Frauenförderung in NRW ist verfassungswidrig – aber warum?
Seit Juli 2016 sollen weibliche Beamte in Nordrhein-Westfalen (NRW) bei sogar nur „im Wesentlichen“ (!) gleicher Eignung und Leistung bevorzugt befördert werden. Die FDP wollte eine Verfassungsklage einreichen und ist gescheitert. Weil die Abgeordneten aller anderen Fraktionen mehrheitlich dagegen stimmten oder sich enthielten, bekam die FDP nicht die erforderlichen 30 % der Stimmen im Landtag für einen Normenkontrollantrag zusammen.
Ist die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW wegweisend?
Laut Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) ist das nordrhein-westfälische Landesbeamtengesetz verfassungswidrig. Dieses Urteil wurde unter Männerrechtlern als wegweisend angesehen. Ist es das wirklich?
Kritisiert wurde in dem Urteil nicht etwa die bevorzugte Beförderung von Frauen bei im Wesentlichen gleicher Qualifikation, sondern die Einschätzung der fachlichen Leistung. Von der aktuellen dienstlichen Beurteilung könne nämlich nicht automatisch auf gleiche Qualifikation geschlossen werden.
§ 19 Abs. 6 Satz 2 LBG NRW neuer Fassung unterliege keinen rechtlichen Bedenken. Nach dieser Vorschrift sind Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.
Verfassungswidrig sei jedoch § 19 Abs. 6 Satz 3 LBG NRW neuer Fassung, wonach von einer im Wesentlichen gleichen Qualifikation bereits auszugehen ist, wenn die aktuelle dienstliche Beurteilung der Frau und des Mannes ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist. Ein so reduzierter Qualifikationsvergleich verstoße gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG).
Wenn zwei Beamte auf ihren derzeitigen Stellen in etwa gleich gut beurteilt wurden, bedeutet dies nämlich nicht eine gleich gute Qualifizierung für eine Stelle, auf die sie sich bewerben.
Die bevorzugte Beförderung von Frauen ist nicht verfassungswidrig
Nehmen wir an, es sei eine Stelle zur betriebswirtschaftlichen Prüfung von Betrieben in öffentlicher Hand ausgeschrieben. Michael Mustermann ist Diplom-Kaufmann, hat an einer Universität Betriebswirtschaftslehre studiert und ist derzeit Referent für Wirtschaftsförderung. Erika Musterfrau ist Diplom-Soziologin und derzeit Referentin für öffentliche Unterbringung von Obdachlosen.
Nach dem NRW-Gesetzesentwurf ist die Soziologin für die Stelle als Betriebsprüfer als genauso gut qualifiziert anzusehen wie der Betriebswirt, wenn nur ihre aktuelle Beurteilung in ihrer Funktion bei der Obdachlosenhilfe in etwa gleich gut ist wie die des Betriebswirts in dessen aktueller Verwendung. Und bei gleich guter Qualifizierung wäre sie als Frau vorzuziehen.
Die dienstliche Beurteilung verstößt gegen das Gebot der Bestenauslese
Sie bekäme die Stelle als Betriebsprüferin, obwohl sie noch nie eine Bilanz gelesen hat, geschweige denn Bilanzkennzahlen kennt oder interpretieren könnte. Dafür bräuchte sie dann einen unterstellten Betriebswirt.
Mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hat das OVG also keine Probleme. Vielmehr sieht es einen Verstoß gegen die Bestenauslese. Besser als nichts, mag man sich sagen. Wegweisend ist das aber nicht.
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Lesermeinungen
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Es ist unglaublich, wie inzwischen glasklare Vorgaben des Grundgesetzes in ihr Gegenteil verkehrt werden, und das auch noch mit höchstrichterlicher Billigung. Die sogenannte Gleichstellungspolitik ist längst zu einer kaum noch verhohlenen Frauenbevorzugungspolitik geworden. Da das Sein bekanntlich das Bewusstsein bestimmt, wird hier nur eine entsorechende Aufrüttelung der breiten Öffentlichkeit Abhilfe schaffen können.
Hatte ich (glaub sogar hier) schon mal als Kommentar angemerkt, nachdem ein anderer Kommentarschreiber das Urteil gefeiert hatte.
Das Urteil ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist. Denn das grundsätzliche Problem, die Benachteiligung und Diskriminierung von Jungen und Männern hört damit nicht auf und wird leider wohl auch nicht mit der nötigen Eindeutigkeit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangen.
Ein richtiges und vielleicht sogar wirklich wegweisendes Urteil wäre es gewesen, wenn man endlich die Bevorzugung von Mädchen/Frauen und die Benachteiligung von Jungen/Männern in den Focus gerückt hätte.
Nicht (zumindest nicht allein) der Leistungsgedanke hätte ausschlaggebend sein müssen, sondern die Bevorzugung bzw. die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.