Stellungnahme zur beabsichtigten Legalisierung von Körperverletzung an Jungen
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir möchten hiermit als Interessenvertretung von Jungen fristgemäß zum beabsichtigten Gesetz zur Legalisierung der Beschneidung von Jungen Stellung nehmen.
Das beabsichtigte Gesetz ist aus mehreren Gründen äußerst bedenklich und nicht verfassungskonform:
- Durch die Beschneidung wird das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 des Grundgesetzes zumindest bei nicht einwilligungsfähigen Kindern beschränkt. Das ist ein Verstoß gegen Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 136 Abs. 1 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919, denn danach dürfen die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt werden.
- Nach Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 136 Abs. 4 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 darf niemand zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden. Durch die Beschneidung nicht einwilligungsfähiger Kinder wird gegen dieses Grundrecht verstoßen.
- Die operative Entfernung eines gesunden Organs – also ohne medizinische Indikation – kann niemals kindeswohldienlich sein, da jeder operative Eingriff – selbst wenn er nach den anerkannten Regeln der Medizin durchgeführt wird – die Gefahr von Komplikationen beinhaltet. Hier wird also aus rein rituellen Gründen, ohne medizinische Indikation, das Risiko von gesundheitlichen Komplikationen billigend in Kauf genommen.
- Die WHO teilt die Beschneidungsformen bei Mädchen je nach Schweregrad in verschiedene Kategorien ein. Während selbst rein rituelle Beschneidungsformen ohne wirklichen Eingriff bzw. Schnitt bei Mädchen auch aus religiösen Gründen verboten sind, wird bei Jungen ein irreversibler Eingriff in die körperliche Unversehrtheit legalisiert. Das ist eine Teilung des Grundrechtes auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 des GG und ein Verstoß gegen die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des GG. Zudem widerspricht es dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
Wir sind überrascht, dass die politisch Verantwortlichen diesen verfassungsrechtlichen Aspekten keine ausreichende Bedeutung beigemessen haben und fordern, Beschneidungen bei Jungen, und vor allem bei nicht einwilligungsfähigen Jungen, ebenso konsequent zu verbieten wie bei Mädchen. Alles andere sehen wir, als Interessenvertretung von Jungen, als jungenfeindlich.
Wir sind sehr bestürzt über die Tatsache, dass die Politiker und Politikerinnen entgegen ihren Lippenbekenntnissen von wegen „neuen Wegen für Jungs“ und „neuen Rollenbildern“ Jungen immer noch mehr Gewalt zumuten als Mädchen. Hier zeigt sich deutlich, dass es nicht die Jungs, sondern die Politikerinnen und Politiker sind, die Jungen immer wieder in die alten archaischen Formen pressen. Das ist nicht nur rückständig und nicht mehr zeitgemäß, sondern auch Jungen benachteiligend.
Es gibt sowohl im Judentum als auch im Islam männliche Angehörige dieser Religionsgemeinschaften, die nicht beschnitten und trotzdem vollwertige Mitglieder ihrer Religionsgemeinschaft sind. Wir sind deshalb überzeugt, dass eine Lösung gefunden werden kann, die Jungen das uneingeschränkte Recht auf körperliche Unversehrtheit zugesteht und den Interessen der Religionsgemeinschaften Rechnung trägt. Es ist Aufgabe der politisch Verantwortlichen, diese Lösung zu finden.
Für eine kurze Rückantwort auf unsere Stellungnahme wären wir dankbar.
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