Hessen öffnet Gewaltberatungsstellen für männliche Opfer
Hessen öffnet Gewaltberatungsstellen für männliche Opfer
Gewaltberatung ist für männliche Opfer immer noch schwierig zu finden. Während die von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gestellte Bundesregierung Fördermittel für Hilfsangebote für männliche Gewaltopfer kürzt, geht das Bundesland Hessen mit seiner CDU/SPD-Regierung neue Wege. Sie weitet ihre Opferberatung auch für männliche Opfer sexualisierter Gewalt aus.
Die Früchte jahrelanger Arbeit tragen hin und wieder doch mal Früchte. Anfang 2023 erscheint Arne Hoffmanns Buch „Sexuelle Gewalt gegen Männer“. Medien wie Stern, Berliner Zeitung oder das Overton-Magazin greifen das Thema auch dank Unterstützung durch Spenden von MANNdat-Lesern auf. Die Spenden wurden genutzt, um Rezensionsexemplare an die Medien zu schicken. Und im Jahr 2024 öffnen einige Beratungsstellen ihre Türen auch für männliche Opfer sexueller Gewalt.
Die Hessenschau berichtet:
Die ausgeweitete Beratung in Hessen speziell für männliche Opfer sexualisierter Gewalt trifft nach Angaben der Anbieter auf gute Resonanz. Für betroffene Jungen und Männer gibt es insgesamt deutlich weniger Hilfsangebote als für Mädchen und Frauen. Um diese Lücke zu schließen, gibt es seit wenigen Monaten vier neue Betroffenen-Anlaufstellen in Wiesbaden, Gießen, Darmstadt und Kassel.
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Diese Beratungsstellen haben sich mit staatlicher Förderung für Männer und Jungen geöffnet, die in ihrer Kindheit oder Jugend von sexualisierter Gewalt betroffen sind oder waren. „Das Angebot wird angenommen“, sagt Barbara Behnen von Wildwasser Gießen.
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Die Geschäftsführerin von Wildwasser Wiesbaden, Anika Nagel, spricht von einem „doppelten Tabu“ – und meint damit sexualisierte Gewalt und männliche Betroffenheit. Männer täten sich schwerer damit, Hilfen in Anspruch zu nehmen, weil es nach wie vor unter anderem das geschlechterspezifische Stereotyp gebe, dass Jungen sich selbst wehren. Aber ein Kind könne sich niemals aus eigener Kraft aus sexualisierter Gewalt befreien, sagt Nagel.
Johannes Höing von der Landeskoordinierungsstelle der Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend erklärt:
„Es gibt generell kaum Angebote für männliche Betroffene.“ Dabei wäre durchaus Bedarf da. Nach Angaben des Paritätischen erfährt laut Studien etwa jede zehnte männliche Person in ihrem Leben sexualisierte Gewalt. Verlässliche Zahlen fehlten allerdings, wie bei den Frauen gebe es ein großes Dunkelfeld.
Die Betroffenen-Beratungsstelle Wildwasser Gießen öffnete 2023 ihr Angebot für Männer, wie Leiterin Barbara Behnen berichtet. (…) Die Männer treibe unter anderem die Befürchtung um, auch Täter zu werden, weil ihnen etwa aus Filmen suggeriert werde, dass angeblich Opfer zu Tätern würden.
Zudem müsse Männern oft klargemacht werden: „Wenn ich Opfer geworden bin heißt das nicht, dass ich jetzt kein Mann mehr bin.“ Nach den Erfahrungen von Behnen werden jugendliche Jungs im Alter zwischen 12 und 20 als Opfer sexualisierter Gewalt oft nicht ausreichend wahrgenommen.
Sie kenne einen Fall von einem Verhältnis zwischen einer Lehrerin und einem Jugendlichen – bei dem der Junge Beschuldigungen ausgesetzt gewesen sei. Für Behnen „eine völlige Verdrehung der Tatsachen“.
Gewaltberatungsstellen
Die Hilfsangebote für männliche Opfer von Gewalt in Hessen
Wildwasser Gießen: Liebigstraße 13, Telefonnummer: 0641 76545.
Wildwasser Wiesbaden: Dostojewskistraße 10, Telefonnummer: 0611 808619.
Fax Beratungsstelle Kassel: Untere Karlsstr. 16, Telefonnummer: 0561 31749116.
Haltepunkt Darmstadt: Landgraf-Georg-Straße 120, Telefonnummer: 06151 42942.
Ortsunabhängige Beratung und Unterstützung erhalten betroffene Männer beim kostenlosen Hilfetelefon Gewalt an Männern: 0800 1239900. Informationen zu Beratungsstellen und Hilfsangeboten auf der Seite maennergewaltschutz.de und in der Infobroschüre der Opferschutzorganisation Weißer Ring.
Quelle Beitragsbild: AdobeStock_140432298
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„Die Männer treibe unter anderem die Befürchtung um, auch Täter zu werden, weil ihnen etwa aus Filmen suggeriert werde, dass angeblich Opfer zu Tätern würden.“
Ein Bild, das die Aussage begleitet, zeigt Plakate, die den Männernotruf bewerben. Eines davon zeigt eine Faust, die auf den Betrachter zuzurasen scheint. Daneben die Worte: „Aus Verzweiflung zuschlagen? Hilfe!!!“
Vielleicht wäre ein Männernotruf erfolgreicher, der zeigt, dass man sich den Männern selbst zuliebe um sie kümmern möchte und nicht allein, um Frauen zu beschützen.
Und vielleicht fühlen sich Männer auch eher angesprochen, wenn man sie nicht von vorneherein als potentielle Gewalttäter anprangert.
Ja, das ist eine Frage, die uns durchaus umtreibt. Werden Männer als Opfer bei solchen Beratungsstellen ernst genommen oder ihnen eingeredet, sie seien die eigentlichen Täter. Aber wir möchten nicht Beratung für männliche Gewaltopfer fordern und wenn dann solche eingerichtet werden, sie pauschal schlecht machen. Wenn aber jemand Erfahrung mit solchen Beratungen hat, wäre es schön, sie hier mal zu schildern, natürlich anonymisiert.
Ein guter Tag für Hessen!
Und ein guter Tag für ganz Deutschland!
Vielen Dank für Manndat und Arne Hoffmann et al für die unermüdliche Arbeit.