Neue Studien zur Benachteiligung von Männern bei Bewerbungen

von Manndat

Eine Vielzahl von neueren Studien zeigen, dass Männer bei Bewerbungsverfahren benachteiligt werden. Darauf sind wir hier schon eingegangen. Jetzt ergänzt eine Studie aus Oslo, Madrid und Amsterdam diese Erkenntnis.

Studie 2021 aus Oslo, Madrid und Amsterdam

Gunn Elisabeth Birkelund, Bram Lancee, Edvard Nergård Larsen, Javier G Polavieja, Jonas Radl, Ruta Yemane: „Gender Discrimination in Hiring: Evidence from a Cross-National Harmonized Field Experiment“, European Sociological Review, jcab043, https://doi.org/10.1093/esr/jcab043, 27 October 2021

Die Forscher der Universitäten in Oslo, Madrid und Amsterdam haben fiktive Bewerbungen verschickt, die inhaltlich identisch waren, sich aber unter anderem beim Geschlecht der Bewerber unterschieden. Insgesamt wurden über 20.000 Bewerbungen in sechs Ländern verschickt: in Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, dem Vereinigten Königreich und den USA.

Ergebnis:

Durch die Verwendung von Daten aus dem ersten harmonisierten vergleichenden Feldexperiment über geschlechtsspezifische Diskriminierung bei Einstellungen in sechs Ländern können wir die Rückrufe von Arbeitgebern gegenüber fiktiven männlichen und weiblichen Bewerbern direkt vergleichen. Die einbezogenen Länder unterscheiden sich in einer Reihe wichtiger institutioneller, wirtschaftlicher und kultureller Dimensionen, dennoch fanden wir keine Anzeichen für eine Diskriminierung von Frauen. Dieses länderübergreifende Ergebnis ist ein wichtiger und solider Beweis. Zweitens fanden wir eine Diskriminierung von Männern in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und dem Vereinigten Königreich und keine Diskriminierung von Männern in Norwegen und den Vereinigten Staaten. In den gepoolten Daten unterscheidet sich das geschlechtsspezifische Gefälle zwischen den Ländern jedoch kaum. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Arbeitgeber, obwohl sie in ganz unterschiedlichen institutionellen Kontexten agieren, ceteris paribus weibliche Bewerber als geeigneter für Stellen in frauendominierten Berufen ansehen, während wir keine Hinweise darauf finden, dass sie männliche Bewerber überall als geeigneter ansehen.

Dies deckt sich mit den schon hier vorgestellten Studien, die Männer in frauendominierten Berufsbereichen, bei der Teilzeitjobsuche und als Vater bei Bewerbungsverfahren benachteiligen.

Benachteiligungen von Männern in frauendominierten Berufsbereichen

Die Studie aus Schweden

Forscher haben das Ausmaß der Geschlechterdiskriminierung in Schweden in verschiedenen Berufen untersucht. Die Analyse von Arbeitgeberantworten auf mehr als 3.200 fiktive Bewerbungen in 15 Berufen ergab, dass männliche Bewerber seltener positive Rückantworten erhielten als weibliche. Männliche Bewerber erhielten in frauendominierten Berufen mit etwa halb so hoher Wahrscheinlichkeit eine positive Antwort des Arbeitgebers wie weibliche Bewerber. Für männerdominierte und gemischte Berufe fanden die Forscher keine signifikanten Unterschiede bei den positiven Arbeitgeberantworten zwischen männlichen und weiblichen Bewerbern.

Schlussfolgerung aus der Publikation

Durch die Kombination von Daten aus drei früheren Korrespondenzstudien in Schweden fanden wir Belege dafür, dass Männer im Durchschnitt bei der Einstellung diskriminiert werden. Durch die Untersuchung der Antworten auf Lebensläufe in 15 verschiedenen Berufen konnten wir untersuchen, wie sich die Diskriminierung nach Berufen mit sehr unterschiedlichen Geschlechterverhältnissen unterscheidet. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen in mehreren Ländern, aber im Gegensatz zu einigen früheren Ergebnissen in Schweden, beobachten wir ein hohes Maß an Diskriminierung von Männern in von Frauen dominierten Berufen. Einstellungsdiskriminierung ist eine nachfrageseitige Erklärung für ein sehr schiefes Geschlechterverhältnis in einigen Berufen, das ein Hindernis für die Gleichstellung der Geschlechter bleibt.

Quelle: Ahmed A, Granberg M, Khanna S (2021) Gender discrimination in hiring: An experimental reexamination of the Swedish case. PLoS ONE 16(1): e0245513. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0245513

Schweizer Studie

Auch Daniel Kopp und Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich haben in ihrer Studie in Zusammenarbeit mit Politikwissenschaftler Dominik Hangartner ähnliche Ergebnisse erhalten. Mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds haben sie ebenfalls analysiert, welche Personen für ein Bewerbungsgespräch eingeladen wurden.

Das Ergebnis zeigt, dass Männer und Frauen in vom anderen Geschlecht dominierten Berufsbereichen benachteiligt werden. Männer werden dabei in weiblich dominierten Berufen (13 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit kontaktiert zu werden) stärker benachteiligt als Frauen in typischen Männerberufen diskriminiert (7 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit). Die Forscher stellten fest, dass Ausländerinnen und Ausländer im Durchschnitt 6,5 Prozent weniger häufig zwecks Einladung zu einem Bewerbungsgespräch kontaktiert wurden als Schweizerinnen und Schweizer. Auch hier zeigt sich, dass der Männermalus größer ist als der Ausländermalus. (D. Hangartner, D. Kopp and M. Siegenthaler: Monitoring hiring discrimination through online recruitment platforms. Nature (2021). https://doi.org/10.1038/s41586-020-03136-0)

US-Studie

2019 wurde in einer US-Studie untersucht, wie sich geschlechtsspezifische und klassenspezifische Merkmale von Berufen die Einstellungspraktiken auswirken und Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts der Bewerber erzeugen. Es wurden Daten von Angestellten (N = 3.044 Lebensläufe) und von Arbeitern (N = 3.258 Lebensläufe) sowie aus Analysen von mehr als 3.000 Stellenanzeigen analysiert. Dabei wurden die frühe Einstellungspraktiken von Arbeitgebern anhand von zwei geschlechtsspezifischen beruflichen Dimensionen untersucht: (1) Geschlechterzusammensetzung (männlich oder weiblich dominierte Berufe) und (2) Geschlechterstereotypisierung (maskulinisierte oder feminisierte Berufe, basierend auf den Eigenschaften, die Arbeitgeber in Stellenanzeigen betonen. Die Ergebnisse weisen auf eine Polarisierung bei der Auswahl hin, bei der sich die Diskriminierung von weiblichen Bewerbern auf männerdominierte und maskulinisierte Arbeitsplätze lediglich in der Arbeiterklasse konzentriert auftritt, während die Diskriminierung von männlichen Bewerbern häufiger auftritt und in frauendominierten und feminisierten Arbeitsplätzen sowohl im Angestellten- als auch im Arbeiterkontext auftritt. Interessanterweise verstärkt sich die Diskriminierung von männlichen und weiblichen Bewerbern – je nach klassifiziertem Kontext – noch, wenn diese beruflichen Dimensionen in dieselbe geschlechtsspezifische Richtung weisen (z. B. frauendominierte Stellen, die auch feminisierte Stellenanzeigen enthalten).

Quelle: Jill E Yavorsky: Uneven Patterns of Inequality: An Audit Analysis of Hiring-Related Practices by Gendered and Classed Contexts, Social Forces, Volume 98, Issue 2, December 2019, Pages 461–492, https://doi.org/10.1093/sf/soy123

 Väterbenachteiligung bei der Arbeitssuche

Diese Ergebnisse ergänzen unsere schon vorgestellten Studien zur Benachteiligung von Männer bei Bewerbungsverfahren. Eine europaweite Studie eines deutsch-niederländisches Teams, zeigte ethnische Diskriminierungen und einen Frauenbonus bei Bewerbung.  (Quelle: Tilman Weigel   „Lieber Julia als Yusuf: Wie Namen und Herkunft die Chance auf eine Stelle beeinflussen“, Statistiker-Blog, 2. April 2021 http://www.statistiker-blog.de/archives/wie-herkunft-die-jobchancen-beeinflusst/6354.html, Abruf 7.4.2021

Die Studie zeigte folgende Reihenfolge der Bevorzugung:

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Gruppe

Bevorzugungschancen

Frauen mit deutsch klingendem Vornamen

Sehr hoch

Frauen mit ausländisch klingendem Vornamen

Hoch

Männer mit deutsch klingendem Vornamen

Gering%

Männer mit ausländisch klingendem Vornamen

Sehr gering

Eine Studie von Lena Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) zeigte, dass Väter die größten Benachteiligungen bei Bewerbungen haben, kinderlose Frauen die größten Vorteile. Zudem haben Frauen mit Kindern deutlich bessere Chancen als Männer mit Kindern, zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Insgesamt gesehen haben Männer schlechtere Chancen als Frauen, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Auch hier ist der Malus „Mann“ größer als der „Malus“ Kinder zu haben

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Gruppe

Einladungen

Kinderlose Frauen

22%

Mütter

17%

Kinderlose Männer

16%

Väter

15%

(Quelle: “Do hiring practices penalize women and benefit men for having children? Experimental evidence from Germany”, European Sociological Review, Volume 36, Issue 2, April 2020, Pages 250–264, https://doi.org/10.1093/esr/jcz056)

Männer werden bei der Teilzeitjobsuche diskriminiert

Auch bei der Suche nach Teilarbeit werden Männer benachteiligt, wie wir im Beitrag „Männer werden bei der Teilzeitjobsuche diskriminiert“ dargelegt haben. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich wertete rund 450.000 Rekrutierungsanfragen auf der Stellenplattform job-room.ch aus, um die geschlechterspezifischen Chancen auf einen Teilzeitjob zu erforschen. Die Stellenplattform wird von der Schweizer Arbeitsmarktbehörde SECO betrieben. Die NZZ (Registrierung erforderlich) berichtet über das Ergebnis:

Frauen, die Teilzeit arbeiten, erhalten 10% weniger Job-Angebote. Bei den Männern allerdings ist diese „Teilzeit-Strafe“ gar doppelt so groß: Ihre Auswahl an Stellen sinkt um 22%. (…) Wenn eine Frau 90% statt 100% arbeiten will, so sinken ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt um lediglich 2%. Bei einem Mann jedoch hat die gleiche Reduktion des Pensums zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Stellenangebot um 17% abnimmt.

Argovistoday schreibt dazu:

Die Studie zeige, dass die Debatte um Gleichstellung am Arbeitsplatz auch für Männer wichtig sei, so Adrian Wüthrich, Präsident der Gewerkschaft Travail Suisse, gegenüber der «NZZ am Sonntag». Auch bei Stellen, die explizit mit Teilzeit-Option ausgeschrieben seien, werde von Männern ein höheres Pensum erwartet.

Die Aargauer Zeitung ergänzt:

«Wenn eine Frau Teilzeit arbeitet, wird dies auf die familiäre Belastung zurückgeführt. Bei einem Mann dagegen wird eher unterstellt, dass er beruflich weniger engagiert ist», wird Studienautor Daniel Kopp zitiert.

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