„Was der Bildungsbericht verschweigt“ – Teil2: PISA 2018
In unserem offenen Brief vom 23. Juli 2020 an die Verantwortlichen des Bildungsberichtes haben wir kritisiert, dass die Bildungsprobleme von Jungen zum wiederholten Male im Bildungsbericht unsichtbar gemacht werden. Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, ab sofort regelmäßig eine eigene Dokumentationsreihe zur Bildungssituation von Jungen mit dem Titel „Was der Bildungsbericht verschweigt“ zu veröffentlichen. Hier Teil 2 – Die Ergebnisse des PISA-Berichtes 2018. (Zu Teil 1 – Schulabschlüsse)
Was ist PISA?
PISA bedeutet „Programme for International Student Assessment“. Es wird seit 2000 alle drei Jahre von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, 35 Mitgliedsstaaten) durchgeführt. Sie tut dies im Auftrag der Regierungen (in Deutschland für die Kultusministerkonferenz KMK). Bei PISA werden 15-Jährige in Naturwissenschaften, Mathematik sowie Lesen und Textverständnis getestet.
Die nachfolgenden Daten stammen aus dem aktuell jüngsten PISA-Bericht 2018 „Grundbildung im internationalen Vergleich“ von Kristina Reiss, Mirjam Weis, Eckhard Klieme, Olaf Köller (Hrsg.); Waxmann 2019; Münster ∙ New York
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Bezug auf die Bildungssituation von Jungen
Lesekompetenz
- Wie in allen Staaten, die an der PISA-Studie 2018 teilnahmen, erreichen Jungen auch in Deutschland signifikant niedrigere Mittelwerte in der Lesekompetenz als Mädchen. In Deutschland beträgt die Geschlechterdifferenz 26 Punkte (OECD-Mittel = 30 Punkte) und hat sich deshalb gegenüber 2015 erhöht (Unterschied 2015 im Durchschnitt 21 Punkte).
- Der Anteil der besonders leseschwachen Jungen hat sich seit dem Jahr 2009 nicht verändert.
- Im Vergleich zu PISA 2015 hat sich der Anteil der Jungen auf den untersten Kompetenzstufen 2018 sogar erhöht. Die Abnahme der Lesefreude bei Jungen wie bei Mädchen in Deutschland ist höher als im Durchschnitt der OECD-Staaten.
- Jungen verfügen in allen Szenarien über ein geringeres Lesestrategiewissen als Mädchen.
- Die mittlere Lesekompetenz von Jungen verringerte sich im Vergleich zu 2015 um 13 Punkte.
Mathematik
- In Deutschland zeigen Jungen eine um 7 Punkte höhere mathematische Kompetenz als Mädchen mit 496 Punkten.
- In Deutschland ist ein signifikanter Rückgang des in PISA 2015 stark ausgeprägten Geschlechterunterschieds zu verzeichnen. Dieser lässt sich jedoch nicht auf eine Leistungssteigerung bei den Mädchen, sondern auf einen Rückgang der Leistung bei den Jungen zurückführen.
Naturwissenschaften
- Die mittleren Kompetenzwerte von Jungen und Mädchen sind gleich. Der Kompetenzunterschied zuungunsten der Mädchen beträgt nichtsignifikante 2 Punkte, Kompetenzwerte der Jungen nehmen signifikant stark ab
- Auf den unteren Kompetenzstufen befinden sich signifikant mehr Jungen als Mädchen
- Kompetenzwerte der Mädchen bleiben stabil
Detailliertere Aussagen aus dem Bericht zur PISA-Studie 2018
(Hervorhebungen in Fett von uns.)
Lesekompetenz
S.62: „In allen Staaten, die an der PISA-Studie 2018 teilnahmen, erreichen Jungen signifikant niedrigere Mittelwerte in der Lesekompetenz als Mädchen. Allerdings unterscheidet sich das Ausmaß des Geschlechterunterschieds zwischen den Staaten. Während er im OECD-Mittel 30 Punkte beträgt, ist die Spannbreite mit einer Differenz von 10 Punkten in Kolumbien bis zu einer Differenz von 52 Punkten in Finnland zwischen den OECD-Staaten groß. (…) In Deutschland beträgt die Geschlechterdifferenz 26 Punkte. (…) Im Vergleich zur PISA-Studie 2009 verringerte sich der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen in Deutschland deutlich, damals betrug die Differenz 40 Punkte. Auch im OECD-Durchschnitt war der Geschlechterunterschied im Jahr 2009 mit 39 Punkten signifikant höher als im Jahr 2018. Dieser Trend der deutlich geringeren Geschlechterdifferenzen zeichnete sich erstmals mit der PISA-Studie 2015 sowohl in Deutschland (21 Punkte Differenz) als auch im OECD-Mittel (27 Punkte) ab (vgl. Weis et al., 2016).“
- 71f: „Es fällt auf, dass der Anteil leseschwacher Mädchen deutlich kleiner ist als der Anteil leseschwacher Jungen. Während sich 16 Prozent der Mädchen auf den untersten Kompetenzstufen (Ia oder darunter) befinden, sind es 24 Prozent der Jungen. Genauso ist bei den lesestarken Jugendlichen der Anteil der Mädchen auf den obersten Kompetenzstufen V und VI mit 13 Prozent deutlich höher als der Anteil der Jungen mit neun Prozent.“
- 74ff.: „Die mittlere Lesekompetenz der Mädchen ist sowohl bei PISA 2018 als auch bei PISA 2009 und 2015 deutlich höher als die mittlere Lesekompetenz der Jungen (…). Diese Geschlechterdifferenz hat sich im Jahr 2018 im Vergleich zu PISA 2009 zwar verringert, aber im Vergleich zu 2015 nicht signifikant verändert.
Bei separater Betrachtung der Lesekompetenz der Mädchen und Jungen zeigt sich allerdings 2018 eine signifikante Verringerung der mittleren Lesekompetenz der Jungen um 13 Punkte im Vergleich zu 2015. Im Vergleich zu 2009 hat sich die Lesekompetenz der Jungen nicht signifikant verändert. Dies spricht gegen die Vermutung, welche nach der PISA-Erhebungsrunde 2015 nahelag, dass die Änderung vom papierbasierten auf das computerbasierte Testen zur Steigerung der Lesekompetenz der Jungen geführt haben könnte (vgl. Weis et al., 2016). Andererseits besteht im Vergleich zu den Erhebungsrunden 2000 bis 2012 weiterhin eine verringerte Geschlechterdifferenz seit PISA 2015. Zwischen 2000 und 2012 war die Geschlechterdifferenz im Lesen in Deutschland durchwegs sehr hoch ausgeprägt (35 und 44 Punkte) und bei PISA 2015 hat sich diese Differenz in etwa halbiert (21 Punkte). Die mittlere Lesekompetenz der Mädchen bei PISA 2018 unterscheidet sich weder signifikant zu den Mittelwerten von 2009 noch von 2015.
Analog hat sich der Anteil der besonders leseschwachen Jungen (Kompetenzstufen Ia oder darunter) seit dem Jahr 2009 nicht verändert (24 % bei PISA 2018 und 2009), und es gibt somit weiterhin einen relativ hohen Anteil an Jungen, die nur über äußert eingeschränkte Lesekompetenz verfügen. Im Vergleich zu PISA 2015 hat sich der Anteil der Jungen auf den untersten Kompetenzstufen 2018 sogar erhöht (19 % in 2015). Der Anteil der Mädchen auf den untersten Kompetenzstufen hat sich hingegen weder im Vergleich zu 2009 noch zu 2015 signifikant verändert. Auf den obersten Kompetenzstufen hat sich der Geschlechterunterschied seit 2009 beträchtlich verringert. Bei PISA 2018 ist der Anteil der lesestarken Jungen (9 %) mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 2009 (4 %). Bei den Mädchen hat sich dieser Anteil weder im Vergleich zu 2009 noch zu 2015 signifikant verändert.“
S.90: „Mädchen und Jungen unterscheiden sich ähnlich wie in der Lesefreude auch in ihrem Leseverhalten. In Deutschland geben Jungen (60.6 %) deutlich häufiger als Mädchen (36.0 %) an, nicht zum Vergnügen zu lesen. Ebenso berichten signifikant weniger Jungen (2.8 %) als Mädchen (7.6 %), mehr als zwei Stunden täglich zum Vergnügen zu lesen. Dies ist in allen OECD-Staaten der Fall außer in der Republik Korea – nur dort gibt es keinen Geschlechterunterschied bei den „Viel-Lesenden“.
In Deutschland zeigt sich der größte Geschlechterunterschied im Online-Lesen in der Nutzung von E-Mails (Mädchen: 31.1 %; Jungen: 40.3 %; …), gefolgt von Foren (Mädchen: 6.8 %; Jungen: 14.1 %), welche an sich am seltensten genutzt werden. Die Mädchen recherchierten häufiger im Internet, sowohl nach bestimmten Themen als auch nach praktischen Informationen. Die geringsten Geschlechterunterschiede zeigten sich beim gleichermaßen hoch ausgeprägten Chatten.“
S.90ff.: „In Deutschland berichten Mädchen ähnlich wie im OECD-Durchschnitt eine signifikant höhere wahrgenommene Kompetenz im Lesen als die Jungen (Abbildung 4.6). Dieses Muster zeigt sich in den meisten OECD-Staaten. Die größten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen zeigen sich, wie auch bei der Lesemotivation, in Italien und der Türkei. In Dänemark, Irland, Island, Japan, Neuseeland, den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen. (…) Für die wahrgenommene Schwierigkeit beim Lesen lassen sich in Deutschland hingegen ähnlich wie im OECD-Durchschnitt keine signifikanten Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen finden. Insgesamt ist das Bild aber weniger einheitlich als bei der wahrgenommenen Kompetenz.“
S.96f.: „Der Anteil der Jugendlichen, die lesen, weil sie müssen oder nach Informationen suchen, hat seit der PISA-Erhebung 2009 signifikant zugenommen. Die Abnahme der Lesefreude in Deutschland ist höher als im Durchschnitt der OECD-Staaten. Dieser Trend ist sowohl für Mädchen (…) als auch für Jungen (…) in Deutschland zu beobachten (…). Differenziert nach Schularten ging die Lesefreude in den vergangenen neun Jahren an den Gymnasien (…) und den nicht gymnasialen Schularten (…) vergleichbar zurück.
Auch in Bezug auf die Lesemenge zum Vergnügen zeigt sich ein problematisches Bild. In der PISA-Erhebung 2018 vergrößerte sich der Anteil der „Lesemuffel“, welche nicht zum Vergnügen lesen, in Deutschland im Vergleich zu 2009 um 7.7 Prozentpunkte (2009: 41.2 %; 2018: 49.1 %). Gleichzeitig veränderte sich der Anteil der Jugendlichen, die mehr als zwei Stunden täglich lesen („Viel-Lesende“) nicht signifikant (2009: 5.9 %; 2018: 5 %). Diese Entwicklung zeigt sich sowohl für Mädchen und für Jungen als auch in beiden Schularten.“
Vgl. S.103: Lesestrategiewissen beschreibt die Anpassung des eigenen Lesens an die gegebene Aufgabe unter Berücksichtigung der eigenen Fähigkeiten und der Angemessenheit. So kann es z.B. hilfreich sein, einen langen und schwierigen Text, zunächst in Themenblöcke aufzutrennen, die wichtigsten Aussagen zu markieren und diese anschließend mit eigenen Worten zusammenzufassen.
Geschlechterunterschiede im Lesestrategiewissen zeigen sich laut PISA-Studie 2018 in Deutschland sowie in allen OECD-Staaten zuungunsten der Jungen. Jungen lösen in Deutschland im Schnitt 2.56 Paarvergleiche weniger als Mädchen. In Deutschland ist der geschlechterbezogene Unterschied zwischen Mädchen und Jungen am geringsten für das Szenario Beurteilen von E-Mail-Inhalten ausgeprägt.
S.106: „Jungen verfügen in allen Szenarien über ein geringeres Lesestrategiewissen als Mädchen.“
S.106: „Im Vergleich der Geschlechter sind mehr Jungen als Mädchen der Gruppe der „Lesemuffel“ zuzuordnen. Betrachtet man das Leseverhalten der „Lesemuffel“ genauer, so berichten sie, wenn überhaupt informative Textarten wie Tageszeitungen oder Zeitschriften zu lesen, während Jugendliche, die häufiger lesen, auch Prosa lesen. Auch beim Lesen digitaler Quellen überwiegen Nutzungsarten, die an Informationsaustausch geknüpft sind (z.B. Chatten). Betrachtet man darüber hinaus die Veränderungen in der Lesefreude und dem Leseverhalten seit der PISA-Erhebung 2009, so lassen sich diese durch eine Abnahme der Lesefreude und des Anteils des Lesens zum Vergnügen charakterisieren.“
S.107: „Da die lesebezogenen Schülermerkmale wechselseitig mit der Lesekompetenz zusammenhängen (Pfost et al., 2013), bedarf es einer verstärkten Förderung der Lesemotivation sowohl der Fünfzehnjährigen im Allgemeinen als auch leseschwacher Schülerinnen und Schüler im Speziellen (Mol & Bus, 2011). Die Förderung von Lesekompetenz, Lesemotivation und Leseverhalten ist als ganzheitlicher Prozess zu betrachten, welcher im Vorschulbereich beginnen und bis zum Ende der Schulzeit fortgeführt werden sollte (Artelt et al., 2007; Beck, Dewitz & Titz; Kapitel 3). Da die Lesemotivation im Jugendalter im Vergleich zur Grundschule abnimmt (Artelt et al., 2007), ist es gerade die durchgängige Förderung, die erfolgreich sein könnte. Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, dass weitere Bemühungen im schulischen und außerschulischen Bereich in Deutschland nötig sind, um die Lesemotivation sowie die Lesemenge der Kinder und Jugendlichen gezielt zu fördern.“
Mathematik
S.199: „Betrachtet man den Durchschnitt aller OECD-Staaten, so weisen Jungen mit 492 Punkten auf der Skala mathematischer Kompetenz einen signifikant höheren Wert auf als Mädchen mit 487 Punkten.“
S.203f.: „In Deutschland zeigen Jungen mit 503 Punkten (…) eine signifikant höhere mathematische Kompetenz als Mädchen mit 496 Punkten (…). Jedoch unterscheiden sich die Anteile von Mädchen und Jungen auf den untersten Kompetenzstufen kaum (…). Der – in allen PISA-Runden bestehende – Kompetenzunterschied zwischen Mädchen und Jungen ist daher nicht auf eine unterschiedliche Verteilung auf die unteren Kompetenzstufen, sondern auf die oberen Kompetenzstufen zurückzuführen. Insbesondere ist auf den obersten Kompetenzstufen der Anteil der Jungen mit 15 Prozent signifikant höher als der Anteil der Mädchen mit elf Prozent.“
S.206: „In Deutschland ist hier ein signifikanter Rückgang des in PISA 2015 stark ausgeprägten Geschlechterunterschieds zu verzeichnen. Dieser lässt sich jedoch nicht auf eine Leistungssteigerung bei den Mädchen, sondern auf einen Rückgang der Leistung bei den Jungen zurückführen. Es gilt zu analysieren, welche Ursachen dieser einseitige Rückgang bei den Jungen haben kann, der insbesondere auch im aktuellen nationalen Bildungstrend zu beobachten ist (Stanat et al., 2019).“
Naturwissenschaften
S.228ff.: „Damit Bildungssysteme ihre Potenziale vollständig ausschöpfen, ist es wichtig, Mädchen und Jungen gleichermaßen zu fördern. Eine zentrale Frage von PISA ist daher, ob sich Mädchen und Jungen in ihrer naturwissenschaftlichen Kompetenz unterscheiden. (…) In der Mehrheit der OECD-Staaten findet sich kein signifikanter Unterschied in der naturwissenschaftlichen Kompetenz von Mädchen und Jungen (…) In zwölf Staaten erreichen die Mädchen wie auch im OECD-Durchschnitt signifikant höhere mittlere Kompetenzwerte. Die größten Differenzen zugunsten der Mädchen finden sich in Finnland (24 Punkte) und Israel (19 Punkte), aber auch in Estland, Schweden, den Niederlanden und Slowenien beträgt der Vorsprung der Mädchen zwischen fünf und zehn Punkten. Lediglich in Kolumbien und Mexiko weisen die Jungen signifikant höhere mittlere Kompetenzwerte auf.
Neben den Mittelwerten ist auch die Verteilung von Mädchen und Jungen auf die Randbereiche der Kompetenzstufenverteilung von Interesse, da sie Hinweise auf einen geschlechtsspezifischen Förderbedarf liefern kann. Auf den unteren Kompetenzstufen (Stufe Ia und darunter) befinden sich im OECD-Durchschnitt signifikant weniger Mädchen (20.8 %) als Jungen (23.2 %). Dieses Bild zeigt sich in einem Großteil der OECD-Staaten, darunter auch in Deutschland mit einem Anteil von 18.2 Prozent für die Mädchen und 20.8 Prozent für die Jungen. Unter den Spitzenstaaten sind die Unterschiede für Finnland, Kanada und Polen statistisch signifikant, in Finnland ist der Unterschied mit fast 8.0 Prozentpunkte zugunsten der Mädchen beträchtlich. In Estland, Japan und der Republik Korea ist hingegen kein signifikanter Unterschied zu sehen. In der Gruppe der von Deutschland im Mittelwert der naturwissenschaftlichen Kompetenz nicht signifikant verschiedenen Staaten sind signifikant niedrigere Anteile der Mädchen auf den unteren Kompetenzstufen neben Deutschland für vier weitere Staaten (Neuseeland, Niederlande, Schweden und Slowenien) zu beobachten. Nur in zwei Staaten, Kolumbien und Mexiko, ist der Anteil der Mädchen unter Kompetenzstufe II höher als der der Jungen.
Betrachtet man das obere Ende der Kompetenzstufenverteilung, also die Anteile auf den Kompetenzstufen V und VI, so finden sich dort in 14 OECD-Staaten signifikant mehr Jungen als Mädchen. Die gilt auch für Deutschland mit einem Mädchenanteil von 8.7 Prozent gegenüber einem Jungenanteil von 11.1 Prozent. Besonders große Unterschiede finden sich in Neuseeland (3.3 Prozentpunkte mehr Jungen) sowie der Republik Korea und Japan (je 2.7 Prozentpunkte mehr Jungen). Nur in Finnland sind auf den oberen Kompetenzstufen statistisch signifikant mehr Mädchen vertreten als Jungen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mädchen in der Gruppe der kompetenzstärksten Jugendlichen in fast allen OECD-Staaten unterrepräsentiert sind, sich in der Regel aber auch mehr Jungen als Mädchen auf den unteren Kompetenzstufen finden.“
Laut Abbildung 9.9 auf S.229 „Mittelwerte naturwissenschaftlicher Kompetenz nach Geschlecht in den OECD-Staaten“ beträgt der Kompetenzunterschied 2 Punkte zuungunsten der Mädchen (Jungen: 504; Mädchen: 502, was allerdings nicht signifikant ist.
- 236: „Betrachtet man die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, so nimmt in Deutschland zwischen PISA 2006 und PISA 2018 der Mittelwert für die Jungen signifikant um 17 Punkte ab, während die Veränderung bei den Mädchen statistisch nicht bedeutsam ist. Der gleiche Effekt zeigt sich zwischen PISA 2015 und PISA 2018. Während sich die mittlere Kompetenz der Jungen statistisch signifikant um zwölf Punkte verringert, bleibt der Mittelwert der Mädchen unverändert bei 504 Punkten. Damit ist die 2015 erstmals aufgetretene Geschlechterdifferenz zugunsten der Jungen wieder verschwunden. Zudem hat seit 2015 die Streuung für die Jungen signifikant um 14 Punkte zugenommen (auf SD = 107). Dies deutet auf eine Zunahme der Leistungsheterogenität innerhalb der Gruppe der Jungen hin, was ein Blick auf die Verteilung von Mädchen und Jungen auf die Stufen naturwissenschaftlicher Kompetenz verdeutlicht. Im unteren Kompetenzbereich (das heißt auf Kompetenzstufe Ia und darunter) bleibt der Anteil der Mädchen bei PISA 2018 mit 18.2 Prozent praktisch unverändert im Vergleich zur Erhebung vor drei Jahren und ist auch nicht bedeutsam verschieden im Vergleich zu PISA 2006. Bei den Jungen hingegen steigt der Anteil signifikant von 14.9 Prozent bei PISA 2006 beziehungsweise 15.9 Prozent bei PISA 2015 auf 20.8 Prozent bei PISA 2018 an. Damit befinden sich bei PISA 2018 nun signifikant mehr Jungen auf den unteren Kompetenzstufen als Mädchen (siehe Abschnitt 9.2.3). Im oberen Kompetenzbereich, das heißt auf den Kompetenzstufen V und VI, bleibt in Deutschland auch bei PISA 2018 ein statistisch signifikant höherer Anteil an Jungen bestehen. Allerdings geht dieser Anteil bei PISA 2018 leicht auf 11.1 Prozent (gegenüber 12.4 % bei PISA 2015) zurück, während der Anteil der Mädchen mit 8.7 Prozent gegenüber PISA 2015 stabil bleibt.“
S.237f.: „Mädchen und Jungen unterscheiden sich in Deutschland, ähnlich wie im OECD-Durchschnitt und der Mehrheit der OECD-Staaten, nicht in ihrer naturwissenschaftlichen Kompetenz. Die erstmals bei PISA 2015 aufgetretene Geschlechterdifferenz lässt sich somit nicht replizieren (Schiepe-Tiska, Rönnebeck et al., 2016). Während die Kompetenz der Mädchen weitgehend stabil bleibt, ist bei den Jungen eine bedeutsame Abnahme zu beobachten. Auch hat sich die Streuung der Kompetenz bei den Jungen im Vergleich zu PISA 2015 vergrößert. Vor allem auf den unteren Kompetenzstufen hat ihr Anteil deutlich zugenommen. (…) Mögliche Ursachen könnten die bei PISA 2015 berichtete Abnahme von Interesse an den Naturwissenschaften sowie die weniger positiv ausgeprägten motivationalen Selbstbilder sein (Schiepe-Tiska, Simm & Schmidtner, 2016), die auch der aktuelle Bildungstrend vor allem für die Jungen bestätigt (Stanat et al., 2019). Maßnahmen zur Förderung der naturwissenschaftlichen Kompetenz sollten deshalb im Sinne einer mehrdimensionalen Bildung auch motivationale Orientierungen und Einstellungen als wichtige Bildungsziele adressieren (vgl. Schiepe-Tiska, im Druck). Diese sind nicht nur für die spätere Berufswahl und die Sicherung des MINT-Nachwuchses von Bedeutung, sondern beeinflussen auch die Bereitschaft, sich mit Naturwissenschaften auseinanderzusetzen, sich auf neue Sachverhalte einzulassen sowie lebenslang zu lernen. Damit bilden sie eine entscheidende Grundlage für eine aktive gesellschaftliche Teilhabe.“
Weiterlesen in Teil 3: IQB-Bildungstrends
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Bäm … deutlicher kann man die Chancenungleichheit zwischen Jungen und Mädchen nicht belegen. Aber wo bleibt der Aufschrei? Es gibt keinen. Weder hier auf manndat noch irgendnwo anders. Das Problem ist doch, dass sich das Thema so wissenschaftlich nicht zum Polarisieren eignet. Es ist weder rechts noch links, denn alle Eltern von Jungen wollen nicht, dass ihre Kinder abgehängt werden. Es ist noch nicht einmal feministisch oder antifeministisch, denn auch alle Mütter von Söhnen wollen nur das Beste für ihren Nachwuchs. Es ist politisch einfach nicht sexy.
Was ist zu tun? Es braucht provozierende prägnante Forderungen. Wie wäre es mit der Forderung: „10% kleinere Klassen für Jungen!“ mit der Begründung, weil Jungen schwerer zu händeln sind als Mädchen und wegen der sich verschlechternden Pisa-Studien. Bei einem Klassenteiler von 30 würde sich für eine Klasse von 15 Mädchen und 15 Jungen gar nichts ändern. Bei einer Klasse aus lauter Jungen würde der Klassenteiler aber bei 27 liegen und bei einer Klasse aus lauter Mädchen bei 33. Ergo: Für real existierende Klassen würde sich kaum etwas ändern, aber die Forderung wäre gut für eine Bild-Schlagzeile.
Hallo,
der Gender Education ist kein Zufall, sondern politisches Konzept. Jeder Junge der im Bildungssystem scheitert und arbeitslos auf der Straße landet ist ein Gewinn für die Frauenquote und genau darauf kommt es an. Das ist Zeitgeist. Deshalb auch kein Aufschrei.
Sind Jungs besser in irgendwas, dann liegt es an der Unterdrückung der Mädchen. Sind Mädchen besser, dann sei es nur ein Beleg dass sie klüger sind als die inherent dummen Jungs.
Mit so einer These kann man nicht verlieren.
Ich sage voraus, dass sobald Mädchen und Frauen in Sachen Schule und Universtitäten komplett vorbeiziehen (der Trend ist da), dann kommen die Diskussionen, wie man die „toxische Maskulinität“ aus den Jungs herausbekäme, damit sie auch besser würden.
Für die Zukunft unserer Jungs interessiert sich nunmal keiner.
Leider.