Tutzing, Rosenbrock und die Glorifizierung von Halbwahrheiten

von Dr. Bruno Köhler

Was Herr Rosenbrock gelinde verschwieg – und die Veranstalterinnen auch

Im Jahr 2004 veröffentlichte die damalige rot-grüne Bundesregierung einen sehr umfassenden Bericht „Viele Welten leben“, einen Bericht zur Situation weiblicher Jugendlicher mit Migrationshintergrund. Die Lebenssituation von Jungen oder männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund wurde darin ausgeblendet, obwohl genau diese Klientel die größten Bildungsprobleme in Deutschland hat. Einen speziellen Bericht zur Situation von männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund gab es nicht und wurde nach Anfrage seinerzeit vom Bundesjugendministerium abgelehnt. Nach den Argumentationskriterien des Herrn Rosenbrock läge hier also eine klare Jungen- und Männerfeindlichkeit der Bundesregierung vor.

 Viele Welten leben

 Titelblatt der Studie „Viele Welten leben“. Die Lebenslage von Jungen und jungen Männern mit Migrationshintergrund wurde nicht erforscht: Ausgrenzung von männlichen Migrantenjugendlichen aus der Integrationsforschung der rot-grünen Bundesregierung 2004 (Quelle: BMFSFJ).

 

Im Jahr 2007 hat die damalige schwarz-rote Bundesregierung dann auf Grundlage dieses einseitigen Berichtes einen ebenso einseitigen Nationalen Integrationsplan vorgelegt, in dem unter „Geschlecht“ wieder nur Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund auftauchen. Jungen oder männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund wurden wieder ausgeblendet. Nach den Argumentationskriterien des Herrn Rosenbrock läge hier also auch eine klare Jungen- und Männerfeindlichkeit der Geschlechterpolitik der Bundesregierung vor.

 Nationaler Integrationsplan Auszug Inhaltsverzeichnis des Nationalen Integrationsplans 2007 der schwarz-roten Bundesregierung: Ausgrenzung von Jungen und Männern

Und 2009 hat die schwarz-gelbe Bundesregierung einen Koalitionsvertrag veröffentlicht, in dem ausschließlich eine Bildungsoffensive für Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund gefordert wird. Jungen oder männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund wurden wieder ausgeblendet. Nach den Argumentationskriterien des Herrn Rosenbrock läge also auch hier nochmals eine klare Jungen- und Männerfeindlichkeit vor.

 Koalitionsvertrag

 Auszug aus Koalitionsvertrag CDU/CSU und FDP 2009 S.77: Ausgrenzung von männlichen Migranten aus der Bildungsoffensive der schwarz-gelben Bundesregierung 2009

Doch Herr Rosenbrock, der das unbedeutende Weglassen der Zahl der Schulabbrecher weiblicher Migrantenjugendlicher in einer Vortragsfolie als frauenfeindliche „Opferideologie“ aufbauscht, erwähnt mit keinem einzigen Wort die massiv Jungen und Männer ausgrenzende Integrationspolitik der Bundesregierungen der letzten drei Legislaturperioden.

Eine solche Doppelmoral ist nicht nur unwissenschaftlich; sie ist auch ein Paradebeispiel, wie Halbwahrheiten kolportiert werden, um negative Stimmung gegen „Männerrechtler“ zu machen.

Aber auch die Veranstalterinnen „versäumten“, ihre Teilnehmer auf diesen Sachverhalt hinzuweisen, der das Weglassen des Migrantenmädchen-Balkens natürlich völlig relativiert hätte.

In diesem Zusammenhang müsste man übrigens auch die bayerische Landeshauptstadt München konsequenterweise als extrem „männerfeindlich“ bezeichnen, denn diese hat eine Gleichstellungsstelle nur für Frauen. D.h. Männer werden in der kommunalen Gleichstellungspolitik dort einfach ignoriert, obwohl sie die Gleichstellungsstelle durch ihre Steuern mitfinanzieren. Mit diesem „Weglassen“ eines Geschlechts hat Herr Rosenbrock keine Probleme. Die „Gleichstellungsstelle für Frauen der Landeshauptstadt München“ war übrigens Mitveranstalterin der Veranstaltung.

 Gleichstellungsstelle für Frauen

 Doppelmoral: Das Weglassen der Zahl der Schulabbrecher weiblicher Migrantenjugendlicher in einer Vortragsfolie, in der es um Jungenförderung geht, gilt als „frauenfeindlich“. Die komplette Ausgrenzung von Männern aus der Gleichstellungspolitik der Stadt München wird dagegen nicht als männerfeindlich wahrgenommen. Die „Gleichstellungsstelle für Frauen der Landeshauptstadt München“ war Mitveranstalterin.

 

Ein weiteres Beispiel für den Stil des Vortrags: Es wurde die Frage nach der Nähe der „antifeministischen Männerbewegung“ zu rechtsradikalen Strömungen erörtert. Eine charakteristische Vorgehensweise von Rosenbrock, wie wir oben schon dargestellt haben. Die Überschrift der Folie lautete sinngemäß „Überschneidung mit rechten Zirkeln“ (Gedächtniswiedergabe). Das Fazit, dass „Antifeminismus“ und „rechte Zirkel“ getrennt zu betrachten seien, versteckte sich hingegen in einem von vielen kleinen Stichpunkten.

Feindbild Männerrechtler

Männer haben genauso das Recht wie Frauen, ihre Nachteile und Benachteiligungen zu thematisieren und ihre berechtigten Anliegen und Belange in der geschlechterpolitischen Diskussion zu artikulieren. Deswegen sind sie weder Frauenfeinde noch rechtsradikal noch Massenmörder. Im Gegenteil: In Zeiten einer Geschlechterpolitik, die vorgibt, die Anliegen und Interessen beider Geschlechter berücksichtigen zu wollen, sollte die gleichberechtigte Thematisierung von Nachteilen und Benachteiligungen von Jungen und Männern eine Selbstverständlichkeit und ein fester Bestandteil jedes geschlechterpolitischen Diskurses sein.

Nachteile und Benachteiligungen von Jungen, Männern und Väter gibt es viele, sei es

       das geschlechterspezifische Bildungsgefälle zuungunsten der Jungen,

       extreme Lesekompetenzdefizite der Jungen, die sich auch 13 Jahre nach der ersten PISA-Studie nicht verringert haben,

       die Benachteiligung von Jungen in der Bildungsförderung (100 reinen, staatlich geförderten MINT-Mädchenförderprojekten stehen lediglich 4 Jungenleseförderprojekte gegenüber),

       die Diskriminierung behinderter Jungen und Männer durch Vorenthalten gesetzlicher Rehabilitationsleistung allein aufgrund ihres Geschlechts (siehe §44 Sozialgesetzbuch Band IX),

       die Sorge- und Umgangsrechtsdiskriminierung von Vätern,

       die um fünf bis sechs Jahre geringere Lebenserwatung,

       die Benachteiligung von Männern in der BAföG-Vergabe

       oder die mittlerweile höhere Arbeitslosigkeit von Männern, insbesondere die in manchen Bundesländern sogar um über 40% höhere männliche Jugendarbeitslosigkeit gegen über der weiblichen.

 Das sind nur wenige Beispiele.

Die Ausweitung der Geschlechterpolitik auch auf die berechtigten Anliegen und Belange von Jungen, Vätern und Männern ist dem geschlechterpolitischen Establishment, das Geschlechterpolitik nach wie vor auf die „Frauenfrage“ reduziert, natürlich ein Dorn im Auge. Die vorgenannten Nachteile und Benachteiligungen werden von den Gleichstellungsfunktionären nicht als Problem erkannt, sondern lediglich als positive Rückmeldung einer Gleichstellungspolitik gesehen, die sich auch heute noch – trotz Gender Mainstreaming – ausschließlich auf die Frauenquote beschränkt.

Die Rosenbrocks dieser Welt wissen, dass es, solange wir in einer Demokratie leben, keinerlei Handhabe gibt, Männern das Recht abzusprechen, auch ihre Nachteile und Benachteiligungen in die geschlechterpolitische Diskussion einzubringen. Deshalb versucht man diese durch Diffamierung als frauenfeindliche „Opferideologen“ oder Rechtsradikale aus dem geschlechterpolitischen Dialog auszugrenzen. Die Veranstaltung in Tutzing war in unseren Augen ein Teil dieser Strategie.

Fazit

Dass eine Evangelische Akademie Tutzing das Thema „Männerrechtsbewegung“ thematisiert, ist verständlich und gerechtfertigt. Dass sie diese dabei kritisch hinterfragt und auch die negativen Auswüchse angesprochen werden, ist ebenso gerechtfertigt. Aber diese Veranstaltung war keine faire, ehrliche und objektive Auseinandersetzung mit der Männerrechtsbewegung. Anstatt eines fruchtbaren Dialoges sollte hier die Männerrechtsbewegung gezielt diffamiert werden. Die Gleichstellungsfunktionärinnen urteilten dabei über die Männerrechtsbewegung mit einem Wertesystem, welches sie nicht bereit sind auch an ihr eigenes Handeln anzulegen. Eine solche Vorgehensweise ist polarisierend und trägt zur Eskalation des geschlechterpolitischen Diskurses bei. Wir hätten es für sinnvoller erachtet, die Positionen der Männerrechtler in einem fairen Dialog zu erörtern.

Dass sich die bislang sehr renommierte Evangelische Akademie Tutzing für eine Veranstaltung hergibt, in der ein solch plattes Schwarz-Weiß-Denken vermittelt wird, ist für uns nach wie vor befremdlich.

Am Ende des zweiten Tages verließen die Teilnehmer jedenfalls die Veranstaltung um das stereotype Feindbild „Männerrechtler sind böse, Frauenrechtlerinnen sind gut“ bereichert, Herr Rosenbrock kassierte sein Honorar, die Veranstalterinnen waren zufrieden und die alten Dogmen des Geschlechterkriegsdenken aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts waren wieder gerettet.

„Wenn es eine Kunst wäre, mit Feuer und Schwert Ketzer zu überwinden, so wären die Henker die gelehrtesten Doktores auf Erden.“

 Martin Luther

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