Männergesundheit – (k)ein Thema?

von Dr. Bruno Köhler

Der Stellenwert von Männergesundheit in den Landesregierun­gen und bei der Bundesregierung

Um den Stellenwert von Männergesundheit in den verschiedenen Länderministerien bzw. beim Bun­desbildungsministerium beurteilen zu können, wurden die verschiedenen Ministerien angeschrieben mit der Bitte, sich zu dem Thema zu äußern. Zudem wurde im Internet auf den jeweiligen Homepages nach den Themen Männergesundheit und Frauengesundheit gesucht. Insgesamt hatten 6 von den 17 Ministerien geantwortet. Die Ergebnisse wurden in einer Deutschlandkarte eingetragen. Die betreffenden Bundesländer sind entsprechend ihrer Ampelfarbe dargestellt. Leider dominiert immer noch rot. Aber immerhin sind schon zwei grüne Flecken zu sehen.

In keinem Bundesland hat Männergesundheit den gleichen Stellenwert wie Frauengesundheit. Bei den meisten Bundesländern ist Männergesundheit immer noch kein Thema. Allerdings haben wir ei­nige positive Ansätze finden können. Männergesundheit scheint tatsächlich langsam als zartes Pflänzchen in einigen Landespolitiken zu wachsen. Der Weg zu einer Gesundheitspolitik, bei der die geschlechterspezifischen Belange beider Geschlechter berücksichtigt werden, ist aber noch sehr weit.

Rot bedeutet keine Thematisierung von Männergesundheit: Hier wurden keine ernsthaften Ansätze, Männergesundheit zu thematisieren, gefunden. Gelb heißt nachrangige Thematisierung von Männergesundheit, aber erste Ansätze erkennbar: Männergesundheit spielt kaum eine Rolle, aber einzelne Informa­tionen lassen erkennen, dass im Land Männergesundheit zumin­dest stellenweise thematisiert wird. Grün symbolisiert vorbildhafte Ansätze für Männergesundheit vorhanden: Es gibt zumindest einige beispielhafte landesweite Projekte zur Verbesserung der Männergesundheit.

Rot  – keine Thematisierung von Männergesundheit

Bei den meisten für Gesundheit zuständigen Ministerien bzw. Senaten konnte zum Zeitpunkt der Überprüfung (15. und 16.06.09) kein einziger Beitrag zu „Männergesundheit“ gefunden werden (Ber­lin, Brandenburg, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen, NRW, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen) oder der Stellenwert von Männergesundheit zu Frauengesundheit war extrem gering (Bundesregie­rung, Bremen, Niedersachsen).

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Berlin Katrin Lompscher Die Linke
Bayern Christine Haderthauer CSU
Brandenburg Dagmar Ziegler SPD
Bremen Ingelore Rosenkötter SPD
Bundesregierung Ulla Schmidt SPD
Hessen Jürgen Banzer CDU
Saarland Gerhard Vigener CDU
Sachsen-Anhalt Gerlinde Kuppe SPD
Thüringen Christine Lieberknecht CDU

Hessen antwortete auf unsere Anfrage, dass Männergesundheit beim zuständigen Ministerium keine besondere Bedeutung hat. Frauengesundheit hätte allerdings ebenfalls keine besondere Bedeutung mehr. Diese Aussage ist allerdings nicht nachvollziehbar, denn im Sozialministerium Hessens gibt es ein Referat V2 „Krankenversicherung, Vertragsarztrecht, Selbsthilfe, Frauengesundheit“, das also speziell auch für Frauengesundheit zuständig ist. Ein Referat für Männergesundheit existiert nicht.

Bayern antwortete auf unsere Anfrage, die Daten und Gesundheitsinformationen würden grundsätz­lich geschlechterdifferenziert angeboten. Der bayerische Gesundheitsindikatorensatz [28] sei weitge­hend nach Geschlecht differenziert. Außerdem gäbe es eine Vielzahl von Angeboten und Projekten in verschiedenen Segmenten des Gesundheitswesens zum Thema Männergesundheit. Konkret wurden uns jedoch keine genannt. Stattdessen ergaben unsere Nachforschungen, dass im Bayerischen Ge­sundheitsministerium seit 2002 ein Forum Frauengesundheit existierte. Dieses Forum wurde 2007 beendet. Frauengesundheit und geschlechterbezogene Gesundheitsfragen werden seitdem in die kontinuierliche Gesundheitsberichterstattung integriert. Der Grund, warum ein Frauenforum seit 2007 nicht mehr besteht, dürfte darin liegen, dass seitdem in der Bundeszentrale für Gesundheitliche Auf­klärung (BZgA) ein bundesweites Frauengesundheitsportal eingerichtet wurde. (Die BZgA wird weiter unten noch ausführlicher behandelt.)

Bremen hat einen Frauengesundheitsbericht, aber keinen Männergesundheitsbericht. Nur ein Eintrag zu „Männergesundheit“ konnte gefunden werden (zum Vergleich: Bei „Frauengesundheit“ gab es 8 Einträge). Unsere Anfrage wurde nicht beantwortet.

In Thüringen gab es schon ein Symposium zur Frauengesundheit, zur Männergesundheit noch nicht. Folgerichtig antwortete das Ministerium auf unsere Anfrage, dass über explizit auf Jungen und Män­ner ausgerichtete Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention (abgesehen von Vorsorgeun­tersuchungen) dem Ministerium keine Übersichtsdaten für Thüringen vorlägen.

In Berlin existiert ein Netzwerk Frauengesundheit, in dem u.a. der Berliner Gesundheitssenat Mitglied ist, aber kein Netzwerk Männergesundheit. Von Berlin erhielten wir die Antwort, dass die Anfrage an die zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz weitergeleitet wur­de und von dort eine Antwort kommen würde, welche allerdings nie erfolgte.

Nirgends war die Differenz zwischen den Suchergebnissen zu den Stichworten „Frauengesundheit“ und „Männergesundheit“ so hoch wie im Bundesgesundheitsministerium . Das schlägt sich auch in einer ausgeprägten Einseitigkeit der Projekte nieder. So gibt es z.B. ein Frauengesundheitsportal, eine Frauengesundheitsdatenbank, einen Frauengesundheitsbericht, ein Forschungsprojekt „Ge­sundheitliche Prävention bei Frauen in der zweiten Lebenshälfte“ und einen speziellen Themenbe­reich „Frauen und Gesundheit“. Zu Männergesundheit gibt es keinerlei ähnliche Angebote bzw. Maß­nahmen. Wie das Statistische Bundesamt zeigt, sterben nach wie vor mehr Männer an Folgen eines Tumors im Bronchien-und Lungenbereich als Frauen. [29] Das Bundesgesundheitsministerium reagiert darauf auf seine typische Art und Weise – es setzt einen Schwerpunkt auf das Thema „Frauen und Rauchen“. Eine Antwort erhielten wir vom Bundesgesundheitsministerium nicht.

Das Bundesland Brandenburg führt in seiner Fachtagung „Gender Mainstreaming -aber wie?“ 16 Themenbereiche allein zur Frauengesundheit auf, aber keinen einzigen Themenbereich zu Männer­gesundheit! (Siehe hierzu auch Kapitel „Geschlechterspezifische Gesundheitspolitik“) Auch von Bran­denburg erhielten wir keine Antwort.

Gelb  – nachrangige Thematisierung von Männergesundheit, aber erste Ansätze er­kennbar

Diese fünf Bundesländer zeigen Ansätze zur Etablierung von Männergesundheit, ohne diesem The­ma allerdings bislang ausreichend Aufmerksamkeit zu widmen.

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Baden-Württemberg Monika Stolz CDU
Hamburg Dietrich Wersich CDU
Niedersachsen Mechthild Ross-Luttmann CDU
Sachsen Christine Clauß CDU
Schleswig-Holstein Karl-Josef Laumann SPD

In Baden-Württemberg wurde ein Institut für Frauengesundheit mit Unterstützung des Sozialministe­riums ins Leben gerufen. Außerdem gibt es dort einen Frauengesundheitsbericht. Ähnliche Maßnah­men gibt es für Männergesundheit nicht. Die Suchfunktion ergab zum Zeitpunkt der Untersuchung je 0 Einträge zum Stichwort „Männergesundheit“ bzw. „Jungengesundheit“ (6 Einträge zum Stichwort „Frauengesundheit“, 2 Einträge zum Stichwort „Mädchengesundheit“). Positiv war, dass das Ministe­rium auf unsere Anfrage antwortete und umfassende Auskunft über die kommunalen Maßnahmen im Land gab.

Auf kommunaler Ebene gibt es gute und engagierte Projekte. Die Arbeitsgemeinschaft Gesundheit im Landkreis Göppingen z.B. veranstaltete 2008 ein Projekt „Mann, bleib gesund“. Die Angebote um­fassten Vorträge, Sport, Vater-Kind-Projekte, Kochkurse und Events für Jugendliche. Wegen der gro­ßen Resonanz wurde das Projekt mit diesem wichtigen Thema auch im Jahre 2009 weitergeführt.

Im Landratsamt Enzkreis gab es einen Workshop zu Jungen-und Männergesundheit in weiterführen­den Schulen. Das Landratsamt Tübingen veranstaltete in Kooperation mit der Volkshochschule Tü­bingen und PfunzKerle e.V. eine Ausstellung zur Männergesundheit. Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis veranstaltete ein Schulprojekt mit Gemeindebezug -Jungen haben Zukunft.

Hamburg profitiert von engagierten Männergruppen, die sich um das Thema kümmern. Hier wäre ein guter Ansatzpunkt für den Senat, diese Tätigkeiten zu unterstützen. Hamburg weist auf seiner Seite zumindest teilweise auf die Männergesundheitsaktivitäten hin. Eine Antwort auf unsere Anfrage ha­ben wir nicht erhalten.

In Niedersachsen existiert ein Netzwerk „Frauen/Mädchen und Gesundheit“. Die Landesregierung ist Mitglied. Ein Netzwerk für Jungen/Männer gibt es nicht. Es gibt zwar eine Landesvereinigung für Ge­sundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. (LVG) mit einem Arbeitsschwerpunkt Männergesundheit, worauf uns das Ministerium in seiner Antwort hingewiesen hat. Die Landesverei­nigung ist aber keine staatliche Einrichtung. Die LVG führt zwar zwei Frauengesundheitsnetzwerke, jedoch kein Männergesundheitsnetzwerk. [30] Eine Mitgliedschaft des zuständigen Ministeriums konnte im Gegensatz zur Mitgliedschaft im speziellen Netzwerk Frauengesundheit nicht gefunden werden.

In Schleswig-Holstein existiert ein Netzwerk „Urologische Diagnostik für bessere Männergesund­heit“. [31] Eine Antwort auf unsere Anfrage haben wir nicht erhalten.

In Sachsen , genauer gesagt in Dresden, fand schon 2000 im dortigen Rathaus ein Symposium „Frauengesundheit, Männergesundheit – ein Thema für Dresden?“ statt. Dem schnellen Start in die geschlechterspezifische Gesundheitspolitik folgte aber eine anhaltende Pause. Anhaltspunkte für landespolitische Aktivitäten im Bereich Männergesundheit als Konsequenz aus dieser Veranstaltung konnten keine gefunden werden. Hier wäre es wichtig, dass die Landesregierung ihre damals begon­nenen Aktivitäten wieder aufnimmt. [32] Eine Antwort auf unsere Anfrage haben wir nicht erhalten.

NRW erstellte schon 2003 ein Gutachten „Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW 2003“. Weiterhin gibt es dort eine Koordinationsstelle „Frauen und Gesundheit“, ein Netzwerk Frauengesundheit und im Frauenministerium ein Schwerpunkt „Frau und Gesundheit“. Ähnliche Ein­richtungen oder Maßnahmen für Männergesundheit gibt es nicht. Das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit hat 2008 einen Jungen-und Männergesundheitsbericht erstellen lassen. Dieser ist zwar von der Bedeutung her relativ gering (selbst das Sozialministerium NRW weist auf ihn nicht hin), zeigt aber, dass Männergesundheit zumindest als Thema erkannt wurde. [33]

Die Suchmaschine im Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst NRW ergab für Männer­gesundheit 24 Einträge. Das sind zwar deutlich weniger Einträge als für “Frauengesundheit“ (66 Ein­träge), lieferte aber die größte Auswahl zum Thema Männergesundheit während unserer Studie. Eine Antwort auf unsere Anfrage haben wir vom Ministerium nicht erhalten.

Grün  – vorbildhafte Ansätze für Männergesundheit vorhanden

Am 27. Juni 2008 wurde in der Hansestadt Greifswald eine erste Landesfachkonferenz Männerge­sundheit durchgeführt [36] . Antwort auf unsere Anfrage haben wir allerdings nicht erhalten. Etwas mehr Dialogbereitschaft gegenüber der Bürgerschaft zum Thema Männergesundheit würde die positiven Ansätze abrunden.

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Rheinland-Pfalz Malu Dreyer SPD
Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig SPD

In Rheinland-Pfalz gibt es eine „Landesinitiative Frauengesundheit Rheinland-Pfalz“ ohne Gegens­tück zur Männergesundheit. Allerdings beginnt das Land mit Aktionstagen zur Männergesundheit und dem Projekt „Männer-Checkup“ der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V., die Männergesundheit voranzutreiben. [34]

Das ist ein guter Anfang, wie wir meinen. Das Sozialministerium von Rheinland-Pfalz hat uns außer­dem umfassend und gerne Auskunft gegeben – ein erfreuliches Vorbild an Dialogbereitschaft mit der Bürgerschaft zum Thema Männergesundheit.

In Mecklenburg-Vorpommern existiert seit 2005 die Landesarbeitsgemeinschaft Männergesundheit unter dem Dach der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung. Das Sozialministerium ist Mitglied in dieser Landesvereinigung. Schon 2005 erarbeitete eine AG zusammen mit der DRV Nord und der Bundesagentur für Arbeit ein Gesundheitsprogramm mit dem Ziel der Verbesserung der Gesund­heitssituation von arbeitslosen Männern und der dadurch bedingten höheren Integrationsrate in das Erwerbsleben (Dr. Kupatz/LVG). [35]

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