Jungen bei BAFöG benachteiligt?
Jungen profitieren seltener als Mädchen vom BAFöG. Eigentlich ein klarer Fall für Gender Mainstreaming, denn nach diesem geschlechterpolitischen Ansatz müsste die Politik bei geschlechterspezifischen Ungleichheiten daran gehen, diese zu beseitigen. Wir haben dies am Beispiel BAFöG vom zuständigen Ministerium eingefordert, das sich übrigens auch Gender Mainstreaming verpflichtet hat – und siehe da, Gender Mainstreaming gilt plötzlich – wenn Jungen davon profitieren könnten – nicht mehr. Ein Grund für uns, eine Petition an den Deutschen Bundestag zu schreiben.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir beschweren uns über die geschlechterspezifische Ungleichverteilung der BAFöG-Praxis und die Missachtung von Gender Mainstreaming. Wir fordern die konsequente Umsetzung von Gender Mainstreaming und die Beseitigung der Ungleichverteilung der BAFöG-Zuwendungen zuungunsten von Jungen und männlichen Jugendlichen. Eine Analyse von Herrn Michael Klein von Critical Science ergab eine deutlich Ungleichverteilung der BAFöG-Unterstützung für Frauen und Männer.
Der Vergleich des Anteils der BAföG-Empfänger nach Geschlecht und Schultyp zeigt, dass sich die Nachteile von Jungen nicht auf eine geschlechtsspezifische Verteilung auf die Schultypen zurückführen lassen. Stattdessen liegt unabhängig von der Bildungsinstitution der Anteil männlicher BAföG-Empfänger konstant und deutlich unter ihrem Anteil an den entsprechenden Schülern oder an den Studenten:
48,5% aller Studenten an Universitäten sind männlich, der Anteil der männlichen Studenten an Universitäten, die BAföG erhalten, ist jedoch mit 41,9% um 6,6% niedriger, als es ihrem Anteil entsprechen würde.
Der Anteil männlicher Schüler an allgemeinbildenden Schulen ist mit 50,8% in etwa gleich hoch des Anteils weiblicher Schüler. Unter den mit BAföG geförderten Schülern sind männliche Schüler mit 41,1% jedoch deutlich unterrepräsentiert.
Bei den Berufsfachschülern unterschreitet der Anteil der männlichen BAföG-Empfänger den Anteil der männlichen Berufsfachschüler um 10,9%.
Da auszuschließen ist, dass Mädchen häufiger aus ärmeren Familien kommen als Jungen, liegt hier eine deutliche Ungleichverteilung auf Grund des Geschlechts vor.
Im Rahmen eines von der Politik eingeführten „Gender Mainstreaming“, dem sich auch das Bundesbildungsministerium verpflichtet hat, müssen bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig berücksichtigt werden. Es verpflichtet die politischen Akteure, bei allen Vorhaben die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Männern zu analysieren und ihre Entscheidungen so zu gestalten, dass sie zur Förderung einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter beitragen.
Nach diesem Gender Mainstreaming sind diese Nachteile von Jungen bei der BAföG-Beziehung deshalb erklärungsbedürftig. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass von bildungspolitischer Seite immer wieder darauf hingewiesen wird, die signifikanten Bildungsnachteile von Jungen würden insbesondere bei sozial schwachen Familien auftreten, wiegt diese Ungleichverteilung doppelt schwer.
Wir haben daraufhin das zuständigen Bundesbildungsministerium mit Brief vom 03.08.2011 angeschrieben und erfragt, ob eine Gender-Analyse bezüglich der Benachteiligung von Jungen und männlichen Jugendlichen beim BAföG-Bezug durchgeführt wurde, welche Ursachen diesbezüglich ermittelt werden konnten und welche konkreten Maßnahmen das Bundesbildungsministerium beabsichtigt, um diese Ungleichbehandlung zu beenden.
Das Ministerium hat uns am 20.10.2011 mit einer Mail von Frau Ingrid Dorsch-Wittlich geantwortet. Nach einer Darstellung, was BAFöG ist, kommt das Ministerium zu dem Schluss:
Die Grundsätze des BAföG enthalten, wie Sie erkennen können, keinerlei diskriminierende Elemente. Zur Durchführung („Rechtspraxis“) des Gesetzes ist Folgendes zu sagen: Die Durchführung des BAföG wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung durch Verwaltungsvorschriften und Erlasse geregelt. Selbstverständlich wird auch in diesen Bereichen nicht zwischen männlichen und weiblichen Auszubildenden unterschieden. Welches Phänomen oder möglicherweise unterschiedliche Verhalten von männlichen und weiblichen Auszubildenden auch immer ursächlich dafür sein mag, dass ggf. die prozentuale Verteilung des BAföG-Bezugs unter ihnen nicht exakt proportional zum jeweiligen Anteil an der Auszubildendenzahl ist, steht daher von vornherein fest, dass dies jedenfalls nicht das Ergebnis eines verhaltenssteuernden Eingriffs durch das BAföG selbst ist. Ebenso klar ist, dass das BAföG als Sozialleistungsgesetz nicht den Auftrag haben kann, aktiv steuernd gezielt eine gleichmäßige Verteilung der Ausgaben auf männliche und weibliche Bezieher zu gewährleisten. Ausbildungsförderung erhält, wer die Voraussetzungen nach dem BAföG erfüllt und einen entsprechenden Antrag stellt. Selbstverständlich werden keine Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Antragstellern gemacht.
Weiterer Erläuterungen und Belege bedarf es für Ihre Ausgangsfrage nach ungleicher Handhabung des BAföG daher nicht, so dass ich zu Ihrem Anliegen nicht mehr beitragen kann.
Dies ist ein klarer Verstoß gegen Gender Mainstreaming. Denn danach haben sich die politisch Verantwortlichen verpflichtet, Gesetze und Maßnahmen so zu erlassen und umzusetzen, dass sie zu keinen Ungleichbehandlungen in der tatsächlichen Praxis führen. Eine solche Ungleichverteilung der BAFöG-Unterstützung liegt vor, wie die Analyse von Herrn Klein gezeigt hat, die jederzeit nachprüfbar ist. Nach dem geschlechterpolitischen Ansatz des Gender Mainstreaming müssten nun die Ursachen für diese Ungleichverteilung eruiert und dann entsprechende Gegenmaßnahmen erarbeitet werden. Das wird nicht getan.
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