Grüße vom Planeten der postfaktischen Faktenverdreher

von Dr. Bruno Köhler
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Wie genau nehmen es Politiker mit den Fakten?

Führende Politiker kritisieren die „Faktenferne“ ihrer Bürger. Doch wie sieht es mit der Faktennähe der Politiker selbst aus? Müssten sie nicht mit gutem Beispiel vorangehen? MANNdat beleuchtet den Faktenabstand der politisch Verantwortlichen am Beispiel der Geschlechterpolitik.

Führende Politiker mahnten vor einigen Tagen die Rückkehr zu einem faktenbasierten Dialog an.

Außenminister Steinmeier, mittlerweile designierter Bundespräsident, befürchtet eine tödliche Gefahr für unser politisches Gemeinwesen durch „eine immer aggressivere Abneigung gegen Fakten“. Es lasse ihn „die Ruchlosigkeit fast sprachlos zurück, mit der im grellen Licht der Öffentlichkeit Fakten verbogen und abgestritten werden, (…) ja schlicht gelogen wird“. Es sei „überlebenswichtig für unsere demokratische Gesellschaft“, dass Debatten auf der Grundlage von Fakten geführt würden: „Nur so erhalten wir unsere Fähigkeit zum produktiven, wahrheitssuchenden Dialog.“

Bundeskanzlerin Merkel meint:

Wenn wir anfangen, dabei mitzumachen, dass Fakten beiseite gewischt oder ignoriert werden können, dann sind verantwortbare und konstruktive Antworten in der Sache nicht mehr möglich.

Diesen Aussagen kann man natürlich in vollem Umfange zustimmen.

So haben wir gerade vor Kurzem hier die Kritik am Bundesbildungsbericht 2016 vorgestellt, in dem auf über 350 Seiten das Faktum des enormen Gender Education Gaps zuungunsten der Jungen nahezu vollständig totgeschwiegen wird.

Seit der ersten PISA-Studie, also vor mittlerweile 16 Jahren, weigert sich die Bildungs- und Jugendpolitik in Deutschland, sich der großen bildungspolitischen Herausforderung Jungenleseförderung, wie es die PISA-Leute seinerzeit formulierten, zu stellen. Die Bundesregierung leugnet sogar bis heute einen geschlechterspezifischen Lesekompetenzunterschied.

Derzeit wird gerade eine Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ erstellt. Das Familienministerium der Bundesregierung hat manipulativ in diese Studie eingegriffen, indem es den Studienerstellern vorgab, diese so abzuändern, dass eine Befragung der Kinder nur noch gestattet ist, wenn entweder beide sorgeberechtigten Elternteile gemeinsam oder der Elternteil mit dem alleinigen Sorgerecht zustimmt. Dadurch werden natürlich genau die Fälle aus der Studie ausgeblendet, die zu sehr unbequemen Fakten für die politisch Verantwortlichen führen könnten, nämlich jene, in denen beide sorgeberechtigten Elternteile sich uneins über die gemeinsame Sorge sind.

Die Familienministerin schloss sich schon während des Gerichtsverfahrens um Gina-Lisa Lohfink werbewirksam dem Team Gina Lisa an und ignorierte damit die Fakten rechtsstaatlicher Grundsätze und missachtete das Menschenrecht, nach dem jeder, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, das Recht hat, als unschuldig zu gelten, solange seine Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.

Bei der Verschärfung des Sexualstrafrechts wurde den Bürgern suggeriert, es ginge darum, dass ein Nein ein Nein heißen müsse. Dabei galt ein Nein auch schon im alten Strafrecht als ein Nein. Das Neue ist, dass zukünftig auch ein Ja später als Nein uminterpretiert werden kann. Der Tatsache, dass mit dem neuen Sexualstrafrecht Falschbeschuldigung wegen sexueller Vergehen wesentlich einfacher sind als bisher, also dem sehr notwendigen Schutz vor Falschbeschuldigungen, haben sich die politisch Verantwortlichen jedoch nicht gewidmet.

Bis heute marginalisieren und ignorieren die politisch Verantwortlichen männliche Opfer häuslicher Gewalt.

Abgeordnete des Familienausschusses des Deutschen Bundestages verweigern ein Gespräch mit der Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter, um sich unliebsamen Fakten zur Situation von Jungen, Vätern und Männern nicht stellen zu müssen.

Es waren die politisch Verantwortlichen des Deutschen Bundestages, die 2012 bei ihrer Legalisierung von Körperverletzungen bei Jungen durch Beschneidung Jungen ihre Rechte aus Artikel 1, 2 und 3 des Grundgesetzes wesentlich beschränkt haben, ohne jemals mit Betroffenen geredet zu haben, damit diese sie nicht vor unliebsame Fakten stellen konnten.

Es war der Deutsche Bundestag, der bei seiner Debatte über Gewaltopfer durch die Terrororganisation Boko Haram Jungen als Gewaltopfer einfach unter den Teppich kehrte.

Die Bundesregierung finanziert mit Steuergeldern in jährlich sechsstelliger Höhe ein Bundesforum Männer, das den offenen Dialog zwischen Frauen und Männern über Mängel der aktuellen Geschlechterpolitik auf infame Art bekämpft, um sich unbequemen Fakten nicht stellen zu müssen.

Man könnte diese Reihe von Faktenverweigerung und Faktenbekämpfung durch die politisch Verantwortlichen noch lange fortsetzen. Aber diese Beispiele reichen, um darzulegen, wie Recht Merkel und Steinmeier im Grunde haben. Es ist überlebenswichtig für unsere demokratische Gesellschaft, dass Debatten wieder auf der Grundlage von Fakten geführt werden. Sie haben Recht, wenn sie sagen, dass, wenn Fakten beiseite gewischt oder ignoriert werden, verantwortbare und konstruktive Antworten in der Sache nicht mehr möglich sind.

Aber sie haben beim Vorwurf der Faktenverweigerung Unrecht, wenn sie auf andere deuten. Denn das zuvor Gesagte gilt auch, und insbesondere, aufgrund deren Vorbildrolle, vor allem für die politisch Verantwortlichen im Bundestag und in der Regierung. Es wäre deshalb an der Zeit, dass sich die politisch Verantwortlichen diesbezüglich endlich einer Selbstkritik unterziehen. Sie sind es, die Fakten rigoros ignorieren. Sie sind es, die den Dialog mit kritischen Bürgern scheuen, um nicht mit unliebsamen Fakten konfrontiert zu werden. Sie sind es, die Kritiker ihrer Politik als „Pack“ bezeichnen, weil es bequemer ist, Kritiker zu diffamieren, anstatt sich mit ihren Anliegen sachlich auseinanderzusetzen. Sie sind es, die sogar mit Steuermitteln Einrichtungen finanzieren, die versuchen, gemeinnützige Organisationen, die Mängel im politischen Establishment aufzeigen könnten, mit Diffamierungsaktionen zum Schweigen zu bringen.

Aber Bundeskanzlerin und Matriarchin der „Die Rente ist sicher“-Partei, Angela Merkel, die „ganz ehrlich“ den Verlust von „einem Stück Heimat“ durch weihnachtliche Blockflötenmusik aufhalten will, sorgt sich um eine mutmaßlich mangelnde Realitätswahrnehmung ihrer Untertanen.

Das Gleiche gilt für Steinmeier und Co. Man kann es nach der US-Wahl natürlich durchaus auch bedauern, dass wir nun vermutlich auf Genmais und Tubenkäse aus den USA verzichten werden müssen, weil TTIP eventuell nicht zustande kommt. Man kann es natürlich bedauern, dass eine häusliche Gewalttäterin nun doch nicht zum mächtigsten Menschen der Welt geworden ist. Man kann es natürlich bedauern, dass Merkel und von der Leyen eventuell einen wichtigen Verbündeten in ihrer Säbelrasselpolitik gegen Putin verlieren könnten. Aber, dass man sich, wie Außenminister Steinmeier ob der Fakten einer US-Wahl wie ein trotziges kleines Kind benimmt, das ein sich sehr gewünschtes Spielzeug nicht bekommen hat (eine Eigenschaft, die beim politischen Establishment offenbar als Empfehlung für das Bundespräsidentenamt gilt), ist unpassend und überflüssig.

Es scheint, als sei die Politelite mittlerweile schon selbst dermaßen faktenfern, dass sie ihre Faktenferne gar nicht mehr wahrnimmt. Sie scheint in einem quasi neoabsolutistischem Gehabe der Erde entrückt wie ein erdferner Planet, der alle vier Jahre zur Wahlzeit der Erde nahekommt, um den Bürgern für kurze Zeit freundlich zuzuwinken und Wählerkreuzchen zu sammeln, um anschließend wieder auf ihrem Elfenbeinplaneten in ihren Elfenbeinpalästen weiter ungestört alternativlos die Weltenretterin spielen zu können.

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