Die Rolle rückwärts zur Männerwehrpflicht – 2
Die Rolle rückwärts zur Männerwehrpflicht – 2
„Frauen sollten aus der Wehrpflicht komplett rausgehalten werden“, meint die Expertin für Militärrecht, Frau Dr. Kathrin Groh, in einem Interview mit Elisabeth Winkler vom MDR AKTUELL. Die Kaltschnäuzigkeit, mit der die beiden Damen erörtern, wie man mit diesem massiven Eingriff in die individuelle Freiheit von jungen Männern durch die Rolle rückwärts zum Männerrollenbild des Kriegers am besten nutzen sollte, wirkt abstoßend. Und Sie dehnen die Wehrpflicht gleich noch auf eine generelle Dienstpflicht für Männer aus.
Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. (Bundespräsident Roman Herzog)
Im ersten Teil haben wir dargelegt, welche Konsequenzen die Wehrpflicht in der Realität für Männer hat, haben über Geschlechterpolitik und ihre Ausreden geschrieben und haben den Teil mit Soldatinnen bei Schönwetterlage beendet. Hier knüpft der zweite Teil an.
Soldatinnen bei politischer Schlechtwetterlage
In dem Interview Expertin für Militärrecht: „Frauen sollten aus der Wehrpflicht komplett rausgehalten werden“ von MDR AKTUELL vom 18. April 2025 klärt uns Frau Dr. Groh auf, warum die Rolle rückwärts zum reinen Männermilitärzwangsdienst nach ihrer Ansicht so richtig und vor allem gerecht sei. Es lässt vielleicht tiefer blicken, als es politisch korrekt ist, dass eine Professorin einer Bundeswehr-Uni, die ja zur Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet ist und zweifellos Interesse an einer möglichst schlagkräftigen Bundeswehr hat, es gar nicht gut findet, den Frauenanteil der Bundeswehr durch einen gleichberechtigten Wehrdienst zu erhöhen.
Die Argumente, mit denen die Gesellschaft versucht, sich die Absolution dafür zu erteilen, dass sie ihre Söhne – und zwar ausschließlich ihre Söhne – für ihren Machterhalt bereitwillig opfert, werden uns in nächster Zeit immer wieder begegnen. Deshalb wollen wir hier ausführlich darauf eingehen.
Frau Dr. Kathrin Groh ist Professorin für Öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München. Zu ihren Forschungsgebieten gehört unter anderem das nationale Militärrecht. Sie hat an den Universitäten in Bielefeld und Strasbourg Rechtswissenschaften studiert und 2003 promoviert.
Die Interviewerin vom MDR, Frau Elisabeth Winkler, hat in ihrem Kommentar „Gewalt gegen Frauen: Alle reden mit, keiner denkt weiter“ vom 07. Dezember 2024 noch beklagt: „Wir stellen (…) in der deutschen Rechtssprechung das Besitzdenken des Mannes immer noch über die Selbstbestimmung der Frau.“ Wir werden sehen, ob sie die Vorrangstellung des Besitzdenkens von Staat und Gesellschaft über die Selbstbestimmung des Mannes ebenso vehement kritisiert. Spoiler: Sie tut es nicht.
Der Mann als privilegierter Zwangsdienstleister
Zuerst erklärt uns Frau Dr. Groh, dass Frauen früher diskriminiert wurden, weil sie keinen Dienst an der Waffe leisten durften. Das stimmt. Früher hieß es „Männer müssen, Frauen dürfen nicht“. Bezüglich der archaischen Männerzwangsdienste siehe auch unseren „EU-Männerbericht – Teil 1 Männerzwangsdienste – aktualisiert Aug 2024“. 1996 hatte die Bundeswehr die Bewerbung der Elektronikerin Tanja Kreil für den Instandsetzungsdienst der Bundeswehr abgelehnt, weil in Deutschland der Dienst an der Waffe für Frauen laut Grundgesetz verboten war. Kreil klagte dagegen. Im Jahr 2000 hat das EuGH der Klage stattgegeben und entschieden, dass Frauen nicht vom Zugang zu militärischen Verwendungen in der Bundeswehr ausgeschlossen werden können, weil dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Dazu Frau Dr. Groh:
Damals durften Frauen überhaupt keinen Dienst mit der Waffe machen.
Es war dieses Bild, dass Frauen quasi nur mit Verbandszeug unterwegs sein dürfen, während die Männer die Kämpfer sind. Das ist eine viel schlechtere Situation für Frauen gewesen, als wie wir sie jetzt haben. Jetzt ist die Situation aus meiner Sicht für Frauen eigentlich total fantastisch. Frauen können jetzt freiwillig Dienst mit der Waffe tun, können in den Streitkräften alles werden, wenn sie entsprechende Tests bestehen – aber Frauen dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden. Also eine Wehrpflicht für Frauen gibt es nicht.
Zweifellos ist die Situation für Frauen jetzt fantastisch. Denn den Übergang von „Männer müssen, Frauen dürfen nicht“ zu einem „Männer und Frauen müssen“ oder „Männer und Frauen dürfen“ hat man trotz einem Heer von Gleichstellungsaktivisten nicht vollzogen. Stattdessen gab es ein „Frauen dürfen, Männer müssen“. So macht Gleichberechtigung Spaß – für Frauen. Aber nur weil dies für Frauen „fantastisch“ ist, heißt dies nicht, dass es gerecht ist.
Judikative Rangfolge von Menschenrechten
Wie wir in unserem EU-Männerbericht geschrieben haben, gab es ein weiteres wichtiges Urteil. Davon erwähnt Frau Dr. Groh nichts. Dieses Weglassen wichtiger Informationen, soweit sie nicht zielführend für den Dialog von Frau Dr. Groh und Frau Winkler sind, zieht sich übrigens wie ein roter Faden durch das ganze Interview.
Denn kurz nach Tanja Kreil, die übriges nie zur Bundeswehr ging, klagte der 20-jährige Jura-Student Alexander Dory aus Konstanz gegen seine Einberufung zur Bundeswehr vor dem Verwaltungsgericht. Der Grundwehrdienst schade seiner Karriere und verstoße damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Der EuGH lehnte die Klage ab. Es sei Sache der EU-Staaten, wie sie ihr Militär organisieren. Die im Grundgesetz verankerte Wehrpflicht für Männer, die der Sicherheit eines Landes dienen solle, habe Vorrang vor dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Deshalb sei militärischer Zwangsdienst ausschließlich abhängig vom (männlichen) Geschlecht rechtens.
Das ist sehr interessant. Denn es zeigt uns eine Rangfolge von Selbstbestimmungsrechten je nach Klientel. Selbstbestimmung von Frauen hat Vorrang vor der Selbstbestimmung des Staates, wie er seine Verteidigung organisiert. Selbstbestimmung von Männern hat dagegen gegenüber der Selbstbestimmung des Staates, wie er seine Verteidigung organisiert, Nachrang.
Selbstbestimmungsrechtsrangfolge auf Basis der Rechtsprechung zur Wehrpflicht
-
Frauen
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Der Staat
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Männer
Hier wird durch die Judikative eine klare Rangfolge konstruiert: Ganz oben in dieser Rangfolge kommt die Frau mit ihrem Selbstbestimmungsrecht aufgrund von Gleichberechtigung, dann kommt der Staat mit seinem Selbstbestimmungsrecht und ganz unten ist dann der Mann, mit dem Rest Selbstbestimmung, das ihm dann noch übrigbleibt.
Das Recht auf Selbstbestimmung folgt aus den Freiheitsrechten der Menschenrechte. Laut Artikel 1 der Resolution 217 A (III) der Generalversammlung vom 10. Dezember 1948 sind alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Nach Artikel 2 hat jeder Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.
Und in Artikel 3 wird jedem das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person zugestanden. Laut Artikel 7 sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung. Und da sich unser Grundgesetz ja ausdrücklich auf die Menschenrechte bezieht, dürfte es eine solche Rangfolge von Selbstbestimmungs- und damit Menschenrechten laut Menschenrechtskonvention gar nicht geben.
Die Argumentation der Gerichte ist deshalb sehr zweifelhaft, zumal die Sicherheit eines Landes und Gleichberechtigung nicht im Gegensatz stehen. Man kann Wehrpflicht für alle oder ausschließlich freiwilligen Wehrdienst für alle einführen. Das archaische Männerrollenbild des Kriegers scheint aber sowohl in der Exekutive wie in der Legislative und auch in der Judikative noch in den Köpfen fest verankert.
Übrigens geht auch die Rechtsprechung in der Schweiz davon aus, dass die Diskriminierung von Männern in der Wehrpflicht gesetzlich zulässig sei. Laut Urteil des Bundesgerichtes hinge das vor allem damit zusammen, dass Frauen aufgrund physiologischer und biologischer Unterschiede im Durchschnitt für den Militärdienst als weniger gut geeignet erachtet werden als der Durchschnitt der Männer.
In der Schweiz müssen zudem Männer, die keinen Wehrdienst leisten können, eine Wehrpflichtersatzabgabe bezahlen. Und selbst diese Abgabe in Form von Geld müssen Frauen nicht leisten. Zumindest diese Diskriminierung wäre mit der Begründung physiologischer und biologischer Unterschiede unsinnig.
Die Urteile zeigen, dass man keine wirklichen Gründe für die Diskriminierung nennen kann. Man tut sich schwer, in Zeiten von Gleichberechtigung, ja sogar Gleichstellung, in Zeiten der Forderung von neuen Männerrollenbildern, in Zeiten, in denen laut Frauenpolitik Frauen alles zumindest genauso gut wie Männer machen können, in Zeiten, in denen Männer unisono als so überflüssig wie für einen Fisch ein Fahrrad, als toxisch, als gefährlicher als ein Bär im Wald und ohnehin als kriegsgeil verunglimpft werden, das ebenso lebensgefährliche wie ungeliebte Kriegshandwerk wieder als reine Männersache zu verkaufen. Zu offensichtlich ist diese Rosinenpickerei.
Zur Vollständigkeit noch die Situation in Österreich. Der Präsident der Offiziersgesellschaft will eine Wehrpflicht für Frauen. Doch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sowie die gesamte Regierung und Opposition sind sich einig: Männer müssen, Frauen dürfen. Die „Rechtfertigung“ für diese Ungleichbehandlung ist die Gleiche, wie wir sie nachfolgend im Interview zwischen Frau Dr. Groh und Frau Winkler erleben werden – das Vorbringen von Gender Gaps bei Frauen bei gleichzeitigem Verschweigen von Gender Gaps bei Männern. In seinem Buch „Der Eisberg des Gender Gap“ listet der österreichische Autor, Pädagoge und Gründer der zivilgesellschaftlichen Friedens-Initiative „twogether.wien“ Klaus Podirsky über 50 Gender Gaps zuungunsten der Männer auf. Aber weder die österreichische Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, noch Frau Dr. Groh noch Frau Winkler – wie wir später zeigen – zählen auch nur einen einzigen dieser Gaps auf.
Frau Dr. Groh bestätigt in dem MDR-Interview durchaus, dass eine reine Männerwehrpflicht eine Ungleichbehandlung darstelle, doch:
Aber es ist so: Im Grundgesetz stehen jetzt zwei Regelungen, die einander widersprechen. Einmal, dass niemand wegen seines Geschlechts unterschiedlich behandelt werden darf. Und einmal, dass es die Wehrpflicht eben nur für Männer gibt. Weil diese beiden Normen aber auf ein und derselben Rechtsebene stehen, nämlich in der Verfassung, kann die eine die andere nicht verletzen. Die Wehrpflicht für Männer ist eben eine Ausnahme zum Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter.
Geschlechterpolitik hält an zementierten Rollenbildern im GG fest
Ein Grundgesetz ist aber kein unveränderliches Naturgesetz. Ursprünglich war im GG überhaupt keine Wehrpflicht verankert. Deutschland sollte nach dem Krieg ursprünglich nicht mehr wiederbewaffnet werden. Die reine Männerwehrpflicht kam erst später im Kalten Krieg hinzu.
Im Grundgesetz existieren damit zwei Artikel, in denen Menschen aufgrund ihres Geschlechtes benachteiligt werden. In beiden Fällen sind es Männer, die benachteiligt werden. Zum einen hat nach Artikel 6 (4) jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft, nicht jedoch Väter. Zum anderen können nach Artikel 12a ausschließlich Männer vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden. Man beachte, es gibt keine Altersbeschränkung nach oben. Und wir weisen darauf hin, dass die UN in ihrer Kinderrechtskonvention sogar den Kriegseinsatz von Jugendlichen ab 16 Jahren akzeptiert, soweit das übrige Männermaterial schon verheizt sein sollte. Denn nach Artikel 38 Abs. 3 der UN-Kinderrechtskonvention nehmen die Vertragsstaaten lediglich davon Abstand, Personen, die das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu ihren Streitkräften einzuziehen. Und dies, obwohl nach Artikel 1 der UN-Kinderrechtskonvention im Sinne dieses Übereinkommens jeder Mensch ein Kind ist, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt.
Die Sozialisation zum Wegwerfprodukt
Obwohl die beiden genannten Artikel im GG die Rollenbilder für Frauen und Männer zementieren, nämlich das Männerrollenbild des Kriegers und das Frauenrollenbild der Kindererzieherin und in Ergänzung dazu das Versorgerrollenbild des Vaters, hat sich daran auch nach Jahrzehnten der Geschlechterpolitik nichts geändert. Die Rolle rückwärts zum Männerrollenbild des Kriegers liefert jedoch Hinweise. Die Gesellschaft braucht für ihren Wohlstand und Machterhalt jederzeit frei verfügbares Menschenmaterial. Und da die Gesellschaft ihre Töchter zu sehr liebt, um sie dafür zu verheizen, aber ihre Söhne nicht annährend ähnlich liebt, gibt sie ihre Söhne. Warren Farrell, der US-amerikanische Menschenrechtler, der Menschenrechte auch für Männer einfordert, sagte es so:
Praktisch jede Gesellschaft, die überlebt hat, tat dies, indem sie ihre Söhne zu Wegwerfprodukten sozialisierte. Wegwerfbar im Krieg, wegwerfbar bei der Arbeit.
Und da die Gesellschaft zu feige ist, ihren Söhnen und sich selbst einzugestehen, dass sie sie als Wegwerfmaterial sozialisiert und erzieht, müssen Ausreden her, mit denen man Jungen und Männern Schuldgefühle einredet. Sie hätten aufgrund einer Art Erbschuld und einer auf das Geschlecht transformierten „Sippenhaft“ der argumentativ konstruierten „patriarchalen Dividende“ ihre Schulden einer erfundenen pauschalen Boshaftigkeit aller Männer auch aus der Vergangenheit nun abzuleisten. Und das würden sie am besten damit tun, dass sie sich möglichst bereitwillig für die Kriege ihrer Gesellschaft und deren Machthaber verheizen lassen.
Rosinenpickerei – die erste Packung Rosinen
Im Interview wird Frau Dr. Groh von Frau Winkler gefragt, ob die Tatsache, dass es keine Wehrpflicht für Frauen gäbe, als ausgleichende Gerechtigkeit zu verstehen sei – für all die „gender gaps“ zum Beispiel? Und Frau Dr. Groh antwortet auf diese Suggestivfrage wie erwartet:
Ich möchte das so verstanden wissen. Rechtlich ist der Artikel aber so nicht ausgetestet. Der Ausgleich durch den Staat muss eigentlich viel näher an der Benachteiligung von Frauen dran sein. Wenn ich eine faktische Benachteiligung für Frauen habe, beispielsweise eine Unterrepräsentation in bestimmten Berufen, dann muss ich eigentlich genau da ansetzen und als Staat versuchen, da eine Gleichstellung zum Beispiel durch Quotenregelungen herzustellen.
(…)
Wenn ich jetzt eine Wehrpflicht für Frauen einführe, dann vertiefe ich als Staat aber die verschiedenen gender gaps. Und ich lese den Artikel drei, Absatz zwei so, dass sich aus ihm auch ein Verschlechterungsverbot für den Staat ergibt. Der Staat muss Nachteile ausgleichen, das steht da. Dann darf der Staat im Umkehrschluss aber nicht ohne Not bestehende Nachteile für Frauen auch noch vertiefen.
Aber es gibt schon viele Quotenregelungen, um eine Unterrepräsentation von Frauen in bestimmten Berufen auszugleichen. Umgekehrt gibt es übrigens keinerlei Quotenregelungen, um die Unterrepräsentation von Männern in frauendominierten Berufen auszugleichen. Dies zeigte sich etwa an einer Meta-Studie zur Diskriminierung bei Bewerbungsverfahren aus 361.645 individuellen Stellenbewerbungen. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass zwar die Benachteiligung von Frauen bei männlich konnotierten und ausgewogenen Arbeitsplätzen im Laufe der Zeit abgenommen hat, die Benachteiligung von Männern bei weiblich konnotierten Arbeitsplätzen jedoch im Laufe der Zeit stabil blieb. Unter anderem deshalb ist eine zusätzliche Männerdiskriminierung nicht gerechtfertigt.
Zudem gibt es auch Gender Gaps bei Jungen und Männern, wie z. B. den Gender Education Gap, den Gender Lifetime Gap, den Gender Gap bezüglich des Männeranteils bei Bildungs- und Erziehungsberufen, es gibt die höhere Selbstmordrate bei Männern, es gibt die höhere Obdachlosenquote bei Männern, es gibt die höhere Todesrate bei Arbeitsunfällen bei Männern, Väter werden im Umgangs- und Sorgerecht diskriminiert, Männer zahlen mehr in die Rentenkasse ein und bekommen weniger heraus usw. Und schließlich wurde vor Kurzem ein Gewalthilfegesetz verabschiedet, das nur weiblichen Opfern von Gewalt Hilfe und Schutz gesetzlich zusichert, männlichen Opfern von Gewalt jedoch nicht. Wie oben schon dargelegt, zählt Podirsky über 50 solcher Gender Gaps zuungunsten der Männer auf.
Doch Frau Dr. Groh nennt außer dem nach ihrer Ansicht gerechtfertigten Männerzwangsdienst, um den es in dem Artikel ja geht, keinen einzigen. Und auch Frau Winkler vom MDR schweigt, obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag zu erfüllen hat, wonach er umfassend und ausgewogen zu informieren hat.
Einfach allgemein auf Gaps zuungunsten von Frauen verweisen und die von Männern ebenso weglassen wie aktuelle Studien dazu weglassen und dann behaupten, Zwangsrekrutierung von Männern sei der gerechte Ausgleich dafür.
Frau Winkler betont, dass das Bundesverwaltungsgericht 2006 die Nicht-Existenz einer Wehrpflicht für Frauen in einem Beschluss auch damit begründet habe, dass Frauen im familiären Bereich stärkeren Belastungen ausgesetzt seien als Männer und dass das eben ihre Herausnahme aus den Dienstverpflichtungen rechtfertigen würde. Hier ist nochmals zu erwähnen, dass Frau Winkler in ihrem Kommentar „Gewalt gegen Frauen: Alle reden mit, keiner denkt weiter“ vom 07. Dezember 2024 beklagt hat: „Wir stellen damit in der deutschen Rechtssprechung das Besitzdenken des Mannes immer noch über die Selbstbestimmung der Frau.“ Das Recht auf Selbstbestimmung reicht aber bei Frau Winkler offenbar über sich und ihr eigenes Geschlecht nicht hinaus.
Und sie befürchtet, dass diese Begründung die binäre Rollenverteilung und eben die Ungleichbehandlung von Frauen, gegen die feministische Bewegungen kämpfen würden, wieder verfestigen würde. Natürlich tut sie das. Natürlich stärkt das wieder die Erziehungsrolle der Frau. Es war, wie bei Artikel 12a, ja auch nie im Interesse der Geschlechterpolitik, Artikel 6 (4) im GG zu ändern, der Frauen ja die Erzieherrolle und Männern die Versorgerrolle zuweist.
So ist es der Frauenpolitik möglich, je nach politscher Wetterlage zwischen starkem mindestens genauso kriegstüchtig wie Männer agierenden Frauenbild und dem alten Rollenbild der Frau als Kinderkümmerin zu wechseln. Frau Dr. Groh erklärt das natürlich anders:
Das ist nicht mein Blick auf Feminismus. Die Wehrpflicht für Frauen bedeutet ja nur, dass wir eine Pflicht zusätzlich für Frauen schaffen. Es gibt eine zusätzliche Rolle, in die ich Frauen reinzwinge, obwohl die das gar nicht wollen. Die dürfen das nicht machen, sondern die müssen das machen. Und damit schaffe ich auch noch Folgeprobleme. All die Benachteiligungen, denen Frauen eh schon unterliegen, vertiefe ich so noch.
Also ich finde, da beißt sich die Katze so ein bisschen in den Schwanz, wenn ich erst Frauen zu einer Rolle mehr verpflichte, um hinten raus ihre Erwerbsbiografien auch noch zu verschlechtern. Das kann nach meiner Meinung keine feministische Position sein.
Jahrzehntelang beklagt man, dass Männer ihre alten Rollenbilder nicht ablegen und, dass Männer angeblich so kriegsaffin wären. Und jetzt plötzlich interessiert das Ablegen alter Männerrollenbilder nicht mehr. Jetzt will man die Rückkehr zur alten Männerrolle des Kriegers, in die man Männer reinzwingt, obwohl die das gar nicht wollen. Oder in den Worten von Frau Dr. Groh: Die dürfen das nicht machen, sondern die müssen das machen. Und damit schafft man auch noch Folgeprobleme. All die Benachteiligungen, denen Männer eh schon unterliegen (siehe oben), vertieft man so noch. Kriegsspielzeug für kleine Jungs ist verpönt. Aber wenn sie volljährig geworden sind, drückt man ihnen eine echte Waffe in die Hand und redet ihnen ein, dass, wenn sie damit auf Weisung von oben auf echte Menschen schießen, das völlig in Ordnung und ohnehin ihr ureigenste Männerpflicht sei.
Wir sehen hier deutlich, es sind nicht die Männer, die an ihren Männerrollenbildern haften. Es sind Politik und Gesellschaft, die auf die Annehmlichkeiten dieser Männerrollenbilder offenbar nicht verzichten wollen.
Also wir finden, in Anlehnung der Worte von Frau Dr. Groh: Da beißt sich die Katze so ein bisschen in den Schwanz, wenn ich erst Männerrollen ändern will und dann auf die Einhaltung der Männerrollenpflicht des Kriegers poche.
Frau Winkler fragt, ob anstatt Frauen mit einer Wehrpflicht im gleichen Maße zu „benachteiligen“ wie es Männer schon benachteilige, nicht die bessere, die feministischere Lösung wäre, die Wehrpflicht auch für Männer abzuschaffen. Frau Dr. Groh meint dazu:
Vor 2022 schon, ja. Aber mittlerweile spielen da ja ganz andere politische Kriterien mit. Im Koalitionsvertrag steht ja drin, es bleibt erstmal freiwillig. Aber wenn es nicht klappen sollte, genügend Freiwillige zu kriegen, dann muss eben wieder zwangsverpflichtet werden, weil das Ziel wehrtüchtig zu werden, das Ziel Gleichbehandlung herzustellen im Moment toppt.
Das ist typische Rosinenpickerei. In Friedenzeiten ist Wehrdienst, solange er freiwillig ist, feministisch in Ordnung, weil er auch Karrierechancen bietet. Aber wenn es gefährlich wird und Staat und Gesellschaft mehr Menschenmaterial für ihre „Kriegstüchtigkeit“ brauchen, dann ist die reine Männerwehrpflicht die bessere feministische Lösung, weil Frauen dann aus dem Schneider sind. Der Feminismus scheint hier sehr flexibel zu sein. Es scheint ihm lediglich auf die bessere Rosinenausbeute je nach politischer Wetterlage anzukommen.
Im dritten Teil geht es weiter mit dem Rosinenpicken im Interview von Frau Winkler von MDR AKTUELL mit Bundeswehrprofessorin Frau Dr. Groh.
Quelle Beitragsbild: AdobeStock_4136111861
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Diese Frau Groh spricht von einem ZUSÄTZLICHEN Zwang, der Frauen auferlegt werden würde. Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand ein einziges Gesetz nennen würde, dass Frauen zu etwas zwingt: „Frauen können zu angemessener Hausarbeit verpflichtet werden“, oder „Gebärpflicht für Frauen ab dem 18. Lebensjahr“. Es ist deprimierend, dass die Dame etwas behaupten kann, ohne dass direkt widersprochen wird.