Rezension: Monika Ebeling: „Die Gleichberechtigungsfalle“
Im Mai 2011 wurde Monika Ebeling aus ihrem Amt der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Goslar abberufen, weil sie sich in ihrer Gleichstellungsarbeit auch für Männer engagiert hatte. Im Buch „Die Gleichberechtigungsfalle“ erzählt Monika Ebeling nicht nur die Geschichte ihrer Abberufung. Sie fühlt mit ihrem Buch einem zentralen Manko der Geschlechterpolitik auf den Zahn. Sie stellt den Lesern die Fragen, die sie in ihrer Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte bewegten und ihr Leben verändert haben. Kann die Forderung nach Chancengleichheit ehrlich sein, wenn sie dort aufhört, wo die Nachteile und Benachteiligungen von Jungen, Vätern und Männern beginnen? Wie glaubwürdig ist eine Gleichstellungspolitik, in der Männer aus der Gleichstellungsarbeit sowohl mit ihren Anliegen als auch als Agierende ausgeschlossen werden? Und schließlich: Warum soll der Feminismus nicht kritisiert werden dürfen?
Mit diesen Fragen rüttelt Monika Ebeling massiv an den Grundfesten, den Dogmen des geschlechterpolitischen Establishments. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sie mit ihren Visionen auf Kritik und Ablehnung bei der etablierten, geschlechterpolitischen Lobby stieß. Die Art und Weise, wie diese aber darauf reagiert hat, ist ungeheuerlich.
Das Buch von Monika Ebeling ist eines der wenigen über Geschlechterpolitik, das gezielt beide Geschlechter ansprechen will. Das Buch umfasst 200 Seiten in sechs Kapiteln („Gleichstellung und Feminismus“, „Gleichberechtigung: Männer“, „Kritik an meiner Arbeit und Einstellung“, „Gleichberechtigung: Frauen“, „Miteinander von Mann und Frau“, „Und jetzt?“).
Im ersten Kapitel „Gleichstellung und Feminismus“ geht es um die Berufung und die Abberufung von Monika Ebeling als Gleichstellungsbeauftragte. Themen, die aber auch die nachfolgenden Kapitel als roter Faden durchziehen und immer wieder auftauchen. Durch die Beschreibungen im Buch wird deutlich, wie filigran das Netz der geschlechterpolitischen Lobby gesponnen ist. Das Zentrum bildet eine Initiative, die sich „Initiative Gute Gleichstellungsarbeit“ nennt. Die Goslarer Zeitung als lokale Presse schlägt sich relativ frühzeitig auf die Seite des Netzwerkes und gegen Ebeling. Und in den nachfolgenden Kapiteln zeigt sich, wie weit das Netz gespannt ist, bis hin zur Friedrich-Ebert-Stiftung und Heinrich-Böll-Stiftung, die mit diffamierenden Pamphleten Munition großen Kalibers liefern und weit unterhalb der Gürtellinie zielen.
Das Unterkapitel der Berufung als Gleichstellungsbeauftragte folgt dabei nach dem Unterkapitel der Abberufung. Was zuerst vielleicht etwas merkwürdig erscheint, ist durchaus sinnvoll und als Stilmittel hier sehr gut eingesetzt. Nur wenn man vorher im Unterkapitel „Meine Abberufung“ die Rechtfertigungen, mit der man ihre Abberufung betrieb, erfahren hat, wird einem sofort klar, wie hohl und unglaubwürdig die Aussagen der geschlechterpolitisch Verantwortlichen in der Realität sind, von denen sich die Autorin für ihre Gleichstellungsarbeit hat ermutigen und inspirieren lassen. So legt Ebeling z.B. dar (S.54):
Bereits 2006 schreibt Frau Welskopp-Defaa, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend …, dass die Zeiten einer männerblinden Gleichstellungspolitik vorbei seien.
Das Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz …spricht von der Beseitigung der Unterrepräsentanz eines Geschlechts und nicht mehr ausschließlich von der Unterrepräsentanz der Frau.
Monika Ebeling wurde abberufen, weil sie gerade diese Gleichstellungsarbeit umsetzte. Die ganze Doppelmoral der Gleichstellungspolitik wird schließlich deutlich in der Aussage der Grünen im Stadtrat, „Benachteiligung von Männern aufzeigen und beseitigen – dies ist nicht unser politischer Wille“.
Im Kapitel „Gleichberechtigung: Männer“ zeigt Monika Ebeling, warum sie auch Männer in ihrem Blick hat. So beschreibt sie z.B. die Benachteiligungen von Vätern im Sorge- und Umgangsrecht, die Nachteile und Benachteiligungen von Jungen im Bildungswesen, die mangelnde Berücksichtigung von Männergesundheit in der geschlechterspezifischen Gesundheitspolitik und schließlich auch eines ihrer wichtigsten Anliegen: männliche Gewaltopfer.
Unter „Kritik an meiner Arbeit und Einstellung“ geht sie auf eine der niederträchtigsten Machenschaften ihr gegenüber ein. Sie wurde in Diffamierungskampagnen hineingezogen, bei der in fragwürdigen „Expertisen“ der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung Vereine, die Benachteiligungen von Jungen und Männern thematisieren, sich im Bereich Jungenleseförderung aktiv engagieren, für eine Gleichberechtigung im Sorgerecht, der Enttabuisierung männlicher Gewaltopfer oder für Männer- und Jungengesundheit einsetzen, in die radikale rechte Ecke oder in die geistige Nähe von Massenmördern geschoben werden.
Deshalb wäre es hier sinnvoll gewesen, auch die o.g. Ziele und Absichten der genannten Vereine kurz darzustellen, weil dies auch Rückschlüsse auf die Abberufungskampagne gegen Ebeling zulässt. Auch Monika Ebeling wurde Ziel dieser Diffamierungskampagnen, da sie Kontakt zu diesen Vereinen hatte. Denn nur in diesen Vereinen werden Benachteiligungen und Nachteile von Jungen und Männern aufgearbeitet, dokumentiert, analysiert und veröffentlicht. In den staatlichen Berichten zur Gleichstellungsarbeit fehlen Informationen dazu meistens. Wer Informationen zu diesem Thema will, und das wollte Monika Ebeling natürlich, kann sie in umfassender, aufgearbeiteter Form nur von diesen Vereinen erhalten. Der feminismuskritische Ton dieser Vereine widerstrebt jedoch dem geschlechterpolitischen Establishment und so diffamiert man sie, um sie aus dem geschlechterpolitischen Diskurs auszugrenzen.
Aufschlussreich dabei ist, dass für diese diffamierenden „Expertisen“ u.a. auch „Experten“ ausgewählt wurden, die nachweislich mehrfach Unwahrheiten über diejenigen Vereine verbreitet haben, welche sie in ihrer „Expertise“ diskreditierten. Das zeigt, dass es dabei nicht um Wahrheit, sondern um die Konstruktion eines Feindbildes geht. Und genau einer diese „Experten“ wurde vom Anti-Ebling-Netzwerk zu einem Vortrag in Goslar eingeladen, in dem auch Stimmung gegen Ebeling gemacht wurde. So greift alles ineinander.
Im Kapitel „Gleichberechtigung: Frauen“ appelliert sie an die frauenpolitisch aktiven Frauen, ihre Forderung auf eine neuen Stand zu bringen und alte, jungen- und männerfeindliche Parolen über Bord zu werfen.
In den beiden letzten Kapiteln beschreibt die Autorin Wege in eine neue, moderne Geschlechterpolitik, abseits vom Geschlechterkriegsdenken der 80er Jahre. Diese Visionen klingen durchaus realistisch, auch wenn man sich einen Feminismus, der nicht jungen- und männerfeindlich ist, nur schwer vorstellen kann.
Es ist bewegend, aufschlussreich und immer wieder überraschend, die Geschichte von Monika Ebeling zu lesen. So erfährt man z.B., dass viele der führenden Köpfe des Anti-Ebeling-Netzwerks, nach deren eigenen Aussagen, Monika Ebeling gar nicht kannten oder mit ihr geredet hatten.
Bei der Abberufung als Gleichstellungsbeauftragte ist es übrigens nicht geblieben, auch das beschreibt sie sehr eindrucksvoll. Man hat nachgetreten und Ebeling sogar beruflich weiter verfolgt. Auch persönliche Schicksale kamen hinzu, die ebenfalls gnadenlos ausgenutzt wurden. Kurz nach dem Tod ihrer Tochter hat sich z.B. eine Mutter schriftlich drüber beschwert, dass Monika Ebeling als Kindergartenleiterin so ein trauriges Gesicht machen würde und deshalb die Stimmung im Kindergarten drücke. Es gab fast nichts Niederträchtiges, mit der man nicht versucht hätte, sie fertig zu machen. Man muss sich bei der Lektüre des Buches immer wieder vor Augen halten, dass es sich hier nicht um einen fiktiven Roman, um keine orwellsche Utopie, sondern um die reale Geschlechterpolitik in Deutschland des 21. Jahrhunderts handelt.
Obwohl Monika Ebeling allen Grund dazu gehabt hätte, bleibt die von manchen vielleicht erwartete große Abrechnung mit den Drahtziehern ihrer Abberufung jedoch aus. Sie nennt die Namen, sie beschreibt auch, wie sie sich bei der Schlammschlacht gegen sich fühlte. Aber die Ausführungen bleiben durchweg sachlich. Daran wird klar, dass es Ebeling um ein echtes, ehrliches Anliegen geht und nicht um Revanchismus. Das Werk ist damit ein souveräner, wohltuender Gegenpart zu der Strategie der Diskursausgrenzung und Diffamierung Andersdenkender, wie sie ein borniertes, feminismuszentriertes, geschlechterpolitisches Establishment derzeit praktiziert.
Sie hat die Antworten auf ihre Fragen für sich gefunden. Eine wahre, nachhaltige Geschlechterdemokratie kann nur dort entstehen, wo sich Männer und Frauen im geschlechterpolitischen Diskurs auf gleicher Augenhöhe gegenüber stehen, wo die objektive Berücksichtigung der Anliegen beider Geschlechter eine Selbstverständlichkeit ist, wo man sich vom Geschlechterkriegsdenken mit den Stereotypen der ausschließlich männlichen Täter und ausschließlich weiblichen Opfer verabschiedet hat. Monika Ebeling will diese Erkenntnisse mit ihrem eindrucksvollen und bewegenden Buch anhand ihrer eigenen Geschichte aber auch in grundlegenden Erörterungen dem Leser nahebringen. Gerade, weil die Geschlechterpolitik in Deutschland und auch in der EU eben genau das Gegenteil von dieser Vision ist. Monika Ebeling will, dass sich das ändert.
Das Buch ist absolut empfehlenswert. Wer einen tiefen Einblick in die rücksichtslose Realität von Gleichstellungspolitik in der Praxis, fernab vom uns täglich einlullenden Euphemismus der Geschlechterpolitiker, bekommen möchte, oder wer einfach wissen will, wie hegemoniale Gleichstellungspolitik funktioniert, für den ist dieses Buch ein alternativloses Muss. Eines der besten Bücher über das, was schon Katharina Rutschky als den „real existierenden Feminismus“ bezeichnete.
Zur Ergänzung als fachlichen Hintergrund ist der zweite deutsche Jungen- und Männerbericht von MANNdat zu empfehlen.
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