Strafanzeigen gegen Sexualstraftäter der katholischen Kirche

von Manndat

Bild: fotolia.com, Urheber: elenakibrik

„Humanität besteht darin, dass nie ein Mensch einem Zweck geopfert wird.“

(Albert Schweitzer)

Während ein unvorsichtiges Dirndlkompliment oder ein Aufschrei-Twitter-Account medial aufgebauscht und zum Politikum werden, bleiben die vielen Missbrauchsskandale, die in der katholischen Kirche in den letzten Jahren immer wieder ans Tageslicht kommen, von Öffentlichkeit, Politik und Medien relativ unberücksichtigt. An was liegt das? Kann es etwas damit zu tun haben, dass es sich bei den Opfern vornehmlich um Jungen handelt und Medien und Politik darauf getrimmt sind, männliche Opfer entweder komplett totzuschweigen oder Menschen, die diese männlichen Opfer thematisieren, an Internetpranger zu stellen oder als paranoid zu verleumden?

Diese Vermutung scheint nicht abwegig. So war dem Bundesjugendministerium 2012 bei der Legalisierung von Körperverletzung an Jungen durch Beschneidung nur wichtig, dass nicht auch Körperverletzung an Mädchen legalisiert würde. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit war dem für Jungen zuständigen Ministerium nicht so wichtig.

Lucas Schoppe legte in seinem Beitrag „Wie die Grünen Jungen opferten“ über den Bericht „Kommission zur Aufarbeitung der Haltung des Landesverbandes Berlin von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN zu Pädophilie und sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ aus dem Jahr 2015 dar:

Die Grünen haben, als Partei, Jungen regelrecht geopfert – und dies nicht aus allzu naiver Güte, sondern aus egoistischem und politischem Kalkül, verbunden mit einer erstaunlich stabilen Verweigerung der Empathie mit männlichen Kindern.

In dem Bericht hieß es u. a.:

Innerhalb der Frauenbewegung, die um die Öffentlichkeit und Akzeptanz des Themas Missbrauch von Mädchen kämpfte und sich durch das Thema Missbrauch von Jungen (‚wieder rücken die Jungen/Männer in den Vordergrund und verallgemeinern das Thema’) wieder übergangen fühlte, war das Thema Pädophilie nicht sehr interessant. Es wurde außerdem als Konkurrenz abgelehnt. Diese Haltung teilte letztlich der (Landes-) Frauenbereich der AL. (65f)

Lucas Schoppe führt weiter aus:

In der Befürchtung, eine offene Auseinandersetzung mit der sexuellen Gewalt gegen Jungen würde die Konzentration auf weiblichen Opfer (72) stören, hatten Feministinnen sogar ein wesentliches gemeinsames Interesse mit den Pädosexuellen des Schwulenbereichs. Beiden war daran gelegen, die systematisch ausgeübte sexuelle Gewalt gegen Jungen zu kaschieren und ihre Dramatik herunterzuspielen.

Im Bericht der Kommission ist eine vielsagende Passage einer Kreuzberger Sozialarbeiterin vorhanden:

Vor allem in den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen habe es Opfer außerfamiliären pädosexuellen Missbrauchs gegeben. Sie waren zwar unterschiedlicher Herkunft, es handelte sich aber immer um Jungen. Seitens der linken Männer habe es bis Ende der 1980er Jahre für diese Opfer so gut wie keine Unterstützung gegeben. Ihr wurde entgegnet: ‚Wir wollen doch niemanden diskriminieren. Bei Jungen ist es vielleicht nicht so schlimm, bei Mädchen viel schlimmer. Im pädosexuellen Bereich ist das ja einvernehmlich, wir üben keine Gewalt aus.’ Als sie bei Wildwasser berichtete, dass sie von einer großen Gruppe Jungen wisse, die außerhalb der Familie von Pädosexuellen missbraucht werde, wurde ihr entgegnet: ‚Wir kümmern uns hier um Mädchen’. (85)

Gesellschaft und Medien scheinen mit diesem Motiv – Jungenopfer verschweigen, um den Fokus auf Mädchenopfer nicht zu gefährden – offenbar einverstanden, wie die Wahlerfolge der Grünen in den letzten Wochen zeigen.

Missbrauch über Missbrauch – Politik und Medien sehen weg

Jahrzehntelang haben katholische Geistliche Kinder und Jugendliche missbraucht. Das belegt eine Studie der Kirche mit anonymisierten Daten. In den USA sind anders als in Deutschland wegen des Missbrauchsskandals bereits strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen worden. Weil sich die Verantwortlichen offenbar nicht trauen, haben am 26.10.2018 nun sechs Strafrechtsprofessoren Strafanzeigen gegen Sexualstraftäter der katholischen Kirche erstattet und Durchsuchungen gefordert:

Sechs renommierte Juraprofessoren haben am Freitag in Verbindung mit dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) Strafanzeigen bei jenen Staatsanwaltschaften eingereicht, die für die 27 Diözesen in Deutschland zuständig sind. Die Strafanzeigen richten sich gegen Unbekannt wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern und des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern.

… Der Mustertext der 27 Strafanzeigen wurde am Sonntagabend auf der Website des ifw veröffentlicht.

Ende September hatten unter anderem die Bistümer Osnabrück, Hildesheim und Münster parallel zu einer bundesweiten Studie der katholischen Kirche bekanntgegeben, dass Geistliche in den vergangenen Jahrzehnten in Niedersachsen und Bremen mehr als 220 Minderjährige missbraucht haben. In ihrem Schreiben zeigen sich die Strafrechtsprofessoren Holm Putzke, Rolf Dietrich Herzberg, Eric Hilgendorf, Reinhard Merkel, Ulfrid Neumann und Dieter Rössner überrascht darüber, ‚wie zurückhaltend Staat und Öffentlichkeit (bislang) mit dem alarmierenden Anfangsverdacht schwerer Verbrechen umgehen.‘

Die niedersächsische Justizministerin hingegen hatte am Freitag noch bezweifelt, dass die bisher vorliegenden Erkenntnisse ausreichen, damit die Staatsanwaltschaft von sich aus Ermittlungsverfahren einleitet.

‚Die Staatsanwaltschaft darf… nicht losgehen und durchsuchen in der vagen Hoffnung, man werde bei den Bistümern schon etwas finden, das einen Verdacht gegen eine noch unbestimmte Person begründen wird. ‘ …

Die Strafrechtler, welche die Strafanzeigen erstattet haben, kommen dagegen nach eigenen Angaben nach Auswertung der vorliegenden Befunde zum sexuellen Missbrauch durch Geistliche, der Verjährungsfristen und der Vorgaben der Strafprozessordnung (StPO) zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme der Ermittlungen, vorlägen. Es gebe zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten, § 152 Abs. 2 StPO. Das Gleiche gelte für die Möglichkeit von Durchsuchungsanordnungen (§§ 103, 105 StPO). Es sei daher zwingend, dass entsprechende Ermittlungen aufgenommen würden. Die Staatsanwaltschaften müssten die Herausgabe der entsprechenden Unterlagen bei den Diözesen anfordern.

Die Darlegungen der Rechtsexperten enden mit einem markanten Vergleich:

Man stelle sich nur einmal vor, ein Ableger der kalabrischen Mafia ‚Ndrangheta‘ hätte einem Wissenschaftler Zugang zu seinen in Deutschland befindlichen Archiven gewährt, der daraufhin auftragsgemäß eine Studie veröffentlicht hätte, worin er zahlreiche, z.B. zwischen 1990 bis 2014 in Deutschland begangene Verbrechen schildert, woraufhin der ‚Pate‘ sich wortreich bei den Opfern entschuldigt, sich allerdings zugleich weigert, die Akten der Polizei zu übergeben oder die Namen der Täter zu benennen. Es würde kein Tag vergehen, bis die Polizei sämtliche Akten in allen auf deutschem Boden befindlichen Mafiaarchiven beschlagnahmt hätte, um die Täter zu ermitteln und anzuklagen. Es gibt keinen einleuchtenden Grund, warum dies im Fall der Katholischen Kirche anders sein sollte.

Wir fragen zudem: Würden Politik und Medien ebenso locker über die Verbrechen hinweg gehen, wenn es sich vorrangig um Mädchen als Missbrauchsopfer gehandelt hätte? Das ist unwahrscheinlich. In unsere Gesellschaft mit ihrem Zeitgeist des Marginalisierens männlicher Gewaltopfer scheint es unwahrscheinlich, dass die Strafrechtsprofessoren Erfolg haben werden. Trotzdem danken wir den Protagonisten der Strafanzeige und dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) für seine Zivilcourage, die Schweigespirale zum Missbrauch an Jungen durchbrechen zu wollen.

Mehr zur Strafanzeige und zur skandalösen Stellungnahme der niedersächsischen Justizministerin Barbara Havliza (CDU) können Sie auf der Homepage des ifw nachlesen.

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Lesermeinungen

  1. By Mario

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  2. By Bernd Jenne

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  3. By Lotosritter

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