Männergesundheit – (k)ein Thema?

von Dr. Bruno Köhler

Geschlechterspezifische Gesundheitspolitik

Historisch bedingt hat sich der geschlechterspezifische Blick auch im Bereich der Gesundheit aus­schließlich auf Frauengesundheit ausgerichtet. Aber schon allein die Tatsache, dass Männer eine um etwa 6 Jahre niedrigere Lebenserwartung als Frauen haben, zeigt, dass geschlechtersensible Ge­sundheitspolitik nicht nur Frauengesundheit umfassen kann.

Anfang dieses Jahrzehnts wurde auf Bundes-und Länderebene die geschlechterpolitische Strategie des „Gender Mainstreaming“ implementiert. Sie erhob den Anspruch, frauen-und männerspezifische Anliegen und Belange gleichberechtigt in den Blick zu nehmen. Was als Aufbruch in eine gleichbe­rechtigte Geschlechterpolitik klang, hat sich in der Praxis jedoch bald als Trugschluss erwiesen. Gen-der Mainstreaming ist am vorgeblichen Anspruch, auch die Belange von Jungen und Männern be­rücksichtigen zu wollen, gescheitert. In kaum einem anderen Bereich wird dies so deutlich wie im Be­reich Männergesundheit.

Als Beispiel kann man den WHC-newsletter Nr. 03/2002 nennen, in dem die Forderung geäußert wird: „Gender-Mainstreaming-Ansatz in allen Bereichen des Gesundheitswesens anwenden.“ Was die Parteien unter diesem Ansatz in der Realität verstehen, ergibt sich aus den folgenden Zitaten die­ses Newsletters:

Die [damalige: Anm. des Autors] rot-grüne Regierung hat … gehandelt. Im Gesundheits­ministerium wurde eine Abteilung „Frauen und Gesundheit“ eingerichtet, Vorhaben mit frauenspezifischer Relevanz werden gefördert. Das Spektrum reicht von Projekten, wel­che die koronaren Herzkrankheiten zum Gegenstand hatten, bis hin zum „Bericht zur ge­sundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland“ .

CDU und CSU fordern deshalb:

  1. Die Anwendung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes in allen Bereichen des Gesund­heitswesens. Alle Maßnahmen sollen da hingehend geprüft werden, wie sie sich auf Frauen auswirken und ob sie den Bedürfnissen von Frauen gerecht werden.
  2. Eine konkrete Gesundheitspolitik für Frauen, welche die Lebenswelt und die persönli­che Geschichte von Frauen einbezieht.
  3. Eine Intensivierung der Gesundheitserziehung von Mädchen und jungen Frauen sowie den Ausbau der präventiven Maßnahmen.
  4. Mehr frauenspezifische Gesundheitsaufklärung verbunden mit dem Ziel, mehr Frauen für die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen zu gewinnen. [25]

 Man sieht, Männer-und Jungengesundheit kommt im geschlechterpolitischen Denken der Parteien, auch im Rahmen des Gender Mainstreaming, nicht vor.

Das Bundesland Brandenburg hat bei seiner Fachtagung: „Gender Mainstreaming – aber wie?“ sage und schreibe 16 Themenbereiche allein zur Frauengesundheit erörtert und keinen einzigen Themen­bereich zu Männergesundheit [26]:

  • Ausbau der frauenspezifischen Gesundheitsarbeit -Erstellung länderspezifischer Gesundheitsberichte; Herunterbrechung auf die Kommunen, dabei Fokus auf ältere Frauen, Kinder und Jugendliche -Ausspruch für den lebensweltlichen Ansatz, Einbezug der Lebensumstände von Frauen
  • Ausbau frauenspezifischer gesundheitlicher Vorsorgemaßnahmen -Stärkung der Beteiligung der Bürgerinnen im Gesundheitswesen -Ausbau der Ansätze der Forschung zur Frauengesundheit
  • spezielles Engagement zum Thema häusliche Gewalt an Frauen -Klärung des Verständnis von Frauengesundheit -Festlegung von Gesundheitszielen (Essstörung, Frauen und Sucht, Krebsbekämpfung)
  • Koalition zwischen Expertinnen auf verschiedenen Ebenen -Integration der Themen Frauen, Gewalt etc. in die Weiterbildungsordnung des Bundes -Aufbau und Stärkung lokaler und bundesweiter Netzwerke (Koordinierungsstelle: Arbeits­kreis Frauengesundheit und Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft)
  • Öffentlichkeitsarbeit zur Frauengesundheit
  • Erarbeitung gemeinsamer Positionen der Frauengesundheitsbewegung -breite Information der Frauen zu gesundheitlichen Fragen -Finanzierung von Projekten und Maßnahmen der Frauengesundheitsbewegung

Bei solch rigorosem Ausschluss des Themas Männergesundheit klingt der Anspruch von Gender Mainstreaming, auch die Belange von Jungen und Männern berücksichtigen zu wollen, äußerst zy­nisch.

Diese Einseitigkeit ist aber nicht nur bei der Politik zu erkennen, sondern auch bei den Krankenkas­sen selbst. Im Beitrag „Die Zukunft der Medizin ist weiblich“ erläutert die BARMER ihre Gender-Aktivitäten und sieht sich in jeder Hinsicht als Frauenkasse [27]. Allerdings sieht sie sich nur in den Leistungen als „Frauenkasse“. Bei den Beiträgen werden männliche Versicherte natürlich genauso zur Kasse gebeten wie weibliche Versicherte. Beim Kassieren herrscht also Gleichberechtigung.

Diese Einseitigkeit in der Gesundheitspolitik hat zu einer deutlichen Schieflage im Gesundheitswesen zuungunsten der Männer geführt. Während die Krebsfrüherkennung bei Brustkrebs in Deutschland vorbildlich geregelt und dem Stand der Medizin entspricht, ist die Prostatakrebsfrüherkennung auf dem Stand von 1900 stehen geblieben. Ein Blick in die Krebsfrüherkennungsrichtlinien (Stand 04.09.2008) zeigt, dass die Krebsfrüherkennung für Frauen 21 Seiten, die Krebsfrüherkennung von Männern lediglich 8 Seiten umfasst.

Auf Grund der einseitigen Ausrichtung geschlechtersensibler Gesundheitspolitik gibt es auch kaum neutrale Informationen zur Männergesundheit. Oftmals werden die Informationen von pharmazeuti­schen Unternehmen herausgegeben oder zumindest mitfinanziert. Es ist deshalb oftmals kaum mög­lich, die seriösen von den rein kommerziell orientierten Angeboten zu unterscheiden. Aber auch die Informationsangebote der Krankenkassen weisen Schwachstellen auf, wie wir im Abschnitt bei den Krankenkassen zeigen werden.

Hier kommt die Gesundheitspolitik ihrer Verantwortung, für ein neutrales Informationsangebot zum Thema Männergesundheit zu sorgen, nicht nach. Stattdessen fördert sie durch deren Vernachlässi­gung das mangelnde Gesundheitsbewusstsein von Männern. Wir konnten lediglich einige leichte An­sätze für eine Männergesundheitspolitik finden.

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