Jungen bleiben die Stiefkinder deutscher Bildungspolitik
Bundesregierung und Jungenleseförderung
Nicht ein einziges Jungenleseförderprojekt konnten wir über Recherche beim Bundesbildungsserver finden, noch nicht einmal das Projekt „Kicken & Lesen“, das von der gemeinsamen Initiative von Wirtschaft und Bundesregierung „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet wurde.
Die Bundesregierung initiiert bzw. unterstützt 17 spezielle MINT-Mädchenförderprojekte, jedoch kein einziges Jungenleseförderprojekt.
Das von der Bundesregierung finanzierte „Bundesforum Männer“, das sich selbst als Interessensvertretung von Jungen und Männer bezeichnet, nimmt Jungenlesefördervereine, wie MANNdat, derzeit nicht in den Interessenverband auf und erschwert somit eine längst fällige Jungenleseförderung.
Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse
Bundesweit sind vier spezielle Jungenleseförderprojekte implementiert, die staatlich initiiert oder unterstützt werden.
Lediglich 50% der Bildungsministerien geben Auskunft über Anfragen zur Jungenleseförderung. Damit erhalten an Jungenleseförderung interessierte Bürger nur bei der Hälfte der zuständigen Bildungsministerien Auskunft.
Im Vergleich der geschlechterspezifischen Bildungsförderung erhalten Jungen weitaus weniger Hilfe, Unterstützung und Fürsorge als Mädchen. Auf 94 Mädchen-MINT-Förderprojekte kommen nur vier Jungenleseförderprojekte. Bei diesem Verhältnis muss man fragen, ob bezüglich des geschlechterspezifischen Bildungsgefälles die Bildungspolitik Teil der Lösung oder eher Teil des Problems ist.
Die Bundesregierung vernachlässigt Jungenleseförderung vollständig.
Anlage 1
Die Anfrage
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind ein gemeinnütziger Verein, der sich im Bereich Jungenleseförderung engagiert. Wir veröffentlichen regelmäßig Infos zur Jungenleseförderung.
Schon die PISA-Studie 2000 hat Jungenleseförderung als wichtige bildungspolitische Herausforderung angemahnt. Die PISA-Studie 2009 hat gezeigt, dass in neun danach die geschlechterspezifischen Lesekompetenzdefizite zuungunsten der Jungen gleich geblieben sind. Der Anteil von Jungen in der besten Lesekompetenzgruppe hat sogar abgenommen. Die EU will sich nun der Verbesserung der Lesekompetenz annehmen. Zudem erhalten wir regelmäßig Anfragen, wo welche Jungenleseförderprojekte analog z.B. den Mädchenförderprojekten im MINT-Bereich vorhanden sind.
Deshalb möchten wir bei den für Bildung zuständigen Ministerien, also auch bei Ihnen, anfragen:
- Welche konkreten reinen Jungenleseförderprojekte führen Sie durch, unterstützen Sie oder kennen Sie in Ihrem Bundesland?
- Wo können Interessierte konkrete Auskünfte über spezielle Jungenleseförderprojekte in Ihrem Land erhalten, z.B. wenn sie daran teilnehmen wollen?
- Sind konkrete Jungenleseförderprojekte in Ihrem Land mit Ihrer Unterstützung geplant und wenn ja, welche sind dies?
Für eine Rückantwort wären wir Ihnen dankbar. Die Informationen werden wir in unserem Jungen-lesen-Newsletter veröffentlichen.
Anlage 2
Sonstige, nicht rein jungenspezifische Leseförderprojekte, auf die wir von den Bildungsministerien hingewiesen wurden.
Hinweis: Soweit kein Datum dahinter steht, stammen die Links vom 1.11.2012; es ist nicht auszuschließen, dass einige der Links auf Dauer nicht mehr funktionieren.
Berlin
Projekt zur Förderung leseschwacher Jugendlicher: ProLesen-Transfer Berlin
Baden-Württemberg
Projekte für Jugendliche mit Lese-Rechtschreib-Schwäche z.B. Mannheimer Leseschule, die Leseschule Hettingen oder der LRS-Stützpunkt Hebelschule Titisee-Neustadt (Näheres hier).
Autorenlesungen, Schreibwerkstätten (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg und Friedrich-Bödecker-Kreis e.V. Baden-Württemberg).
Lesescouts (Stiftung Lesen und Manfred Lautenschläger Stiftung).
Geplant: Mein Papa liest vor! (Stiftung Lesen, Unternehmen des Landes Baden-Württemberg).
Rheinland-Pfalz
Seit einem Jahr gibt es im Rahmen einer neunmoduligen Lehrerfortbildungsreihe zur Leseförderung („Lesen in der Schule“), die vom Pädagogischen Landesinstitut angeboten wird, ein Modul zu geschlechtsspezifischer Leseförderung (Modul 5), für dessen inhaltliche Gestaltung Frau Prof. Christine Garbe gewonnen wurde.
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