: Wilhelm Heyne Verlag.

 

 

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Lesermeinungen

  1. By Altschneider

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