IG Jungen, Männer und Väter beim Zukunftsgespräch des BMFSFJ
Am Zukunftsgespräch „GEMEINSAM GETRENNT ERZIEHEN“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 11.07.2017 in Berlin nahm das Who is Who des bundesdeutschen familienpolitischen Diskurses teil – aus Bundesministerien, Wissenschaft und Forschung, aus den gerichtsnahen Professionen sowie aus verschiedenen NGOs. Zum ersten Male in der Geschichte der Bundesrepublik waren nicht nur Frauenorganisationen (11 Verbände) geladen, sondern auch 3 authentische Vertreter der Interessen von Vätern: IG-JMV, VafK und Väternetzwerk. MANNdat ist Mitglied bei der IG-JMV (Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter).
Handlungsbedarf bei Trennungsfamilien
Bundesfamilienministerin Dr. Katarina Barley sprach das Grußwort und nahm selbst an der Veranstaltung teil. Sie beschrieb Defizite im Ministerium („Im Haus liegt der Fokus zu wenig auf Familien nach einer Trennung“) und benannte den Handlungsbedarf (u. a. „Unterstützung für Nachtrennungsfamilien“ und „Veränderungen im Steuerrecht“).
Bestärkt wurde sie durch die präsentierten Erkenntnisse der Allensbach-Studie bzw. einer aktuellen Studie der Hertie School of Governance. Beide Institute räumten ein, bis jetzt lägen verlässliche Zahlen über getrennterziehende Väter nicht vor. Diese Väter würden durch die gängigen Statistiken schlichtweg nicht erfasst.
Dr. Haumann / Allensbach stellte fest: „1/3 der Trennungsfamilien sagen JA zur gemeinsamen Betreuung“ und „90 % der gemeinsam Betreuenden haben gute Erfahrungen gemacht“. Die Bedarfe der Eltern seien unterschiedlich: Mütter wünschten sich eine bessere Fremdbetreuung (Krippenplätze). Väter hätten Bedarf an einer Minderung der Unterhaltszahlungen.
Frau Prof. Michaela Kreyenfeld / Hertie School of Governance stellte fest: „Trennungsväter sind eine relevante Gruppe“. In dieser Gruppe habe 1/3 der Trennungsväter regelmäßig Kontakt zum Kind, 1/3 habe selten Kontakt zum Kind und 1/3 der Trennungsväter erlitte Kontaktabbruch zum Kind.
Hierarchischer Ansatz im Familienrecht
Richter a. D. Jürgen Rudolph beschrieb den in Deutschland herrschenden „hierarchischen Ansatz“ im Familienrecht – durch die vorhandenen Strukturen würde Eskalation gefördert: „Wir befrieden nicht“. Er forderte frühe staatliche Interventionen; BMJV und BMFSFJ seien in der Pflicht, „rechtlich verpflichtende Rahmenbedingungen zu schaffen“.
Ähnlich argumentierte Marc Serafin / Jugendämter Niederkassel: Er bedauerte die „Retraditionalisierung im Trennungsfall“ durch die „institutionelle Praxis des Residenzmodells“. Serafin forderte ein neues Leitbild: „Partnerschaftliche Aufteilung nach einer Trennung‘“. Weg vom Residenzmodell – hin zu Shared Parenting. Serafin forderte Änderungen im SGB VIII § 18: weg von der ausschließlichen Beratung eines Elternteils durch die Jugendämter, hin zur standardisierten Beratung beider Eltern. Jugendämter müssten dafür qualifiziert werden.
Frau Prof. Hildegund Sünderhauf berichtete vom australischen Umgang mit Trennungseltern durch obligatorische Mediation in den Family Relationship Centers FRC. Dadurch seien die Gerichtsverfahren erheblich zurückgegangen.
Deutsches Jugendinstitut (DJI) zensiert Väter
Dass die Geschlechterpolitik immer noch Väter aus der geschlechterpolitischen Diskussion ausgrenzt, zeigte sich am Workshop „Wie kann Getrennterziehen gelingen? Handlungsfelder für Politik und Gesellschaft“, der von Frau Prof. Sabine Walper geleitet wurde. Frau Walper ist seit 01.02.2012 Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut (DJI) und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen am Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das DJI ist das größte sozialwissenschaftliche Institut für Forschung und Entwicklung in Deutschland in den Themenbereichen Kindheit, Jugend, Familie und den darauf bezogenen Politik- und Praxisbereichen und hat durch seine Beratungsfunktion wesentlichen Einfluss auf die Familienpolitik. Väterpolitisch bekannt ist es vor allem durch seine ehemalige Mitarbeiterin Anita Heiliger, die die Idealisierung der mütterlichen Alleinerziehung und die Politik der Väterausgrenzung vorantrieb. Die väterfeindlichen Thesen ihrer Dissertation von 1990 „Alleinerziehen als Befreiung“, nach denen u. a. „das Verlangen nach gemeinsam ausgeübtem Sorgerecht oder die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater als eine Art kollektiver Racheakt interpretiert werden“ könne, sind prägend für die Familienpolitik bis in die heutige Zeit.
Diese Väterausgrenzung wird beim DJI offenbar immer noch gelebt. Frau Walper zensierte kurzerhand die konkret vorgebrachten Lösungsvorschläge der IG-JMV und nahm die Forderungen weder als Ergebnisse des Workshops auf noch stellte sie sie bei der Abschlussrunde vor.
Forderungen der IG Jungen, Männer und Väter (IG-JMV)
Durch solch unseriöses, väterfeindliches Gehabe lassen sich die Protagonisten der Väterrechtsbewegung nicht mehr einschüchtern. Gerd Riedmeier vom IG-JMV zitierte in der Abschlussdiskussion die bereits geäußerte Forderung nach einem neuen Leitbild im Familienrecht und forderte einen Neustart im bundesdeutschen Familienrecht. Dabei müsse gelten:
- Gleiche Rechte für Mütter und Väter
- „Beide betreuen – beide bezahlen“
- Der Blick auf die jeweilige Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit.
Eine bloße Modifikation des bestehenden Systems reiche nicht aus. Forderungen, die in einem Land, in dem in der Verfassung die Gleichberechtigung der Geschlechter festgeschrieben ist, eigentlich längst Selbstverständlichkeit sein müssten.
Riedmeier forderte die Anwesenden auf, in einer großen Anstrengung mitzuwirken bei der Schaffung des modernsten Familienrechts in Europa.
Als Lösung im Unterhaltsrecht schlug Riedmeier das Rosenheimer Modell vor. Es sei geeignet für „echte“ Alleinerziehende, für Eltern, die paritätisch im Wechselmodell leben (50:50) sowie für alle individuell möglichen Lösungen dazwischen.
Riedmeier bedankte sich bei den verantwortlichen Damen aus dem Hause BMFSFJ für das erfolgreiche Organisieren der Veranstaltung „Zukunftsgespräch GEMEINSAM GETRENNT ERZIEHEN“.
Mehr dazu ist auf der Homepage der IG Jungen, Männer und Väter zu finden.
Bild: Gerd Riedmeier
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Sehr gute Aktion! Raus aus dem Netz, rein in die Politik! Die Sache dort hingetragen, wo sie verhandelt werden muss! Wie schon öfter gesagt: Es reicht nicht, sich im Netz gegenseitig die Zeitung vorzulesen.
Großen Dank und Glückwunsch an Gerd Riedmeier und alle Beteiligten.
Eugen