Medien nehmen zunehmend männliche Gewaltopfer wahr

von Manndat

2001, also vor 22 Jahren, veröffentlichte Arne Hoffman sein Buch „Sind Frauen bessere Menschen?“ Darin thematisierte er auch das Marginalisieren männlicher Opfer von Partnerschaftsgewalt. Noch vor 12 Jahren wurde in Goslar die damalige Gleichstellungsbeauftragte Monika Ebeling abberufen, weil sie gegen eine Aktion protestierte, die männliche Gewaltopfer ausgrenzte und damit verharmloste.

Seit November 2020, also seit 3 Jahren, läuft unsere Initiative „Unsichtbarmachen männlicher Gewaltopfer sichtbar machen“. Mittlerweile ziehen immer mehr Aktivisten mit, so dass auch der ÖRR wohl nicht mehr an dem Thema vorbeikommen wird. Zeigt das Bohren extrem dicker Bretter endlich Erfolge? Wir können es noch nicht einschätzen, aber immerhin gab es zum Weltmännertag dieses Jahr einige Artikel dazu. So berichtet z.B. n-tv:

Im vergangenen Jahr sind mehr Männer Opfer häuslicher Gewalt geworden als noch im Jahr zuvor. Das geht aus einer veröffentlichten Statistik der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz hervor. Danach stieg 2022 die Zahl der Hilfeanfragen in Männerschutzeinrichtungen um etwa zwei Drittel von 251 auf 421. Mit 97 Prozent berichteten fast alle der Männer den Angaben zufolge von psychischer Gewalt wie Beschimpfungen, Stalking, Streits oder Grenzüberschreitungen. Fast drei Viertel waren zudem betroffen von körperlicher Gewalt. Berichtet wurde auch von ökonomischer, sozialer und sexualisierter Gewalt. Partnerinnen oder Partner waren mit 45 Prozent in den meisten Fällen für die Gewalt verantwortlich. Als Täterinnen und Täter sind aber auch Elternteile (20 Prozent), Geschwister (6,1) oder Menschen aus der Nachbarschaft (5,2) aufgeführt.

„Die Zeit“ schreibt:

In fast 30 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt in Deutschland sind Männer betroffen. Viele suchen Hilfe in Schutzwohnungen. Doch davon gibt es bundesweit nur zwölf.

(…) Frank Schreinert [Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) in Berlin]: „Gewalt gegen Männer im Kontext häuslicher Gewalt ist in unserer Gesellschaft ein Tabu, dem mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.“

Die BFKM kritisiert, dass es bislang in nur sechs Bundesländern Männerschutzwohnungen gibt. Auch die Gesamtzahl von zwölf Einrichtungen sei zu gering. Durch die große räumliche Distanz zu den Betroffenen könnten viele keine Hilfe in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund fordert die BFKM den Ausbau eines flächendeckenden Hilfenetzes für von häuslicher Gewalt betroffene Männer.

Auch die Frankfurter Allgemeine berichtet ähnlich.

Warum Männer so selten Partnerschaftsgewalt gegen sich anzeigen, zeigt eine Studie aus Norwegen auf: Studie zu Partnerschaftsgewalt – Weshalb männliche Opfer sie so selten anzeigen

Im Artikel der Berliner Morgenpost heißt es:

Fast 70.000 Betroffene sind es allein dieses Jahr, erklärt Jana Peters, die als Fachreferentin bei der Erstellung der Statistik beteiligt war. Dem gegenüber stehe eine sehr niedrige Zahl an Schutzräumen: Im vergangenen Jahr gab es laut Peters bundesweit 12 Einrichtungen mit 41 Plätzen zum Schutz von Männern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Bis zum jetzigen Zeitpunkt habe sich dieses Jahr die Anzahl der verfügbaren Plätze um insgesamt sieben erhöht.

„Für 1285 Männer gibt es bundesweit genau einen Platz“, rechnet Peters runter und bezieht sich lediglich auf Männer ab 21 Jahren. Jüngere männliche Personen sind nicht eingerechnet. „Das ist eine erschreckende Zahl.“ Lediglich ein Bruchteil von den mehreren zehntausend Betroffenen würden sich tatsächlich melden (421 Personen im Jahr 2022) und in sogenannte Männergewaltschutzeinrichtungen einziehen (99 Personen).

Dort erhalten sie eine sichere Wohnumgebung, meist für rund drei Monate, und werden psychologisch begleitet. „Es wird über ihre Gewalterfahrung gesprochen und es geht um Fragen, wie es nach der Einrichtung weitergeht, wie es mit den Kindern weitergeht, und welche weiteren Hilfsangebote es gibt“, so Peters.

Berlin sieht sich nur für die weibliche Hälfte der Menschen zuständig

Auch die Landeshauptstadt Berlin ist schlechtes Vorbild in Sachen Gleichberechtigung. Während es Hilfen für gewaltbetroffene Frauen in Partnerschaften gibt, lässt der Berliner Senat gewaltbetroffene Männer im Stich. Und dies, obwohl sich die zuständige Stelle der SPD-Senatorin Cansel Kiziltepe seit der Übernahme von ihrer Vorgängerin Katja Kipping (Die Linke) mit dem Mammuttitel versehen hat „Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung“. Doch Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung schafft man nicht durch monströse Titel, sondern durch deren praktische Anwendung. Und davon sind die Verantwortlichen in dem Ressort offenbar noch weit entfernt.

Eberhard Schäfer vom Väterzentrum Berlin im Artikel der Berliner Morgenpost dazu:

„Wir sind keine Einrichtung für Gewaltschutz von Männern, hier wollen Väter Anregungen erhalten oder einfach nur Spaß mit anderen Vätern und Kindern haben“, betont Schäfer das Konzept seiner Organisation.

Dennoch ist er unfreiwillig so etwas wie ein Sprecher für das Thema häusliche Gewalt gegen Männer geworden und berät diese auch im Rahmen seiner Arbeit, sofern sie Väter sind. Viele Betroffene würden aus Mangel an Schutzeinrichtungen das Väterzentrum bei der Online-Suche finden oder über das Hilfetelefon Gewalt gegen Männer auf jenes hingewiesen werden. (…)

„Im Durchschnitt habe ich vier Gespräche mit gewaltbetroffenen Vätern pro Monat, manche kommen mehrfach“, berichtet Schäfer. Mit Ausnahme von 2021 hat das Ausmaß an häuslicher Gewalt in Berlin laut Polizei in den vergangenen sechs Jahren kontinuierlich zugenommen – sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Der Anteil von männlichen Opfern liegt seit Jahren bei rund 26 Prozent in der Hauptstadt.

(…) „Betroffen ist jedes Alter, in dem Männer in einer Partnerschaft sind, jegliches Milieu, jegliches Bildungsniveau und auch regional ist alles vertreten.“ Zu Gewalt komme es oftmals, wenn das Stresslevel etwa aufgrund von Beruf und Kindern enorm hoch liege. Rötungen von Schlägen, Kratzspuren, psychische Wunden: Auch das Spektrum an Formen der Gewaltausübung sei groß.

Diese Erfahrungen könnten unter anderem Selbstvorwürfe zur Folge haben oder letztlich auch Trauer über eine gescheiterte Beziehung. Schäfer kann diesen Männern zuhören, ihnen raten, etwa die Polizei, Beratungsstellen der Opferhilfe oder des Weißen Ringes oder die Gewaltschutzambulanz in der Charité aufzusuchen. Eine weitergehende psychologische Beratung oder gar eine Schutzeinrichtung kann er hingegen nicht anbieten.

(…) Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung (SenASGIVA) sehe sich beim Thema häusliche Gewalt nur für betroffene Frauen in der Zuständigkeit.

Auf Anfrage wird dieser Fokus bekräftigt… (…) Weitern „bestehen derzeit seitens der SenASGIVA keine Konkreten Vorhaben zur Einrichtung von Männerschutzplätzen.“

Auch laut RBB-Inforadio wurde eine Anfrage der FDP von der Berliner Senatsverwaltung damit beantwortet, dass der Schwerpunkt auf Frauen und Kindern läge.

Der Grund, weshalb sich das Ressort der SPD-Senatorin Cansel Kiziltepe nur für betroffene Frauen und Kinder zuständig sieht, bleibt im Verborgenen. Über die Berliner Rückständigkeit in Sachen Opferhilfe hatten wir schon berichtet.

Da haben wir das Kernproblem. Geschlechterpolitik wurde und wird auch trotz Gender Mainstreaming lediglich als lineare Fortsetzung der reinen Mädchen- und Frauenförderung gesehen, und sonst nichts. Die Ungleichbehandlung von Gewaltopfern, abhängig vom Geschlecht, wird dort offenbar nicht als Gleichstellungsthema, soziales Thema oder Diskriminierung erkannt. Männliche Gewaltopfer werden stattdessen in der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung nicht integriert, nicht gleichgestellt, ungleichbehandelt und damit diskriminiert. Es zeigt, dass in der Politik nicht immer das drin ist, was außen draufsteht.

Totalausfall Bundesregierung

Auf Bundesebene sieht das nicht anders aus. Wir haben in unzähligen Beiträgen die Untätigkeit, das Marginalisieren und sogar das Unsichtbarmachen von männlichen Opfern häuslicher Gewalt durch das Bundesfamilienministerium als auch durch sein von ihm finanziertes Anhängsel Bundesforum Männer hingewiesen.

Durch die ansonsten so spendable Ampelkoalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wurden die ohnehin schon geringen Fördermittel des Bundesfamilienministeriums für Hilfsangebote für männliche Opfer von häuslicher Gewalt, verantwortet von der Grünen Lisa Paus, sogar wieder gekürzt.

Auch Väteraktivist Markus Witt übt Kritik am von Lisa Paus (Grüne) geführten Bundesfrauenministerium, das am 3. November zum Weltmännertag lediglich zwei Posts zu Frauenquoten abgesetzt hatte: „Keine Maßnahmen, kein Mitgefühl, keine finanzielle Unterstützung.“ Bei ihrer Pressekonferenz zur häuslichen Gewalt hatten Lisa Paus und Nancy Faeser männliche Opfer weitgehend ausgeblendet.

Im Gegensatz zu Berlin und Ampelregierung tut sich Sachsen hervor in Sachen Hilfe für männliche Opfer von Partnerschaftsgewalt. Der MDR berichtet über den Verein Weissenberg e.V. in Plauen:

Gründer und Namensgeber Tami Weissenberg hatte den Verein, dessen Hilfe allen Menschen offensteht, nach einer eigenen Gewalterfahrung gegründet, wie er MDR AKTUELL erzählte.

Weissenberg zufolge gab und gibt es auch immer noch besonders für Männer Hürden, um Hilfe zu bitten. Zum einen sei da die Scham und die Schwierigkeit, Gewalt überhaupt als solche zu erkennen. Zum anderen bleibe Männern oft nur die Möglichkeit, in Obdachlosenunterkünfte zu gehen, in die sie etwa Kinder nicht mitnehmen können, oder in Einrichtungen der Wohnhilfe. Dabei gibt er jedoch zu bedenken: „Die dort herrschenden sozialen Spannungsfelder sind bei Gewalterfahrung leider absolut kontraproduktiv.“

(…) Als Opfer häuslicher Gewalt wollte sich auch Tami Weissenberg Hilfe suchen – vergeblich. Daraufhin gründete er eine Selbsthilfegruppe für betroffene Männer und merkte schnell: „Wenn da ein großer Haufen betroffener Männer zusammenkommt und das unmoderiert bleibt, wird das ganz großer Mist.“ Also baute Weissenberg den gleichnamigen Verein in Plauen auf, um auf dem Gebiet ein professionelles Angebot zu schaffen.

Den Startschuss dafür beschreibt der gebürtige Thüringer als eine „glückliche Fügung“. Im Rahmen der Bundestagswahl 2017 hatte sich die sächsische SPD des Themas Gewaltschutz für Männer und Jungen angenommen. Zum damaligen Zeitpunkt hatte es Weissenberg zufolge weder in Sachsen noch in irgendeinem anderen Bundesland Anlaufstellen gegeben, die mit den heutigen Beratungsangeboten vergleichbar wären. Das erkannte auch Sozialministerin Petra Köpping (SPD).

Durch die Überarbeitung der „Richtlinie zur Förderung der Chancengleichheit“ wurde die Förderung der Schutzangebote für Männer 2021 in der sächsischen Gesetzgebung verankert. So konnten die Projekte in Leipzig, Dresden und Plauen staatliche Förderung erhalten. Für Weissenberg ergab sich damit die Möglichkeit, Sozialarbeiter in Voll- und Teilzeit einzustellen und seine Hilfsangebote so zu professionalisieren.

In Thüringen steht dieser Schritt noch bevor. Ein Gesetzentwurf von LINKE, SPD und Grünen sieht vor, im Freistaat künftig mehr Beratung und ein dichteres Netz an Schutzhausplätzen anbieten zu können. Tritt das Gesetz in Kraft, müsste ab 2026 jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt in Thüringen eine Schutzwohnung für Männer und nicht weibliche Personen anbieten – zusätzlich zu fünf Schutzeinrichtungen für Frauen.

Auch wenn Vereine und Projekte wie das „Männerschutzprojekt A4“ in Jena bereits fachliche Beratungen anbieten, gibt es derzeit noch keine Schutzwohnungen für Männer in Thüringen. Zusätzlich erschwert wird die Lage wohl auch dadurch, dass es – unabhängig von der Statistik zur Nutzung der Schutzeinrichtungen – keine umfänglichen Daten dazu gibt, wie sehr Männer überhaupt von häuslicher Gewalt betroffen sind.

[Das ist so nicht richtig. Siehe hier: „Männliche Opfer von Partnerschaftsgewalt – Dunkelfeldstudien“]

In Sachsen-Anhalt ist die Angebotslandschaft zu Männerschutzarbeit ähnlich wie in den meisten anderen Bundesländern noch sehr dünn. Zwar gibt es im Land vier Interventionsstellen, die Beratung für Opfer anbieten, das Angebot geht jedoch nicht darüber hinaus. Außerdem gebe es nur weibliche Beraterinnen – ein Umstand, der für betroffene Männer, denen es schwerfällt, sich Frauen zu öffnen, schwierig ist.

Suchen Männer und Jungen Schutzräume, würden sie an Sachsen oder andere Bundesländer weitergeleitet, sagt die Leiterin der Interventionsstelle in Halle, Silke Voß. Das bestätigte auch Sachsen-Anhalts Sozialministerium auf Anfrage von MDR AKTUELL: „In Sachsen-Anhalt werden keine Schutzeinrichtungen, die speziell für die von häuslicher Gewalt betroffenen Männer tätig werden, mit Landesmitteln gefördert.“

Ein Zustand, der von der Bundesfachstelle BFKM, die in Dresden sitzt, kritisch betrachtet wird.“

MANNdat hatte Tami Weissenbergs Buch „Darjeeling Pur“, in dem er seine Erfahrungen als männliches Opfer von Partnerschaftsgewalt erzählt, rezensiert.

In den USA berichten die Medien dort von dem American-Football-Spieler Bill Bidwill, der von seiner Frau mit hunderten von Schlägen mit einem Bierglas blutig geprügelt worden sein soll. Dazu existiert auch ein Polizeivideo.

Das Info- und Hilfeportal der BKFM findet man hier.

Beitragsbild: adobestock-140432298

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