Jeder zweite Mann von Partnerschaftsgewalt betroffen – Studie
Partnerschaftsgewalt
Jeder zweite Mann von Partnerschaftsgewalt betroffen – Studie
2004 veröffentlichte das Bundesfamilienministerium seine erste Pilotstudie zu Gewalt gegen Männer. Dabei wurden körperliche und psychische Gewalterfahrungen in Partnerschaften von gerade einmal 199 mindestens 18-jährigen Männern in einer Mischung aus persönlichen Interviews und schriftlichen Fragebögen erhoben, wobei unterschiedliche einzelne Handlungen abgefragt wurden. Die Studie zeigte aber deutlich, dass dringender Handlungsbedarf bezüglich der Erstellung einer repräsentativen Studie zu Gewalt gegen Männer besteht. Doch das Bundesfamilienministerium blieb bis heute untätig.
20 Jahre nach der Pilotstudie des Bundesfamilienministeriums hat nun das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KfN) seine Studie „Gewalt gegen Männer in Partnerschaften“ veröffentlicht. Gefördert wurde das durch die WEISSER RING Stiftung und Eigenmitteln des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Das für Männer in Partnerschaften zuständige Bundesfamilienministerium förderte die Studie nicht.
MANNdat hatte auf die Studie und die Möglichkeit zur Teilnahme hingewiesen. Nun liegt das Ergebnis vor. Es wurde am 8. Februar veröffentlicht.
Insgesamt wurden 12.000 Männer im Alter von 18 bis 69 Jahren nach ihren Opfererfahrungen und Täterschaft befragt.
Die Studie
Jonas Schemmel, Laura-Romina Goede, Philipp Müller: „Gewalt gegen Männer in Partnerschaften – Eine empirische Untersuchung zur Situation in Deutschland“
doi.org/10.5771/9783748919162
ISBN print: 978-3-7560-1373-9
ISBN online: 978-3-7489-1916-2
Nomos, Baden-Baden
Reihe: Edition Seehaus [PLUS] – Resozialisierung | Opferschutz | Restorative Justice
Herausgegeben von Prof. Dr. Tillmann Bartsch, Prof. Dr. Elisa Hoven, Bettina Limperg, Tobias Merckle
- Auflage 2024
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Wir empfehlen, die Studie selbst zu lesen. Nachfolgend geben wir hier nur die wichtigsten Ergebnisse wieder.
Geringe Selbstwahrnehmung als Opfer von Gewalt
Die Teilnehmer wurden vor der Präsentation der konkreten Gewalthandlungen um eine subjektive Einschätzung gebeten, ob sie bereits Opfer von Partnerschaftsgewalt waren. Da antworteten nur 19,2 % der Befragten mit ja und 80,8 % mit nein.
Diese subjektive Wahrnehmung divergiert deutlich mit dem Ausmaß an Gewalt, wenn nach konkreten Gewalthandlungen gefragt wurde. Danach erlebt schon jeder zweite Mann Gewalt in Partnerschaften. Siehe nachfolgend.
Häufigkeit von Gewalterfahrungen
Die drei größten Gewaltgruppen gliedern wir nachfolgend nochmals separat auf.
Weitere wichtige Erkenntnisse zur Gewalterfahrung
„Diese Raten bewegen sich auf etwa demselben Niveau wie aktuelle, methodisch vergleichbare Untersuchungen zu Partnerschaftsgewalt in Deutschland (Jud et al. 2023).“
Gewaltformen treten in der Lebenszeit relativ häufig gemeinsam auf. Nur eine Minderheit der Betroffenen (15,9 %) erlebte nur eine Gewaltform.
Gründe für die Gewalt gegen Männer in Partnerschaften
Orte der Gewalt
Der Ort der erlebten Gewalt lag zumeist im Privaten, nur ein Betroffener erzählte von einem Vorfall körperlicher Gewalt in der Öffentlichkeit.
Welche Männer werden am häufigsten Opfer von Gewalt?
Partnerschaftsgewalt scheint in der Breite der Bevölkerung vorzukommen. Allerdings gibt es bestimmte Gruppen, die häufiger von Gewalterfahrungen berichten. Dies sind:
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jüngere Männer
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Männer mit niedrigerem Bildungsabschluss waren häufiger in der Schwerbelastetengruppe vertreten (vier oder fünf verschiedene Gewaltformen erlebt).
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Männer, die weniger Einkommen als ihre Partner erzielten
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68 % der Männer, die in der Kindheit häufiger körperliche Gewalt durch die Eltern erlebten, berichteten von körperlichen Gewalterfahrungen in einer Partnerschaft
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58,2 % der Männer, die in ihrer Kindheit Gewalt zwischen den Eltern nur beobachtet hatten.
Victim-Offender Overlap
Ein interessanter Ansatz war zu fragen, wer von den Gewaltopfern selbst schon einmal Täter war (Victim-Offender Overlap).
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39,5 % waren sowohl jemals Täter als auch Opfer von Partnerschaftsgewalt
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14,3 % waren Opfer, aber kein Täter
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12,5 % waren nur Täter, aber kein Opfer
Ein sehr wichtiges Ergebnis. Warum man wohl dieses Victim-Offender Overlap bei Erhebungen von weiblichen Gewaltopfern regelmäßig nicht erfährt?
Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen moderner Partnerschaftsgewaltforschungen, wie sie von Prof. Gerhard Amendt, Herausgeber der deutschen Fassung des Buches „Familiäre Gewalt im Fokus“, vertreten werden. Gewaltepisoden können nicht als Ausdruck von Opfer-Täter-Polarität gesehen werden. Gewalt ist immer ein Beziehungsgeschehen. Das gilt für alle Beziehungskonflikte. Es mit der juristischen oder moralischen Frage nach Schuld und Unschuld zu verknüpfen, ist unsinnig, weil es subjektfeindlich ist. Solch intellektuell-emotionale Verstocktheit wird aber immer mehr zu einem sozialen Problem eigener Art. Im Namen der Feindschaft gegen Gewalt wird diese selber hergestellt. Wie Prof. Amendt zu sagen pflegt: Männer und Frauen sind nicht nur gemeinsam glücklich, sondern auch gemeinsam unglücklich, und beide stellen Glück wie Unglück ausschließlich gemeinsam her.
Prof. Amendt hat diese Sturheit am Festhalten der liebgewonnenen Männertäter-Frauenopfer-Stereotype selbst erleben müssen. Die AG Familienkonflikt hatte einen Kongress „Familienkonflikte gewaltfrei austragen“ vom 13. bis 15.4.2018 an der Universität Frankfurt durchgeführt, in der Amendt und eine Reihe der Mitautoren des „Familiäre Gewalt im Fokus“ die neuesten Erkenntnisse der Familienkonfliktforschung vorstellen wollten. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA), das Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt Frankfurt und die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität wollten im Vorfeld die Universität dazu zwingen, den Mietvertrag für die Kongressräume zurückzuziehen. Die Veranstalter wurden dabei als homosexuellenfeindliche Pseudowissenschaftler und als menschenverachtend diffamiert. Die Veranstaltung wurde sogar mit KZ-Verbrechen gegen Juden verknüpft.
Im Nachtrag zum Kongress hat dann die Präsidentin der Universität Frankfurt diese Veranstaltung tatsächlich diffamiert, ohne konkrete Belege zu nennen, die diese Diskreditierung belegen würden. Wir haben deshalb mit Mail vom 5.8.2018 nachgefragt und um Nennung ihrer Gründe für die erhobenen Vorwürfe gefragt, aber bis heute keine Antwort erhalten.
Folgen der Gewalt für die betroffenen Männer
Nur ein Drittel der Befragten gab an, sich an keine Folgen partnerschaftlicher Gewalt zu erinnern. Unter den 66,7 % der Teilnehmer, die Folgen erlitten haben, berichteten 11,9 % von körperlichen und 65,6 % von emotionalen Beschwerden. Am weitesten verbreitet waren bei den gewaltbetroffenen Männern Stress oder Anspannung (51,7 %), Gefühle der Macht- oder Hilflosigkeit (42,5 %) und der Erniedrigung (41,4 %).
Unmittelbare Reaktion der gewaltbetroffenen Männer
Die meisten der befragten Männer (67,9 %) reagierten laut eigenen Angaben verbal auf die Gewalt. Etwa ein Drittel (32,3 %) hat räumliche Distanz zu dem Partner hergestellt, 29,8 % haben die Handlungen über sich ergehen lassen und lediglich 1,6 % der Befragten hat Hilfe geholt/gerufen. Von körperlicher Gegenwehr berichteten nur 10 % der betroffenen Männer.
Langfristige Auswirkungen
Als häufigste langfristige Reaktion auf die Gewalterfahrung nannten die Männer die Trennung vom Partner (31,9 %), die Scheidung (9,1 %) oder den Auszug aus der gemeinsamen Wohnung (9,8 %). Bei 10,4 % der Männer folgte eine soziale Isolation (Abbruch des Kontaktes zu Freunden und Bekannten).
Kontakt zu Beratungsstellen und der Polizei
Ein sehr wichtiges Thema ist die Inanspruchnahme von Hilfe, da sie auch widerspiegelt, wie Gesellschaft und Politik mit diesem Gewaltthema umgehen, ob Männer entsprechend sozialisiert werden, in solchen Fällen Hilfe zu suchen und ob es überhaupt ausreichend Hilfsangebe gibt. 539 Rückmeldungen konnten dazu ausgewertet werden.
Das Ergebnis ist niederschmetternd. Lediglich 8 % der Männer, die bei der Untersuchung von mindestens einer Gewalthandlung berichtet haben, hatten sich an eine Beratungsstelle und/oder die Polizei gewandt. Also noch nicht einmal jeder zehnte gewaltbetroffene Mann suchte Hilfe auf. Der mit Abstand häufigste Grund für einen ausbleibenden Kontakt mit Polizei und/oder Beratungsstellen war, dass die Gewalt als „nicht so schlimm“ empfunden wurde (59 %).
Und davon wandten sich nur ganze 35 männliche Gewaltopfer (von 539 = 6,5 %) an eine Beratungsstelle und noch wesentlich weniger, nämlich nur 11 männliche Gewaltopfer, an die Polizei (= 2 %). Und von den 11 männlichen Gewaltopfern, die sich an die Polizei gewandt hatten, empfanden nur drei die angebotene Unterstützung als passend, die übrigen acht Befragten konnten entweder nur teilweise (vier) oder wenig bis gar nichts (vier) mit der Hilfe anfangen.
Gründe für die Nichtinanspruchnahme von Hilfe
Was ist von Beratungsstellen zu erwarten?
Eine Frage, die sich uns immer stellt, ist die, was gewaltbetroffene Männer in Beratungsstellen zu erwarten haben. Werden sie ernst genommen? Wird ihnen geholfen? Wird ihnen vielleicht eingeredet, sie seien die wahren Schuldigen? Hierzu gibt die Studie sehr aufschlussreiche Ergebnisse.
Zu den Beratungsstellen gab es gegenüber den Erfahrungen mit der Polizei immerhin deutlich bessere Bewertungen, wobei die Zufriedenheit nicht ganz überzeugen kann.
„68,6 % der Befragten hatten die Unterstützung voll und ganz oder eher als schnell und unkompliziert empfunden, 73,5 % hatten sich voll und ganz oder eher ernst genommen gefühlt (…).“ (S.94)
Allerdings „waren 29,4 % der Befragten mit der Beratung eher nicht oder nicht und 26,5 % nur zum Teil zufrieden gewesen. Die Hälfte der Teilnehmenden mit gültigen Angaben hatte das Angebot als nicht, eher nicht, oder nur teilweise passend für die eigene Situation empfunden.“
Sehr interessant ist, dass fast 60 % der Befragten, nämlich „35,3 % teilweise und 23,5 % voll und ganz oder eher das Gefühl gehabt [hatten], bei der Beratung für die Situation mitverantwortlich gemacht zu werden.“ (S.95) 6,1 % derjenigen, die Kontakt zu einer Beratungsstelle hatten, gaben an, zumindest teilweise Erfahrungen von Abweisung gemacht zu haben.
Anzeigeverhalten gewaltbetroffener Männer
Sehr interessant ist auch das Anzeigeverhalten gewaltbetroffener Männer. Dieses wurde in Interviews befragt:
Weiterhin wurde auch das Anzeigeverhalten der Betroffenen im Rahmen der Interviews (16 Interviews wurden geführt) thematisiert. Insgesamt haben sechs Interviewpartner erklärt, dass sie ihre Partner*innen infolge der Gewalthandlungen angezeigt haben. In einem Fall der qualitativen Studie kam es zu einem Strafbefehl, in einem zweiten Fall zu einer Verurteilung einer Täterin. In den anderen vier Fällen kam es bis zum Zeitpunkt des Interviews zu keiner Verurteilung der Täter*innen bzw. die Verfahren wurden eingestellt. (S.165)
Mehrere Betroffene berichteten zudem, dass sie sowohl während der Polizeieinsätze als auch im Rahmen der Gerichtsprozesse fälschlicherweise als Täter durch ihre Partner beschuldigt wurden.
Je nach Ergebnis der Anzeige hatte die Anzeige positive oder negative Folgen. Je ein Beispiel aus den Interviews:
Sie hat nämlich das erste Mal die Konsequenzen zu spüren bekommen. Da passiert etwas, da war eben nicht einfach nur, die Aussage stimmte da nicht mehr „Hol doch die Polizei, geh doch Anzeige, mach doch, es passiert ja nichts“. Doch, es ist etwas passiert. Dort hat meine Frau dann eben ganz klar das verstanden. (Marcel) (S.166)
[…] sie kriegt dann natürlich irgendwann Post von der Staatsanwaltschaft, dass das Verfahren fallengelassen wurde. Dann ruft sie umgehend bei mir an, vielleicht sogar auf der Arbeitsstelle und sagt „Selbst der Staatsanwalt hat verstanden, dass man nem Arschloch wie dir mal eine runterhauen muss“. Genau. (LACHT) Grotesk irgendwie, ja. (David) (S.167)
Gewaltdynamik
Eine Analyse der Gewalt- und Beziehungsdynamik zeigt, dass viele Interviewpartner die Anfangsphase der Beziehungen als harmonisch wahrgenommen haben, erst später kam es dann zu ersten kritisch wahrgenommenen Situationen sowie Vorfällen der Gewalt. Änderungen in der Gewaltdynamik, z. B. das vermehrte Auftreten der Gewalt oder zusätzliche Gewaltformen sowie ihre Intensität, wurden vor allem dann geschildert, wenn die Betroffenen mit ihren Partnern in eine gemeinsame Wohnung gezogen sind oder gemeinsame Kinder bekamen.
Das Erleben der Gewalt gestaltete sich in den Erzählungen der betroffenen Männer als ein schleichender, schrittweise ansteigender Prozess, bei dem die Gewalt im Laufe der Beziehungen immer stärker und häufiger aufgetreten war. Diese langsame, stetige Zunahme der Gewalt führte zu Gewöhnungs- und Normalisierungsprozessen bei den Betroffenen, infolge derer sich ihre eigenen Toleranzgrenzen, was als Gewalt oder übergriffiges Verhalten wahrgenommen wird, immer mehr verschoben haben.
Besonders problematisch ist die fehlende Opfererkenntnis. Gerade in den Fällen, in denen die Betroffenen über einen längeren Zeitraum Gewalt erfahren haben, schilderten die Betroffenen, dass sie Schwierigkeiten hatten, sich als Opfer von Gewalt wahrzunehmen, weil die Gewalt anfangs nur selten aufgetreten sei und die Gewaltdynamik langsam zugenommen habe. In mehreren Fällen verlief die Gewaltbetroffenheit auch wellenförmig, indem sich harmonische Phasen mit Gewalteskalationen abwechselten, was es für die Betroffenen schwierig machte, die Beziehungen zu verlassen.
Spezifische Auslöser oder gewaltfördernde Faktoren für die einzelnen Gewaltsituationen konnten nur selten durch die Interviewpartner genannt werden, stattdessen kam die Gewalt für viele Betroffene entweder unerwartet oder verblieb auf einem konstant hohen Niveau, sodass es keine konkreten Auslöser gebraucht habe.
Warum sich Männer trotz Gewalt häufig nicht trennen
Die häufigsten Gründe, weshalb männliche Gewaltopfer sich nicht vom Partner trennen, waren:
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fehlende Opfererkenntnis
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Wunsch nach einem Festhalten an der Beziehung
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Familienzusammenhalt
Gemeinsame Kinder spielten für die betroffenen Männer auch nach der Trennung von ihren Partnern eine große Rolle, weil diese einen fortbestehenden Kontakt zu den Tätern notwendig machte und der Streit um Sorge- und Umgangsrecht häufig als sehr belastend wahrgenommen wurde.
Viele betroffene Väter schilderten daher auch ein Gefühl der Diskriminierung, weil ihre Bedürfnisse als Opfer sowie ihre Rechte als Väter durch die zuständigen Behörden nicht gesehen worden seien.
Was sich die betroffenen Männer wünschen
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Nahezu alle Interviewpartner äußerten das Bedürfnis eines generellen und stärkeren Bewusstseins in der Gesellschaft, dass auch Männer Opfer von Partnerschaftsgewalt werden.
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Stärkere Öffentlichkeit des Themas (z. B. durch mediale Kampagnen), um das Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft, aber auch die Bereitschaft von gewaltbetroffenen Männern, sich an Hilfs- und Beratungsangebote zu wenden, zu fördern.
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Mehr Hilfsangebote für gewaltbetroffene Männer, die niedrigschwellig gestaltet und auf die spezifischen Bedürfnisse von Männern zugeschnitten sind.
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Sensiblerer Umgang von Behörden und Institutionen mit gewaltbetroffenen Männern.
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Ein Interviewpartner bemängelte explizit, dass es insbesondere für Männer mit Kindern kaum Schutzangebote gebe.
Fazit
In einem Fazit weisen die Autoren nochmals darauf hin, dass laut ihren Ergebnissen
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Männer in Deutschland in einem substanziellen Ausmaß von Partnerschaftsgewalt betroffen sind und unter gravierende Folgen leiden können,
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aufgrund der Kombination verschiedener Gewaltformen ein breiteres Verständnis von Gewalt über die polizeilichen Delikte hinaus von Bedeutung ist, um rechtzeitig präventiv tätig zu werden und im Verlauf bzw. in der Dynamik von Partnerschaftsgewalt frühzeitig zu intervenieren,
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die Häufung von Gewaltvorfällen rund um das Thema Eifersucht bei der Teen-Dating-Violence zeigt, bei welcher Thematik frühe Präventionsmaßnahmen bei Jugendlichen ansetzen könnten,
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die Möglichkeit wechselseitiger Gewalt nahelegt, dass eine zu starre Einteilung in Täter und Opfer den Blick auf hinter Partnerschaftsgewalt liegende Dynamiken verstellen kann,
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sich eine Häufung von Männern mit eher niedrigem Bildungsabschluss bei schwerer Gewalt, also einer Kombination von mindestens vier Gewaltformen, sowie eine Häufung von Einkommensungleichheit in der Beziehung bei Betroffenen zeigt, was auf eine mögliche Relevanz von Machtungleichheiten im Zusammenhang mit Gewalt verweisen könnte,
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sich eine breite Varianz gewaltbetroffener Männer hinsichtlich zentraler soziodemografischer Variablen zeigt, was nahelegt, dass es keine typischen Opfer gibt und Gewalt gegen Männer in Partnerschaften ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist,
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die betroffenen Männer mitunter große Schwierigkeiten hatten, in der Hilfestruktur anzukommen, was zum einen an einem fehlenden Angebot für gewaltbetroffene Männer, aber auch an einer fehlenden Opfererkenntnis lag,
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viele Männer ihre Gewalterfahrungen als nicht gravierend genug beurteilen, um diese mit Dritten zu thematisieren beziehungsweise überhaupt als solche wahrzunehmen. Denkbar ist, dass dies auch mit gesellschaftlichen Debatten zusammenhängt, welche dem männlichen Opfer von Partnerschaftsgewalt bislang noch wenig Raum geben.
Handlungsempfehlungen
Die Autoren der Studie geben zusammenfassend folgende Handlungsempfehlungen (S.203f):
1) Ausbau des Angebots an Beratungsstellen, die spezialisierte Angebote für gewaltbetroffene Männer vorhalten.
2) Im Beratungskontext sollte die Komplexität von Partnerschaftsgewalt berücksichtigt werden: Viele dysfunktionale Beziehungen sind von einer wechselseitigen Gewaltdynamik gekennzeichnet.
3) Männer benötigen eine proaktive Ansprache, um die Beratungsquote zu erhöhen.
4) Auch für Männer braucht es mehr Orte, an denen sie bei Bedarf spontan Unterkunft finden, gegebenenfalls auch mit Kindern (Männerhäuser).
5) Polizeibeamte sollten für unterschiedliche Täter-Opfer-Konstellationen bei häuslicher Gewalt noch stärker sensibilisiert werden.
6) Sensibilisierungskampagne, die auch die Betroffenheit von Männern thematisiert, Betroffene auf Hilfe- und Beratungsmöglichkeiten hinweist und die Rolle und Aufgaben der einzelnen Akteuren (Beratungsstellen, Polizei, Gerichte) erklärt.
7) Jungen sollten ebenso wie Mädchen ermutigt werden, sich von gesellschaftlichen Vorstellungen zu emanzipieren; Gefühle zu zeigen und zu verbalisieren darf nicht als unmännlich gelten.
8) Beim Kampf gegen Partnerschaftsgewalt dürfen nicht beide Geschlechter gegeneinander ausgespielt werden.
Quelle Beitragsbild: adobestock-140432298-scaled.jpeg
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Endlich eine nachvollziehbare Analyse der gesamten Gewalt in Beziehungen – danke.
Als Reaktion auf Schreiattacken und Wurfgeschosse suchte ich die örtliche Polizei auf und die Beamten teilten mir mit, dass sie, wenn sie gerufen würden, den offensichtlich kräftigeren der Partner des Hauses verweisen würden, da die Vorgänge meist nicht vor Ort geklärt werden können. Also, wenn meine Partnerin tobt und ich die Hilfe der Polizei suche, werde ich aus dem Haus verbannt.
Ich schaffte mir zur Sicherheit vor Racheaktionen und Gegenbeschuldigungen eine versteckbare Kamera an. Ich bin nach Scheidung und mehrjähriger Therapie wieder nervlich genesen und kann sogar wieder schlafen, aber die erlittene Ungerechtigkeit nagt immer noch in mir.
Mein Gewalterleben im Alltag umfasst auch die Verweigerung von Anerkennung meiner Lebensleistung als Familienvater und im Beruf bis hin zu pauschalen Diffamierungen und Verurteilungen hinsichtlich Gewaltverbrechen und Umweltschäden. Absurd, wenn man an die 99 % unschuldigen Männer denkt, die die Mehrzahl der Gewaltopfer stellen und aus deren Reihen sich maßgeblich der Umweltschutz und das Umweltbewusstsein entwickelten. Die aus diesem Unrecht entstehende Spaltung der Gesellschaft ist viel gefährlicher als alle Privilegien für Frauen nützlich sein können.
Danke an das kriminologische Institut Niedersachsen für die Erstellung dieser Studie, die wieder einmal zeigt, das Männer eher Opfer von partnerschaftlicher Gewalt werden als Frauen. 2 Anmerkungen möchte ich Anbringen: Einmal fehlt bei den genannten möglichen Gründen für die Gewalt der Partnerin/des Partners der wichtigste Grund: Dass die Frau sich als wertvolleren Menschen sieht und dem Partner nur mindere Menschenrechte zubilligt. Und dann fehlt der Hinweis, dass die Familienrechtspraxis, bei partnerschaftlicher häuslicher Gewalt das Sorgerecht meist der Mutter zuzusprechen, auch wenn die Gewalt von der Mutter ausgeht, eine Trennung des männlichen Gewaltopfers von der gewalttätigen Mutter zumindest sehr erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht. Das väterliche Gewaltopfer ist gezwungen, sich mit dem Erleiden der Gewalt zu arrangieren.